2015 haben wir Frauen in Österreich vom 11. Oktober bis Silvester gratis gearbeitet. Denn der 11. Oktober war vergangenes Jahr der sogenannte Equal Pay Day—das heißt, dass an diesem Tag die Männer statistisch gesehen das verdient haben, was Frauen bis zum Jahresende verdienen. Der Tag fand letztes Jahr zwei Wochen später statt als noch vor 10 Jahren. Zwei volle Wochen.
2013 lag das durchschnittliche Bruttogehalt von Männern mit 2.786 Euro knapp 900 Euro über dem österreichischer Frauen. Europaweit liegt Österreich auf dem vorletzten Platz, was die faire, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen angeht. 2013 betrug das mittlere Einkommen der Frauen 61 Prozent des mittleren Männereinkommens.
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Zumindest hat sich der Frauenanteil in der Geschäftsführung von 2011 16,4 Prozent auf 2014 20,3 Prozent erhöht. Dafür ist ihr Gehalt aber gesunken: 2011 betrug das Durchschnittseinkommen weiblicher Vorstandsmitglieder 76,6 Prozent der Durchschnittsbezüge ihrer männlichen Kollegen, 2014 waren es nur noch 73,1 Prozent. Obwohl es ein wenig mehr Frauen als Männer in diesem Land gibt, besetzen Frauen nur 6,7 Prozent der Bürgermeisterämter—und das ist bisheriger Höchststand. Im Nationalrat liegt der Frauenanteil bei 30,6 Prozent, bei den Landeshauptleuten sind es aktuell 0.
Warum sind Frauen so unterrepräsentiert? Und warum gibt es keinen größeren Aufschrei, wenn zum Beispiel Andreas Gabalier fordert, die Töchter aus der Hymne zu streichen? Und noch schlimmer: Wieso kaufen Frauen dann noch immer—und teilweise sogar deswegen—seine Musik, gehen auf seine Konzert und hängen ihre BHs an seinen Mikrophonständer, wenn er sie dazu auffordert?
Wieso glauben manche Frauen, sie wären gerade dann emanzipiert, wenn sie auf Gleichberechtigung scheißen? Wieso kämpfen einige Menschen dagegen an, dass Frauen ebenfalls einen Platz in der Hymne, in der Politik, in Führungspositionen verdient haben?
Wie kann eine Regierungspartei auf die Idee kommen, einen rückschrittlichen, homophoben Sexisten, nachdem er diese Gedanken öffentlich verteidigt hat, zu sich zu holen? Ja, Franz ist jetzt wilder Abgeordneter, weil er mit seiner Aussage, Merkel würde mit ihrer Flüchtlingspolitik nur ihre Kinderlosigkeit kompensieren, über die Stränge geschlagen hat. Aber die ÖVP hatte ihn geholt, als längst klar war, welche Ansichten dieser Mann vertritt. Wie konnte eine Partei wie die ÖVP es ernsthaft tolerierbar finden oder sogar als Asset sehen, Marcus Franz in ihren Reihen zu haben? Ausdrücklicher kann eine Regierungspartei fast nicht mehr sagen, dass sie auf Frauen (außerhalb von Haus, Herd und Kindererziehung) scheißt—außer vielleicht dadurch, dass sie vehement dagegen ankämpft, mehr Männer in Karenz zu bringen.
Einen anderen Weg, Gleichgültigkeit gegenüber Gleichstellung zu zeigen, hat Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer gefunden, als er zur Zusammensetzung der Landesregierung sagte: „Entweder die Frauen machen einen Aufstand oder die Bauern.” Er gesteht ihnen zwar zu, dass beide zurecht den Aufstand gemacht hätten. Entschieden hat man sich dann trotzdem für die 2,3 Prozent Bauern und nicht für die 50,5 Prozent Frauen in Oberösterreich. Dort muss sich jetzt ein Mann mit Pensionssplitting und Karenzmanagement auseinandersetzen.
Es macht mich wütend, dass es Menschen gibt, die ihre Energie daran verschwenden, die Töchter wieder aus der Hymne zu streichen. Ich konnte schon die nicht verstehen, die sie erst nicht drin haben wollten. Aber dass nun, wo sie drinnen stehen und Teil der offiziellen Hymne sind, Menschen sogar dafür kämpfen, dass sie wieder gestrichen werden, ist eine unfassbare und rückschrittliche Sauerei. Im Gegenzug aber Flüchtlingen „unsere Werte” und den Respekt gegenüber Frauen beibringen wollen, erst recht.
Aber das Problem und vor allem die Macht, etwas zu ändern, liegt nicht beim alten weißen Mann, sondern vielmehr auch bei uns Frauen selbst: Wie kann ich es mir gefallen lassen, dass ich, wenn ich beschissene und sexistische Nachrichten veröffentliche, wütende Nachrichten von den Männern bekomme, die sie geschrieben haben? Nachrichten, dass es „gemein” sei, so etwas (selbst ohne Klarnamen) zu veröffentlichen. Euer Sexismus gehört angesprochen. Er gehört veröffentlicht und bekämpft. Wenn ihr euch dafür schämt, dann behaltet ihn für euch. Nicht ich muss mir über meine Ehrlichkeit Gedanken machen, sondern ihr euch über eure Einstellung.
Es geht bei so etwas auch nicht darum, bestimmte Menschen namentlich bloßzustellen—das ist in der Tat oft unangebracht. Es geht darum, gewisse Denkmuster und Defizite in unserer Gesellschaft aufzuzeigen.
Wie kann es sein, dass es mir noch immer schwerfällt, zu sagen, dass ich Feministin bin? Warum schwingt ein negativer Ton in dem Wort mit, das besagt, dass man für die Gleichberechtigung von Mann und Frau steht? Wer kein Feminist ist, ist Sexist. Entweder man ist für die Gleichberechtigung der Geschlechter oder man ist es nicht. Ein „Frauen sollen eh gleichberechtigt sein, aber …” ist dasselbe wie „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …”
Wie oft haben wir gelächelt, als uns jemand gesagt hat, wir sollen uns damenhafter verhalten, nicht aufmüpfig werden, anständig sein? Wie oft haben wir beschissene und erniedrigende Sprüche über uns ergehen lassen, weil wir zu perplex waren, um zu reagieren, als sie uns entgegen geschleudert wurden?
Wie oft haben wir schon Dinge gehört wie „Beruhig dich”, „Hast du die Regel?“, „Ganz ruhig” oder „Nicht heulen”? Und wie oft haben wir selbst sexistische Dinge gesagt, ohne sie so zu meinen—einfach nur, weil es zum Beispiel anstrebenswert zu sein scheint, ein Mann zu sein oder wenigstens männliche Attribute vorweisen zu können? Da schließe ich mich in keiner Weise aus. „Ich mag Männer, die sind unkomplizierter”, „Frauen lästern so viel” oder: „Ich bin nicht so wie die anderen Frauen.”
Wie Maria Fekter, die sich einmal als „einziger Mann in der Regierung” bezeichnet hat. Man kann über Maria Fekter sagen, was man möchte, aber sie hatte zu diesem Zeitpunkt etwas zu sagen in Österreichs Politik. Wenn eine Frau Stärke zeigt, dann ist sie ein Mann, wenn ein Mann Schwäche zeigt, gilt er als Frau. Schwach, weinerlich, unsicher, irrational—wie Frauen halt nun mal so sind.
Weshalb sprechen in so vielen Diskussionssendungen mehr Männer als Frauen? Bei ausschließlich männlichen Runden zweifelt man kaum die Kompetenz der Teilnehmer an. Sitzt eine Frau dabei, hört man sich doch ganz genau an, was sie zu sagen hat. Man geht schließlich davon aus, dass sie nur dazu geholt wurde, weil sie eben eine Frau ist, egal, wie kompetent sie ist.
Ingrid Thurnher hat das Problem, Frauen in ihre Sendung Im Zentrum zu bekommen, bereits einmal genauer beschrieben. Laut ORF-Statuten sollte dort in jeder Sendung mindestens eine Frau mitdiskutieren, was oft nicht ganz einfach wäre. „Selbstverständlich können auch wir nur vereinzelt ein anderes Abbild jener Gesellschaft kreieren, die ist, wie sie ist—stark geprägt von noch immer mehrheitlich männlichen Führungsfiguren”, schrieb sie in der Presse. „Frauen stellen sich infrage.”
Bei mir selbst muss ich oft leider genau dasselbe beobachten. Wenn ich zu einem Panel eingeladen werde, gehe ich selbst als erstes davon aus, dass ich nur eingeladen wurde, weil sich sonst keine Frauen gefunden haben—dass die Expertise meiner männlichen Kollegen mehr geschätzt sei, sie aber eine Frau brauchen. Und jedes Mal bin ich genau aufgrund dieses Gedanken versucht, abzusagen. Irgendwann habe ich aber beschlossen, zu solchen Einladungen Ja zu sagen, auch wenn sie mich nervös machen. Frauen müssen präsent sein: in Diskussionen, in Führungspositionen, in der Politik.
Woher es kommt, dass Frauen in vielen Bereichen unterrepräsentiert sind, ist natürlich unendlich spannend zu ergründen. Ob es zum Beispiel Tugenden und Interessen sind, die uns schon in unserer Kindheit beigebracht werden; ob wir noch zu sehr an dem klassischen „Frau bleibt daheim, Mann arbeitet”-Schema festhalten; oder ob es ein Teufelskreis ist, dass durch mangelnde weibliche Präsenz, der Wille zur eigenen Präsenz sinkt.
Gehen wir erhobenen Hauptes durch die Straße, wenn uns ein Typ blöd anredet. Kontern wir.
Aber unabhängig davon, was es ist und woher es kommt—bewusst können wir irgendwann folgende Entscheidungen treffen: Kämpfen wir dafür, dass in 10 Jahren Frauen nicht wieder nur einen halben Monat später gratis arbeiten oder nicht? Wollen wir, dass alles so bleibt, wie es ist, teilweise sogar Rückschritte gemacht werden oder wollen wir, dass es für alle besser und fairer wird?
Ich will lieber ja zu neuen Herausforderungen sagen, auch wenn wir im ersten Moment glauben, ihnen nicht gewachsen zu sein. Weil am Ende jeder an diesen Herausforderungen wächst—und die Gesellschaft als Ganzes an dem, was wir damit erreichen können. Hauen wir auf den Tisch, wenn wir überzeugt sind, eine Gehaltserhöhung verdient zu haben. Seien wir auch mal die „Quotenfrau”, damit Frauen mit starken Meinungen, mit Ahnung und Kompetenz sichtbar werden—und damit es in weiterer Folge irgendwann keine „Quotenfrau” mehr geben muss. Nennen wir uns Feministinnen, damit dieser Begriff irgendwann mal die Selbstverständlichkeit bekommt, die er benötigt, damit Gleichberechtigung wirklich kein Nischenthema mehr in der öffentlichen Wahrnehmung ist. Gehen wir erhobenen Hauptes durch die Straße, wenn uns ein Typ blöd anredet. Kontern wir. Schließen wir uns zusammen und zeigen wir, was wir draufhaben. Damit irgendwann nicht mehr anhand der Zahlen auf dem Gehaltszettel zu erkennen ist, ob jemand einen Penis hat oder nicht.
Hanna auf Twitter: @HHumorlos