Frauen haben mich zum Fußballfan gemacht

Freunde, es ist so: Fußball ging jahrelang an mir vorbei wie ein Furz im Wind – also, wenn der Furz ein harmloser ist und man nicht in Windrichtung steht. Meine früheste und einzige Kindheitserinnerung an rundes Leder ist ein verrauchtes Hinterzimmer im Dorf-Gasthaus, ein klobiger (damals moderner!) Flachbildfernseher und der legendäre Zinedine-Zidane-Kopfstoß. Bäm. Das war 2006.

Seitdem versuche ich immer wieder aufs Neue, mich von allgemeiner Euphorie für den Sport anstecken zu lassen. Letztendlich kämpfe ich mich aber nur wieder durch ein 90-minütiges Non-Event, gefolgt von Shalala und dem traditionellen Shakira-Auftritt. Unterm Strich finde ich Fußball einfach saufad.

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Zumindest war das bis vor Kurzem so – In den Niederlanden geht nämlich dieser Tage die Fußball-Europameisterschaft der Frauen über die Bühne und genauso wie das österreichische Team bin auch ich zum allerersten mal dabei. Beides scheint hierzulande aber niemanden so wirklich zu interessieren: Statt den knapp 60 Public Viewings in Wien während der letztjährigen Männer-EM gibt es 2017 nur fünf, in meinem Umfeld will bis kurz vor dem ersten Österreich-Match niemand etwas von einer bevorstehenden Meisterschaft gehört haben und von Shakira fehlt weit und breit jede Spur.


Auch außerhalb des Fußball-“Mainstreams”: Das Wiener Derby of Love


Diese Teilnahmslosigkeit spornt mich an, also schmiere ich mir vor dem ersten Spiel entschlossen die Österreich-Flagge auf die Wangerl, winde mich in einen rot-weiß-roten Schal und übe, Begriffe wie “Flanke!” oder “Estarreich!!” möglichst tief aus der Brust heraus zu grölen. Der Aufzug soll eigentlich dazu dienen, mich irgendwie ironisch wirken zu lassen – stattdessen bin ich plötzlich, ohne Scheiß, ein richtiger Fußballfan.

Nachdem unser Team, das als Außenseiter im Turnier gilt, gleich zu Beginn überraschend die Schweiz besiegen konnte, stieg auch das landesinterne Interesse – beim zweiten Match gegen das favorisierte Frankreich saßen schon bis zu 684.000 österreichische Fans vorm Fernseher und konnten dabei zusehen, wie ein unerwartetes Unentschieden unser Team auf die Finalrunde hoffen lässt. Oléeee, olé, olé, olé!

Meine schlagartige Begeisterung für Fußball sollte mich eigentlich nicht überraschen – ich war immer schon aufnahmefähiger für alles, wenn Frauen es machen: Wären HAIM drei Brüder, sie wären mir wahrscheinlich so egal wie die Jonas Brothers. Superhelden-Filme fand ich auch immer eher deppert, aber bei Wonder Woman war ich regelrecht angezündet. Alle Comedians, die ich mag, sind Frauen. Und nach GTA: Vice City wurde ich erst richtig süchtig, als ich wusste, mit welchem Cheat man in die weibliche Spielfigur wechseln konnte (FOXYLITTLETHING). Und genau so geht es mir jetzt auch mit Fußball. Wahrscheinlich bin ich einfach ein Philogyn.

Frauen selbst finden Fußball, der von Frauen gespielt wird, eigenen Aussagen zufolge deshalb geil, weil sie sich mit den Spielerinnen identifizieren können – das leuchtet ein. Jetzt bin ich aber nun mal ein Mann, der sich mit heterosexuellen Frauen mindestens so oberflächlich identifizieren kann wie auch mit heterosexuellen Männern.

Homophobe Kommentare sind auch unter Männerfußball-Fans immer noch gang und gäbe – da fühlt sich Frauenfußball einfach mehr wie ein Sport an, bei dem ich nicht unerbeten bin.

Zum Vergleich: Wenn es um Musik geht, fühlen sich schwule Männer (wie ich einer bin) gerne von Singvögeln aus dem Populärbereich abgeholt – erklären kann man diese Verbundenheit zu Figurinen wie Cher oder Lady Gaga am ehesten durch den gemeinsamen “Überlebenswillen, der sich aus einer Position der Unterdrückung heraus entwickelt hat“. Und bis zu einem gewissen Teil kann man diese Theorie sicher auch auf Frauenfußball umstülpen. Nina Burger: die nächste Gay Icon.

Letztendlich geht meine Frauenfreundlichkeit, insbesondere meine Fußballfrauenfreundlichkeit aber natürlich auch mit der Abwesenheit von Homophobie einher. Männerfußball gilt als eine der letzten großen Bastionen der Schwulenfeindlichkeit, ein Coming-out gilt als Karriereselbstmord, homophobe Kommentare sind sowohl auf dem Spielfeld als auch unter den Fans immer noch gang und gäbe – da fühlt sich Frauenfußball einfach mehr wie ein Sport an, in dem ich zumindest nicht unerbeten bin. Logisch, dass mich das begeistert.

2019 wird die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich ausgetragen und ihr könnt euch denken, wer bis nicht nur dahin gelernt haben wird, was Abseits ist, sondern in voller Montur auf der Fan-Tribüne stehen und inbrünstig “Geh doch zuhause, du alte Scheiße” grölen wird. Shakira kommt dann eh auch, oder?

Franz auf Twitter: @FranzLicht

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