Hast du keine Feinde, dann hast du kein’n Charakter – Bushido
Angela Merkel will nicht mehr. Zumindest will sie nicht mehr Bundesvorsitzende der CDU sein, deswegen kandidiert sie im Dezember nicht erneut um den Parteivorsitz. Nach 18 Jahren im Amt sorgt das für Aufregung und zwar nicht nur bei den Politikerinnen der CDU, sondern offenbar auch bei denen der AfD. Verständlich, immerhin waren Merkel und die AfD eine Art Duett. Die Eine sagte: “Wir schaffen das.” Die Anderen: “Wir schaffen das nicht.” Die AfD ohne Merkel, das ist nur noch eine wütende Partei ohne jemanden, auf den sie wütend sein kann.
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Deswegen soll die AfD jetzt damit begonnen haben, ihre Abgeordneten auf die Zeit nach Merkel einzuschwören. Das berichtete zuerst die Bild-Zeitung, der ein geheimes Strategie-Papier der Partei vorliegt, das für die AfD-Bundestagsabgeordneten bestimmt ist.
Noch steht nicht fest, wer Merkel als CDU-Vorsitz nachfolgen wird. Aber die AfD soll sich laut Bild bereits auf einen Kandidaten eingeschossen haben: “Wahrscheinlich” würde der ehemalige Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz den Job übernehmen, heißt es in dem Strategie-Papier. Das macht die AfD nervös. Vielleicht, weil er viele Wähler anspricht, die ein Problem mit Merkel haben. Vielleicht aber auch, weil er die Rechtspopulisten in einem Interview mit dem WDR am Montag als “offen nationalsozialistisch” bezeichnete und sich “ganz scharf” von Rechten abgrenzen will. So etwas kann sich eine Partei, deren Mitglieder auch mal zu Adolf-Hitler-Gedächtnisreisen aufbrechen, natürlich nicht bieten lassen. Zeit, die eigenen Abgeordneten darauf vorzubereiten, Merz “schrittweise inhaltlich” anzugreifen. Erklärtes Ziel des Anti-Merz-Masterplans: “den Wählern ein grundsätzlich unwohles Bauchgefühl zu seiner Person” machen.
Die Grundidee der AfD ist simpel. Sie will Merz wie eine Neuauflage der Kanzlerin aussehen lassen, eine Merkel mit Halbglatze. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende weiche ohnehin “nur in Nuancen” vom “Merkel-Gleis” ab, zitiert die Bild das AfD-Papier. Damit kein Abgeordneter sich selber überlegen muss, was wohl das Problem mit Friedrich Merz ist, gibt die Partei gleich vier Angriffspunkte vor.
1 – Merz ist zu grün
Friedrich Merz ist kein erbitterter Gegner der Grünen. Neulich telefonierte er sogar mit Cem Özdemir. Das allein ist für die AfD schon ein Problem. Die Grünen von heute, sagte Merz der Bild am Sonntag in einem Interview, seien “sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicher auch partnerfähig”. Das mag man als vernünftige Aussage sehen, oder, wie die AfD in dem geheimen Schlachtplan als “Fortsetzung der schwarz-grünen Anbiederung”. Die Botschaft ist klar: Wie schon Merkel arbeitet auch Merz an der Abschaffung einer klaren konservativen Linie.
2 – Merz ist zu europäisch
Merz’ klares Bekenntnis zur EU, vor allem aber die Tatsache, dass er einen Aufruf “Für ein solidarisches Europa” unterzeichnet hat, kommt bei der AfD gar nicht gut an. So etwas laufe auf einen europäischen “Superstaat” hinaus, heißt es in dem Strategie-Papier. In dem Europa-Aufruf hieße es, Trump, China und Russland bedrohten die Einheit der EU. Das, schreibt die AfD in ihr Papier, sei eine Aussage, die auch “genauso” von Merkel kommen könnte. Die AfD kommt zu dem Schluss: “Merz steht für eine EU unter Vorherrschaft von Macron und dafür, den Ausverkauf deutscher Interessen noch weiter voranzutreiben.”
3 – Merz ist eigentlich ein “Lobbyist der Finanzindustrie”
Das ist die einzige Sorge, mit der die AfD wohl nicht allein sein dürfte. Da sind sich Linkspartei und AfD ganz nah. Merz war jahrelang Aufsichtsratsvorsitzender des Fondsverwalters Blackrock in Deutschland. Ob seine Verbindung in die Wirtschaft ihn als Parteivorsitzenden und potenziellen Kanzlerkandidaten zu befangen machen würden, wird momentan von vielen diskutiert. Aber auch in diesem Punkt schafft es die AfD, ganz alleine einer eigenen Argumentationslinie zu folgen.
In dem Papier, in dem Merz eben noch als eine Art Ultra-Europäer gegeißelt wurde, wird ihm anschließend nämlich unterstellt, europapolitisch nicht genug von europäischem Idealismus geleitet zu sein. Stattdessen folge er vor allem seinem “Eigeninteresse als Wirtschaftsanwalt und bestens aufgestellter Lobbyist der Finanzindustrie”. Das zitiert die Bild aus dem Strategie-Papier der AfD. In Sachen Europa scheint die Partei sich also nicht so ganz sicher zu sein, was genau sie verurteilen will. Für sie steht aber fest: Merz “schwebt” in “abgehobenen Sphären”, ein Typ, dessen Finanzpolitik angesichts der “Ausplünderung der Sparer” weit an der Lebensrealität des einfachen Bürgers vorbeigeht.
4 – Merz äußert sich nicht kritisch genug zum Thema Migration
Ausnahmsweise einmal nicht der Punkt, auf den sich die AfD am begeistertsten stürzt. Klar, laut Bild wirft die Partei Merz vor, bereits jetzt einen Rückgang der Flüchtlingszahlen im Vergleich zu 2015 als Errungenschaft zu sehen. Aber an dem Mann, der als einer der ersten schon früh vor Integrationsproblemen warnte, kann die AfD sonst wenig kritisieren, wenn es um Migrationspolitik geht. Vielleicht liegt da der Kern ihrer Angst vor Friedrich Merz: Was bleibt der AfD noch, wenn sie sich nicht über die Flüchtlingspolitik der CDU aufregen kann?