Popkultur

Fragen, die der neue Terminator-Film aufwirft

Arnold Schwarzenegger ist eine coole Sau und fast genau so alt wie mein Vater. Tatsächlich bekommt Arnies weltbekannte Rolle, bei der seine schauspielerische und wortkarge Steifheit schon vor 30 Jahren perfekt zum Einsatz gekommen ist, im neuen Terminator: Genisys seine sehr väterliche Eigenschaft. Sarah Connor nennt ihn „Papa” und diese absurde Weiterführung der Geschichte eines ursprünglich sehr emotional sperrigen Roboters hat zum Teil sogar funktioniert.

Die Tatsache, dass Arnies englische Aussprache für mich exakt genauso klingt, wie die eines ehemaligen Schulkollegen aus der Sportklasse, verstärkt das Gefühl der heimischen Vertrautheit natürlich noch zusätzlich. Den Witz an seinem furchtbaren steirischen Akzent hat unsere deutschsprachige Welt in ihrer synchronisierten Blödheit ja erst Ende der 90er gecheckt, mit dem Einzug des DVD-Elitarismus, Filme nur im Original zu schauen.

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In Terminator: Genisys trifft dieses wunderbare Relikt des hirnlosen 80s-Action-Kinos mit Windows 3.0-Treibern im roten Auge auf die inhumane Moderne der allumfassenden technischen Vernetzung—und die beiden hauen sich gegenseitig aufs Maul. „Terminator VS Facebook” wäre auch ein akkurater Titel gewesen, ein bisschen meta vielleicht.

Der ganze Film ist ein Potpourri aus Elementen der Terminator-Reihe und rekreiert hauptsächlich die Szenen, Zitate sowie Figuren der ersten beiden Teile. Stellenweise erinnert das an Back to Future II, in dem auch das Sequel den Originalfilm besuchen geht und somit ein paralleldimensionales Abenteuer-Sandwich entsteht.

In Genisys werden die ursprünglichen Timelines leider ordentlich zerfickt und mit ziemlich willkürlich eingestreuter Nostalgie ersetzt. In der ersten Stunde des Films war ich aber echt extrem gehypet—was leicht fiel, aufgrund des apathischen, erwartungslosen Ausgangsgefühls, das wir alle gegenüber dem neuen Terminator hatten.

Ich habe bei der Pressevorführung sogar den kindisch tuschelnden Redakteuren neben mir ein empörtes „Pssst” zugezischt und gerade als ich dem professionellen Segen von James Cameron, dass Genisys ein würdiger Nachfolger seiner Filme werde, innerlich zustimmen wollte, stürzte der dritte Akt des Films im Steilflug direkt in die Jauchegrube. Keine Überlebenden.

Die Geschichte des geriatrischen Tötungsautomaten lässt uns wieder händeringend zum Himmel schreien: „Warum wissen heutzutage so wenige, wie man einen Actionfilm richtig zu Ende zu bringt!?” Und natürlich stellen sich auch noch andere wichtige Fragen.

Achtung, dieser Artikel enthält Spoiler!

Warum in Gottes Namen ist der junge, Computeranimierte Arnie nur so kurz im Film vertreten?

Was im ersten Terminator das unaufhaltsame Roboterskelett war, für das Arnolds Riesenschädel mit Stop Motion animiert wurde, und was im zweiten Teil die bahnbrechenden Digitaleffekte des flüssigmetallenen T-1000 waren, das ist in Genisys der junge, 37-jährige Arnold, dem mit CGI und alten Filmaufnahmen neues Leben eingehaucht wurde.

Ich hatte Gänsehaut, als sich dieses wunderbare Stück Retrokunst vor mir auf der Leinwand aufbäumte. Und damit war ich sicher nicht alleine, denn auch viele Kritiker und Fans stürzen sich auf diese geilen, fast existenzialistisch deutbaren Szenen, in denen ein faltiger Terminator mit verschlissenen Gelenken dem frisch ausgepackten Brudermodell mit einer massiven Parkuhr das Gesicht kaputt donnert.

Tatsächlich sind es aber vielleicht 10 Minuten am Anfang, in denen Arnolds 80er-Jahre-Körper und -Fresse zur Geltung kommen. Dann wird Modell 101 aus der Cyberdyne Produktionsserie 800 buchstäblich links liegen gelassen.

Warum wurde diese geniale Prämisse nicht den ganzen Film hindurch gemolken? Ich schätze mal, sehr pragmatisch und wirtschaftlich gedacht, dass die Aufrechterhaltung des Realismus von so einem aufwendigen Effekt einfach zu teuer geworden wäre. Und Arnold Senior wollte sicher auch nicht seine ganze Screentime mit dem cooleren Computer-Steirer teilen.

Beim Gedanken, was die Zukunft des CGI auf diesem Gebiet bringen könnte, explodiert mir fast das Gehirn. Ich sehe schon jetzt das umstrittene Ghostbusters-Sequel in wenigen Jahren erscheinen, aber mit den alten JUNGEN Gesichtern von Ramis, Murray und Aykroyd. Eine knackige Jane Fonda könnte Wonderwoman spielen—obwohl sie natürlich jetzt echt auch noch saucool ist, versteht mich nicht falsch—und Marlon Brando wieder zum Paten werden.

Stellt euch die meisterhaften, Karriereepochen überkreuzenden Produktionen vor: Katherine Hepburn aus ihrer Bringing Up Baby-Zeit, Philip Synecdoche Hoffman, Dorothy Dandridge und ein fescher Udo Kier Anfang 20 würden zusammen die weltbeste Drama-Komödie seit 100 Jahren abliefern. Ach, und Bruce Lee könnte Game of Death zu Ende drehen. Ich muss aufhören, sonst hyperventiliere ich.

Warum läuft 2017 die ganze Welt plötzlich nur noch auf einem Betriebssystem?

Der Namensgeber des Films, Genisys, ist nicht nur ein dümmliches Wortspiel in Bezug auf die filmnarrative Entstehungsgeschichte und den übertriebenen Gebrauch von Ypsilons in Cyberdyne, sondern auch ein diabolisches Betriebssystems. Wenn man sich Programme wie Yosemite, Napster oder Oculus Rift ins Bewusstsein ruft, klingt der Name gar nicht mehr zu idiotisch. (Man kann sich das motivierte Marketing-Team und die Powerpoint-Präsentation richtig vorstellen: „Genisys is Genius”.)

Apropos Bewusstsein, die ursprünglich böseste Künstliche Intelligenz heißt ja Skynet und kennen wir schon aus den ersten Teilen. Skynet findet Menschen scheiße und wirft gerne mit Nuklearwaffen um sich. In der Neuinterpretation der Terminator-Saga versucht dieses asoziale Netzwerk mit dem Release der besagten Genisys-App 2017 den Jüngsten Tag zu beschworen, um zwanzig Jahre verschoben im Vergleich zu den Originalfilmen.

Im Film repräsentiert diese immanente Bedrohung eines apokalyptischen Betriebssystems ein tickender Countdown, der an jeder größeren Kreuzung von Los Angeles den Release von Genisys runterzählt. Gar nicht so unrealistisch, wenn auch filmisch und visuell ein Griff ins Klo.

Wieso werden wir in den kommenden zwei Jahren alle verrückt nach einem alles vereinenden Operating System, das wie eine schicksalhafte Todesuhr unsere letzten Stunden zählt? Ein Arzt im Film schwärmt fast zombifiziert von den Vorteilen dieses ultimativen Cloud-Services der Hölle. Wo sind die ganzen Hater, die Trolle und vor allem die Konkurrenz mit den gleichwertigen und viel billigeren Angeboten, „Geni-Jizz”?

Ist es wirklich so toll und wünschenswert, alle unsere Computer, Garagenöffner, Tinder-Accounts und militärischen Einrichtungen einheitlich und zentral zu vernetzen—und hat die Folge „Trapper Keeper” der vierten South Park-Staffel diese Frage nicht schon zur Gänze abgefrühstückt?

Niemand scheint zu wissen, was dieses Programm eigentlich tatsächlich tun wird—oder ob es Flash Player unterstützt. Unsere blinde, verblödete und von Technik abhängig gewordene Menschheit kann es einfach nicht erwarten versklavt zu werden—in einer Szene mit viel Slow Motion auch schön anhand von verdammten Tablet- und Smartphone-Nutzern versinnbildlicht.

Warum sind Zeitreisen so wurscht – und plötzlich so sexy?

Wo fängt man an, die Probleme der Zeitreisenprämisse dieser Filmreihe zu verreissen—das alleine ist schon sauschwer und könnte potentiell dutzende Nerd-Tech-Foren selbstzerstören.

Der allererste Film basiert letztlich schon auf einem kausalen Denkfehler, da die Maschinen und Menschen davon ausgehen, ihre Timeline retten zu können, indem sie Amokläufer in die Vergangenheit schicken—was übrigens so überlegt erscheint, wie mit Strandhaubitzen häkeln zu lernen. Aber abgesehen vom unwissenschaftlichen Zugang und den absurden Motivationen der Filmfiguren, verändert sich trotz enormer Plot-Umstellungen nie etwas an den Timelines!

Es gibt natürlich die Theorie von unendlichen, parallel nebeneinander existierenden Zeitebenen. Aber wenn im Terminator-Universum diese Regelung der parallelen Timelines vorherrschen sollte, warum baut dann Skynet, das Wafferl, überhaupt erst diese „taktische Zeitwaffe”, wenn Veränderungen in der Vergangenheit keine Auswirkung auf die Zukunft haben? Oder bin ICH das Wafferl, weil ich mir solche Fragen stelle!? Es sollte mir einfach scheißegal sein, so wie den Autoren, den Kritikerkollegen, der Zielgruppe und der gesamten Connor-Familie.

Erinnert ihr euch an Terminator: Judgement Day? Da kommt der kleine Sohn von dem Typen, der Skynet erschaffen hat, vor. Dieser Junge ist in Genisys erwachsen geworden und bastelt an seiner eigenen Zeitmaschine. Er zitiert jedenfalls eins zu eins und grinsend dieses Timetravel-Meme aus 2012. Ich glaube, das sagt alles über den Wissenschaftsanspruch der Autoren in puncto Zeitreisen aus.

Bild von WeKnowMemes

Ich finde es hingegen eine sehr schöne Idee, dass aus der Notwendigkeit nackt durch die Zeit zu reisen—was in den Originalfilmen wahrscheinlich deshalb implementiert wurde, um Arnolds knödeligen Pferdekörper gut in Szene zu setzen—, in Genisys eine sexy Situation zwischen den Hauptfiguren entsteht. Khaleesi und der Typ von der Spartacus-Serie bringen verspielte Erotik in die Zeitkapsel und ich unterstütze das zu 110 Prozent.

Warum brauchen Maschinen ein menschliches Gesicht?

Mir geht es jetzt gar nicht um die viel kritisierte Erklärung rund um den pensioniert aussehenden Terminator. Die bionische Haut auf seinem Roboterskelett altert wie die von Menschen—passt, ist gekauft. Ich finde es viel eigenartiger, dass die Künstliche Intelligenz von Skynet—oder Genisys, oder doch Cyberdyne … ich habe den Überblick verloren—unbedingt eine menschliche Repräsentation von sich selbst braucht.

Die Terminator-Einheiten dürfen nicht auffallen, wenn sie die menschlichen Rebellen infiltrieren beziehungsweise beim Aufenthalt in anderen Zeitebenen. Das ist klar. Da bietet sich natürlich besonders ein Anabolikagesicht wie das von Arnold an. Ich stelle mir vielmehr eine andere Frage, wie bei vielen anderen Sci-Fi-Filmen. Sind Maschinen überhaupt fähig, willkürlich ein menschliches Gesicht zu erschaffen?

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Am Ende schwebt Genisys nämlich als dieses peinliche Hologramm eines Kindes herum und wächst zu einem Mann heran, parallel zum erwähnten Countdown. Mit dieser anthropomorphen Abbildung versucht es die bombenlegenden Helden mit berechnender Kaltblütigkeit zu verschrecken. Ist das nicht extrem unlogisch für eine Künstliche Intelligenz? Wäre das humanoide Aussehen nicht eigentlich ein Entgegenkommen, um den Menschen Angst zu nehmen, ein Akt des Wohlwollens? Will das Ding nicht eigentlich alle umbringen?!

Also wenn ich ein gottähnliches Netzwerk mit selbstreflektivem Bewusstsein wäre, würde ich nicht lange an der Nase für meinen Mensch-Avatar herumfeilen, sondern in Form der allerschlimmsten, albtraumhaften Inkarnationen meine Gegner in die Flucht schlagen, oder noch besser, zu zitternden hilflosen Wracks machen. Ich wäre super als Skynet.

Warum muss man bis zum Abspann warten, bis man das epische Musikthema von Terminator ganz zu hören bekommt?

Dafür gibt es wohl keine wirkliche Antwort, also hier die zehnstündige Version des Themes.

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