Jeden Monat postet Alex Cabba Fotos von sich bei Reddit und lässt sein Aussehen von Fremden bewerten. Der 33-Jährige leidet unter einer gestörten Selbstwahrnehmung seines Körpers, einer körperdysmorphen Störung. Die Diagnose hält ihn aber nicht davon ab, anonyme Userinnen und User zu fragen: “Habe ich ein fliehendes Kinn?” Oder: “Soll ich mir die Stirn verkleinern lassen?”
Wie vom Internet nicht anders zu erwarten, sind die Rückmeldungen nicht gerade feinfühlig. “Du hast einen creepy Vibe” oder “du musst abnehmen. 3,5/10”, kommentieren die Leute. Sein Selbstvertrauen sei quasi nicht vorhanden, sagt Cabba.
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Eine Sache, die er momentan unbedingt haben möchte, sind sogenannte Hunter Eyes – tief liegende, mandelförmige Augen, wie die einer Raubkatze. Cabba ist mit seiner Obsession nicht allein. TikTok-Videos mit Millionen Views behaupten, dass alle extrem attraktiven Typen solche Jägeraugen haben – Männer wie Chris Hemsworth, David Gandy und Robert Pattinson. Die Reddit-Foren, in denen Cabba aktiv ist, sind voll mit Männern, die verzweifelt ihre Augenform ändern wollen. “Ich wünschte, ich hätte Hunter Eyes. Ich will sehr attraktiv sein”, sagt Cabba und seufzt. “Momentan bin ich einfach nicht attraktiv.”
Hunter Eyes sind ein relativ neues Schönheitsphänomen. Der Begriff hat seinen Ursprung in Blackpill- und Lookismus-Communitys, in denen überwiegend Männer anonym extreme Ansichten zu Attraktivität austauschen und gegenseitig ihr Aussehen bewerten. Kern der Blackpill-Ideologie ist, zu erkennen, dass man hässlich ist und einem deswegen ein unglückliches und einsames Leben bevorsteht. Nach dem Schönheitsverständnis dieser Communitys haben die heißesten Typen tief liegende Mandelaugen mit einem positiven Kanthal-Winkel, das heißt, die Augen gehen an den äußeren Enden nach oben.
Diese Augenform lässt einen Mann laut Cabba “dominanter und geheimnisvoller erscheinen”. Auf Frauen wirken sie angeblich so sexy, weil sie denen von Raubtieren wie Tigern oder Geparden ähneln. Nach der Blackpill-Logik macht das diese Männer äußerlich zu guten Beschützern. Dass sie nach diesem Denkmuster genauso gut als Bedrohung wahrgenommen werden könnten, thematisieren die Anhänger der Hunter Eyes irgendwie nicht.
Am anderen Ende des Beauty-Spektrums dieser Communitys befinden sich Männer mit sogenannten Prey Eyes, also Beute-Augen. Diese armen Tölpel mit ihren Rehaugen sollen schwach und unsicher wirken. Auch Timothée Chalamets negativer Kanthal-Winkel macht ihn nach dieser Logik eindeutig zur Beute und unattraktiv, dabei wird er von Frauen auf der ganzen Welt angehimmelt.
Für Cabba, der in Rumänien lebt, sind die Augen aber nicht alles. Er spart Geld für eine lange Liste operativer Eingriffe: Fettabsaugungen von Kinn und Wangen, eine Haartransplantation, Anpassungen der Oberlippe und der Stirn. Für seine Augen wünscht er sich eine Kanthoplastik, eine Straffung des Lidwinkels. Wenn Cabba sich für diesen Eingriff einen Chirurgen wünschen könnte, wäre das Barry Eppley.
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Der im US-Bundesstaat Indiana lebende Schönheitschirurg erlangte 2019 weltweite Berühmtheit durch einen Artikel des New York-Magazins, der davon berichtete, wie er Incels dabei hilft, Chads zu werden – also attraktiv, selbstbewusst und erfolgreich. Eppleys Spezialität sind Gesichtsrestrukturierungen. Durch den geschickten Einsatz von Implantaten, Fillern und Skalpellen unterstützt er seine Patienten dabei, mehr dem gängigen Klischee von Männlichkeit zu entsprechen. Der Arzt ist außerdem dafür bekannt, dass er seine Patientinnen und Patienten, die aus aller Welt zu ihm kommen, nicht fragt, warum sie die Eingriffe machen lassen wollen. 80 Prozent von Eppleys Patienten sind Männer.
Insgesamt sind Männer bei Schönheitseingriffen gegenüber Frauen noch klar in der Minderheit. Laut der Vereinigung der deutschen ästhetisch-plastischen Chirurgen wurden 2022 nur 11,2 Prozent aller Eingriffe bei Männern durchgeführt. In den USA gehen acht Prozent aller Eingriffe auf Männer zurück. Die Tendenz ist aber steigend.
Hunter Eyes seien bei Männern erst in den vergangenen vier Jahren als Schönheitsideal aufgekommen, sagt Eppley. “Vor zehn Jahren hat es das definitiv noch nicht gegeben.” Heute seien sie ein üblicher Wunsch seiner Patienten.
“Bei der Maskulinisierung des Gesichts geht es darum, ihm mehr Struktur, Betonung und Form zu geben, es definierter zu machen”, sagt Eppley. “Hunter Eyes sind womöglich eine extreme Form der Maskulinisierung.”
Dabei seien viele Bilder, die ihm seine Patienten als Wunschbeispiele zeigen würden, nicht mal echt. “Sehr häufig sind es künstliche Looks – zum Beispiel Models, die ihre Augen zusammenkneifen.” Reddit-Seiten, auf denen User von Hunter Eyes schwärmen, zeigen immer wieder dieselben Schauspieler und Models in bestimmten Posen. Es ist ein bisschen, als würde man denken, Blue Steel wäre Zoolanders normaler Gesichtsausdruck. Aus einem anderen Winkel fotografiert kann übrigens auch Timothée Chalamet mehr wie ein Jäger als Beute aussehen.
TikTok hat nicht nur dabei geholfen, die Ästhetik bekannt zu machen. Über die Videoplattform werden auch ständig Falschinformationen darüber verbreitet, was körperlich überhaupt möglich ist. “Glow up tips for boys”, ein TikTok mit über drei Millionen Views, behauptet, dass man Hunter Eyes allein durch Ziehen und Dehnen des Augenbereichs erreichen kann. Laut anderen Videos soll ein anderer DIY-Beautytipp, das sogenannte Mewing, also das Pressen der Zunge gegen den Gaumen, nicht nur den Kiefer definieren, sondern einem auch Hunter Eyes geben.
Am extremen Ende des Spektrums fragwürdiger Beautyhacks befindet sich das sogenannte Bonesmashing. Laut dieser Methode soll man die Knochenstruktur seines Gesichts ändern können, wenn man regelmäßig gegen bestimmte Stellen schlägt – auch mit harten Gegenständen. Auf TikTok kursiert diese Technik zwar überwiegend als Insiderwitz, aber auf Reddit behaupten einige User, ernsthaft Bonesmashing versucht zu haben, um einen ausgeprägten Kiefer und Hunter Eyes zu bekommen.
Ob ernst gemeint oder nicht, das alles ist Teil eines größeren Trends: Looksmaxxing – darunter versteht man den Versuch, durch Übungen, Routinen, Pflegetechniken oder gar operative Eingriffe sein Aussehen radikal zu verbessern. Auch wenn der Begriff seine Ursprünge in Incelforen hat, ist er in den vergangenen Jahren auch zu Männern wie Cabba übergeschwappt, die sich nicht als Incels definieren, aber ein schlechtes Bild von ihrem eigenen Körper haben. Sie hoffen, durch die Veränderungen zufriedener zu werden und für Frauen attraktiver.
Aber weder Mewing noch Bonesmashing werden die Beschaffenheit deines Gesichts oder deiner Augenpartie merklich verändern, sagen Experten. Laut dem Chirurgen Barry Eppley sind je nach Patient sogar mehrere Operationen nötig, dazu gehörten möglicherweise ein Brauenimplantat und eine Unterspritzung der Tränenrinne. Jeder dieser Eingriffe kostet mehrere Tausend Euro.
Viele Männer, die unbedingt Hunter Eyes wollen, scheinen davon überzeugt zu sein, dass Frauen ausschließlich Typen mit Raubkatzenaugen attraktiv finden und dass eine Veränderung ihres Aussehens ihre Chancen beim Dating extrem verbessern würde. Aber viele Frauen, und dazu gehöre auch ich, können bestätigen, dass die Männer, auf die man steht, häufig eben nicht die großen, muskulösen und finster dreinblickenden Typen sind. Warum sonst würde Timothée Chalamet – der mehr einer verfluchten, wenn auch ungeheuer heiß aussehenden viktorianischen Puppe ähnelt – so vielen Frauen auf der Welt weiche Knie machen? Und was ist mit Pete Davidson – einem Mann mit chronisch müden Augen, der die berühmtesten Frauen von Instagram datet?
Hunter Eyes sind also nicht alles – und mit ungünstigen genetischen Voraussetzungen auch noch verdammt teuer. Natürlich ist es viel günstiger, nachhaltiger und letztendlich attraktiver, dich selbst so zu akzeptieren, wie du bist. Aber wie wir alle wissen, kann der Weg dorthin lang und beschwerlich sein. Wenn’s dir hilft, kannst du ja so lange einfach deine Augen zusammenkneifen.
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