Für Männer ist es simpel: In einen Becher spritzen, Sperma einfrieren lassen, fertig. Für Frauen ist es kompliziert: Ärzte suchen, Hormone nehmen, damit besonders viele Eizellen heranreifen, die Eizellen heraus operieren lassen. Erst danach können Eizellen eingefroren werden. Das kostet Nerven und viel Geld.
Was tut man, wenn der Beruf oder die Beziehung das Kinderkriegen in den Zwanzigern und Dreißigern unmöglich macht? Die eigenen Eizellen einfrieren zu lassen, kauft ein Stück Planungssicherheit, ein Back-up, Unabhängigkeit. Es befreit von dem Druck, bis spätestens 35 den perfekten Partner zu finden. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 10.000 Frauen pro Jahr in Deutschland ihre Eizellen einfrieren lassen. Drei von ihnen haben uns erzählt, wie es für sie war.
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Samira Erich, 39: “Mir ging es nicht um Kinder, sondern um weniger Stress und mehr Zeit.”
“Vor etwa einem Jahr saß ich im Wartezimmer der Kinderwunschklinik zwischen anderen Frauen und fühlte mich schuldig. Neben mir saßen Frauen mit großem Kinderwunsch. Mir ging es nicht um Kinder, sondern um weniger Stress und mehr Zeit.
Von meiner Mama habe ich zum ersten Mal davon gehört, dass Frauen Eizellen einfrieren lassen können. Beim nächsten Termin habe ich meine Frauenärztin gefragt, wie man vorgehen muss. Sie wusste kaum etwas darüber und schickte mich in ein Kinderwunschzentrum. Dort saß ich im Wartezimmer und dachte darüber nach, wie ich mir Sicherheit schaffen und mich von dem gesellschaftlichen Druck befreien würde, bald schwanger zu werden.
Man muss wissen: Ich war mehr als sieben Jahre lang in einer Beziehung. Wir sprachen oft über Kinder. Ich sagte: Ich glaube, ich will Kinder; ich weiß aber nicht wann. Er sagte: Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Kinder möchte. Wir sind viel gereist und wollten beide unsere Freiheit nicht aufgeben. Doch dann sagte er: Ich weiß nicht, ob ich dir deinen Kinderwunsch erfüllen kann. Er ging. Ich war 36 und dachte mir: Puh, in den nächsten Jahren den Mann kennenzulernen, mit dem ich Kinder großziehe, setzt mich unter Druck.
Eine Krankenschwester steckte ihren Kopf in das Wartezimmer des Kinderwunschzentrums und rief meinen Namen. Sie nahm mir Blut ab, ich wartete wieder und wurde nervös. Als ich das Arztzimmer betrat, erklärte der Arzt mir freudig, dass ich für mein Alter, damals war ich 38, super Werte habe. Er gab mir eine Broschüre und sagte, ich solle nachdenken, könne aber direkt morgen anrufen, um mir das Rezept für die Hormonspritzen zu holen.
Mir wurde klar, dass ich meine Eizellen gern einfrieren lassen möchte. Warum einen Zyklus abwarten, dachte ich, und wählte die Nummer des Kinderwunschzentrums. Eine Menstruationsblutung kam am selben Abend. Der erste Tag meines neuen Zyklus war angebrochen und ich spritzte mir Hormone in den Bauch. Das machte ich von da an zehn Tage lang.
Mir ging es gut in dieser Zeit. Manchmal spürte ich ein starkes Ziehen im Unterleib. Ich hatte das Gefühl, riesige Eierstöcke zu haben, in denen richtig gearbeitet wird. Sonst hatte ich keine körperlichen Beschwerden. Auch meiner Psyche ging es super, denn ich hatte vor drei Wochen jemanden kennengelernt und war verliebt.
Als ich am achten Zyklustag bei meinem Arzt in der Kinderwunschklinik saß, schaute er mit dem Ultraschallgerät nach, wie viele Eizellen gereift waren. Ich vereinbarte einen Termin für die Operation. Die letzte Spritze setzte ich um 12 Uhr nachts. Ich war super müde und hatte mir extra einen Wecker gestellt. Die Spritze verzögert einen vorzeitigen Eisprung. Anderthalb Tage später saß ich wieder im Kinderwunschzentrum und wartete, dass die Narkose mich einschlafen ließ.
Ein Eingriff dauerte vielleicht 20 oder 30 Minuten. Als ich aufwachte, hatte ich krasse Schmerzen. Klar, dachte ich, da hat mir ja gerade jemand mit einer langen Spritze in den Eierstock gestochen. Meine Eltern holten mich ab, brachten mich nach Hause und ich verbrachte den Nachmittag auf meiner Couch.
Viele meiner Freundinnen haben erst durch mich erfahren, dass es diese Möglichkeit gibt. Dass jedoch meine Frauenärztin mich nie darauf hingewiesen hat und nicht viel darüber wusste, hat mich irritiert. Da brauchen wir mehr Aufklärung.
Die Ärzte haben mir während der OP 21 Eizellen entnommen. 13 davon waren geeignet, um eingefroren zu werden. Das sind echt viele, gerade für mein Alter. Ich freute mich und war stolz, das durchgestanden zu haben. Die Eizellen wurden mit flüssigem Stickstoff eingefroren. Kryokonservierung heißt das. Jetzt lagern sie in München. Medikamente, Untersuchungen, Blutbilder, Beratungsgespräche, die Operation – das alles hat mich fast 5.000 Euro gekostet. Außerdem zahle ich jedes Jahr zwischen 250 und 300 Euro, damit meine Eizellen konserviert bleiben.
Ich habe keine Ahnung, was mit den Eizellen passieren soll. Doch ich bin froh, dass sie da sind. Durch die Eizellenentnahme fühle ich mich eigenständig und unabhängig. Nun kann ich schwanger werden, wann ich möchte – und ich habe Zeit, mir zu überlegen, ob ich es möchte.”
Samira Erich lebt in München und arbeitet bei einer Krankenversicherung.
Tamar, 43: “Das ist verdammt teuer!”
“Ich war in einer zehnjährigen Beziehung und wir wollten ein Kind. Also setzte ich die Pille ab. Doch dann machte mein Partner Schluss. Einfach so. Von heute auf morgen. Er hatte eine andere Frau kennengelernt, aber das erfuhr ich erst später. Mich packte die Panik: Ich war 38 Jahre alt. So schnell würde ich niemanden kennenlernen, mit dem ich eine Familie gründen könnte, dachte ich. Mir blieben nur wenige fruchtbare Jahre.
Darum entschied ich mich 2018, meine Eizellen einfrieren zu lassen. Als ich mich dazu informierte, merkte ich: Das ist verdammt teuer! Mindestens 5.000 Euro sollte der Eingriff kosten. Um Geld zu sparen, entschied ich, die Operation in Tschechien vornehmen zu lassen. Eine Klinik in Karlovy Vary nahe der deutschen Grenze verlangte 4.000 Euro. Ich nahm dafür einen Kredit auf.
Es war eine schwere Zeit für mich: die Trennung, die Hormone und so viele Gefühle. Und da war diese Angst, bald kein Kind mehr bekommen zu können. In mir breitete sich der Drang aus, alle Optionen unbedingt offen halten zu müssen. Mir war oft übel.
In meinem Kühlschrank lagen jetzt Spritzen, deren feine Nadeln von Plastikkappen umhüllt waren. Ich kniff täglich die Haut an meinem Bauch zusammen und drückte die langen Nadeln hinein.
Kurz vor meinem Eisprung fuhr ich in die tschechische Klinik. Das Personal dort war sehr nett. Allerdings fühlte es sich auch an, als würde eine Frau nach der nächsten abgefertigt werden. Ich legte mich auf eine Liege. Meine Beine wurden auf Beinhalter gelegt, wie man sie von gynäkologischen Stühlen kennt. Dann bekam ich ein Betäubungsmittel. Die Ärzte schoben ein Gerät durch meine Vagina und saugten damit meine Eizellen ab. Nach dem Eingriff sagten mir die Ärzte, sie hätten zehn Eizellen entnehmen können. Doch am Ende eigneten sich nur zwei Eizellen, um eingefroren zu werden.
Leider habe ich erst mit 38 Jahren gemerkt, dass es für Frauen diese Möglichkeit überhaupt gibt. Hätte ich es früher gewusst, hätte ich mir womöglich in meinen Zwanzigern schon Eizellen entnehmen lassen. Je älter man wird, desto schlechter ist die Chance, dass aus einer Eizelle ein Embryo wird. Ich habe lange studiert, war lange in einer Beziehung, habe lange nicht über Kinder nachgedacht. Als meine Beziehung zerbrach, loderten Fragen hoch: Werde ich noch Mutter? Kann ich mir das überhaupt leisten? Die Preise sind Wahnsinn! Man muss mehrere tausend Euro einplanen, manche Frauen zahlen auch mehr als 10.000 Euro – je nach Alter und Körper.
Dennoch finde ich es super, dass es für Frauen diese Option gibt. Männer können auch mit 50 noch Kinder zeugen. Bei Frauen ist es deutlich komplizierter. Dieser Gedanke hat mich auf den Boden der biologischen Tatsachen zurückgezogen. Ich habe mich machtlos gefühlt, so als habe ich als Frau nicht richtig funktioniert, ich war gescheitert. Natürlich sind diese Gedanken Quatsch, aber das Gefühl konnte ich nicht abschütteln. Denn das, was da passierte, war nicht kompatibel mit meinem Selbstbild einer Frau, die ihr Leben in der Hand hat.
Dieses Jahr muss ich entscheiden, ob meine Eizellen eingefroren bleiben sollen. Es würde mehrere hundert Euro kosten, sie zu behalten. Erst im vergangenen Jahr konnte ich den Kredit für die Entnahme abzahlen. Ich habe inzwischen gemerkt: Es geht mir nicht um Kinder, sondern um Familie. Damals wollte ich mir aus Angst alles offen halten.
Mein Expartner hat eine neue Freundin. Sie ist jünger als ich und kann immer noch schwanger werden. In einigen Jahren wird meine Periode ausbleiben. Dann ist es vorbei mit der Fruchtbarkeit. Inzwischen weiß ich: Ich will nicht nur schwanger werden. Ich will einen Partner, eine Familie, das Ganze eben. Bei zwei Eizellen sind die Chancen schwanger zu werden gering. Darum tendiere ich gerade dazu, meine zwei eingefrorenen Eizellen vernichten zu lassen.”
Tamar T. arbeitet als Lehrerin und lebt in Leverkusen.
Anonym, 29: “Ich dachte mir: Was machst du hier eigentlich?”
“Meine Professoren im Medizinstudium rieten uns in einer Vorlesung zu Beginn des Studiums: Lassen Sie Ihre Eizellen einfrieren – am besten jetzt, wo Sie noch jung sind. Im vergangenen Sommer habe ich mich entschieden, das zu tun. Ich ließ mein Blut und meine Gebärmutter untersuchen. Alles sah gut aus. Ich weiß, dass ich kein Kind haben möchte, bevor ich 36 bin. Der Ausbildungsweg zur Fachärztin ist lang: sechs Jahre Medizinstudium, fünf Jahre Facharztausbildung. Nebenher ein Kind zu versorgen, wird schwierig.
Wer Eizellen entnehmen lassen will, muss Hormone schlucken oder spritzen. Die Hormone haben mich echt durcheinander gebracht: Ich war aufgewühlt und an manchen Tagen echt traurig. Kurz vor dem Eingriff sollte ich mir zwei andere Spritzen setzen. Sie zögerten einen vorzeitigen Eisprung hinaus. Es war die letzte Vorbereitung vor der Operation. Diese Spritzen hatten dickere Kanülen als die anderen. Ich saß auf meinem Bett, kniff mir in den Bauch und führte die dicke Kanüle ein. Es war schmerzhaft. Da dachte ich mir: Was machst du hier eigentlich?
Mein Eingriff war an einem Dienstag. Ich fuhr zur Klinik im Westen Berlins. Dort gab man mir ein Zimmer und ein Krankenhaushemd. Jemand begleitete mich in das OP-Zimmer. Drei Ärzte waren schon im Raum. Ich setzte mich auf einen gynäkologischen Stuhl, bekam eine Maske aufgezogen und atmete das Narkosemittel ein. Die Ärzte sagten mir, ich solle von Fünf runterzählen. Nach zwei Sekunden war ich weg.
Die Ärzte führen dann ein Ultraschallgerät durch die Vagina ein. Auf dem Gerät sitzt eine Nadel. Sie sticht in die Eibläschen und saugt die Eizellen ab. Das Ganze nennt sich: Follikelpunktion.
Meine Ärztin sagte mir damals: Frauen brauchen ungefähr so viele Eizellen wie Lebensjahre, damit ein gesundes Kind entsteht. Bei mir sind es fast 30. Ab 20 Eizellen hat man schon gute Chancen, einmal ein gesundes Kind auszutragen. Das sind Richtwerte. Natürlich kann das individuell abweichen.
Beim Einfrieren und Auftauen gehen Eizellen kaputt. Selbst wenn die Eier befruchtet werden, nistet sich nur ein Teil in die Gebärmutterschleimhaut ein.
Ich malte mir gute Chancen aus. Mit 29 Jahren bin ich relativ jung im Vergleich zu anderen Frauen, die Eizellen einfrieren lassen. Auch die Ärzte suggerierten mir: Ich sei früh dran, gesund und habe die besten Voraussetzungen.
Ein paar Tage nach der OP kam eine Mail von der Klinik. Darin stand, dass 16 Eizellen punktiert, also abgesaugt wurden. Davon waren jedoch nur 7 reif und wurden eingefroren. Das sind echt wenige. Ich hatte mir mehr erhofft.
Jetzt lagern die Eizellen in der Berliner Klinik für 250 Euro im Jahr. Im kommenden Sommer möchte ich eine zweite Runde starten und hoffe auf ein besseres Ergebnis: Ich werde erneut Hormone nehmen und die Operation wiederholen. Das erhöht die Chance, dass ich eines Tages Mutter werde.
Als Studentin ist es nicht einfach, einen solchen Eingriff zu finanzieren. Ich habe mir von Freunden und Familie Geld geliehen. Insgesamt werden die zwei Runden zwischen 8.000 und 9.000 Euro kosten. Ich habe ihnen versprochen, dass ich mit meinem ersten Gehalt ihr Geld zurückzahlen werde.
Als Frau muss man zwischen 25 und 40 alles abgewickelt haben: Studieren, Karriere, Partner, Kinder. Das setzt einen halt total unter Druck. Darum war das Einfrieren für mich auch eine Frage der Emanzipation. Die Hormone, die Arztbesuche, der Organisationsaufwand – das darf man nicht unterschätzen. Zwischendurch hatte ich Zweifel an der ganzen Sache. Heute weiß ich: Es war die richtige Entscheidung für mich.”
Unsere Gesprächspartnerin lebt und studiert in der Schweiz.
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