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Ich war letztes Wochenende zum dritten Mal in Berlin. Auf jeden Fall bin ich ein Wien- und Österreich-Fan—meine Wahlheimat ist und bleibt meine Nummer Eins des Herzens. Das wird also kein Suder-Text mit Anklagepunkten, warum Berlin so viel cooler ist als Wien. Berlin hat viele Ratten, viele Probleme, es ist mir eigentlich viel zu groß und schön finde ich die Stadt auch nicht. Der Berliner Akzent macht mich wahnsinnig. Einmal im Jahr zieht es mich trotzdem nach Berlin. Zum Fortgehen—na, no na. Ich habe reflektiert—warum zieht es mich einmal im Jahr in eine große Stadt, die für mich nicht viel mehr zu bieten hat als ein florierendes Nachtleben? Nun, zum einem liegt es sicherlich an meiner Nachtleben-Liebe. Ich liebe es, die feinen Unterschiede des Rauschdurchlebens zwischen den Ländern herauszufinden und selbst zu durchleben. Und Berlin hat das Rauschdurchleben perfektioniert. Berlin ist ein fucking Spielplatz für Erwachsene.
Vieles von dem, was in Berlin möglich ist, ist bei uns schon alleine wegen der Größe so nicht möglich. Wir werden niemals zehn oder mehr namenhafte Techno-Schuppen haben—dafür sind zu wenige junge Techno-Leute hier. Wir werden auch niemals so große Locations haben—man würde sie ja auch kaum füllen können. Und das ist super so—so werde ich wahrscheinlich eines fernen Tages fertig studieren. Aber es gibt doch einige Punkte, die man sich abschauen könnte. Scheinbare Kleinigkeiten—die aber das Fortgehen in Berlin zu so einem leiwanden Erlebnis machen.
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„Späti”
Dieses Bier wurde im Kiosk gekauft.
Wenn man in Wien am Abend Bier, Wein und harten Alkohol checken möchte, dann hat man mehr oder minder Pech. Es gibt ein paar wenige Shops in ein paar U-Bahn-Stationen—die liegen natürlich nie am Weg. Oder man schnappt sich sein nicht-existierendes Auto und fährt zu einer Tankstelle. Man kann auch überteuert bestellen und bis zu zwei Stunden auf seine Flaschen warten. Der Würstler hat meistens drei Sorten Bier und Lösungsmittel-Wodka-Shots. Es ist möglich an Alkohol zu kommen—aber es ist echt zach. Spontane Aktionen sind so immer mit Komplikationen verbunden.
Kiosks gibt es nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland. Und sie sind toll. Gute Spätis in Berlin fungieren als Vorglüh-Orte—vor allem im Sommer. Wien bräuchte meiner Meinung nach definitiv ein paar Kiosks—vor allem in Fortgeh-Gegenden. Nicht nur, dass die Besitzer reich werden würden, unser aller Leben würde sich massiv verbessern. Ich bin davon überzeugt. Mein Leben wurde in Berlin dank der „Spätis” wundervoll aufgewertet. Die Gesetzeslage erlaubt es nicht, so etwas Wildes und Verrücktes wie Verkauf nach 19 Uhr zu erlauben. Nur ganz wenige Bahnhof-Shops haben die Genehmigung. Wenn man das lockern würde, würde sich ein Feld der Selbstständigen entwickeln, die Wirtschaft würde laufen, wir hätten nie wieder Staatsschulden und ich wäre für immer glücklich mit meiner Lieblings-Gin-Marke. Sage ich so als Volkswirtschafts-Laie.
Türpolitik
Auf der Liste mit den Sachen, die ich nicht an Berlin mochte, war auf dem ersten Platz die fucking strenge Türpolitik. Irgendwo zwei Stunden anstehen und dann nicht reinkommen—wahrscheinlich das negativste Gefühl, das man während eines Fortgeh-Abends haben kann. Ausgenommen Diebstahl und Gewalt. Wirklich beschissen. Was ist mit mir passiert? Den letzten Besuch habe ich fast ausschließlich mit Eingeborenen verbracht. Und auf meinen Ausruf „Diese beschissene Türpolitik!” sind mir nur unverständliche Blicke zugeworfen worden.
Sie haben mir erklärt, dass sie es genauso haben wollen. Sie finden es nicht nervig irgendwo anzustehen und dann nicht reinzukommen—leiwand ist es eh auch nicht. Aber es passt schon so. Sie wollen ja auch zur Party und der Party-Bevölkerung passen. Sie sehen den Türsteher als jemanden, der einfach die Party mitgestaltet. Und sie haben Recht. Zu einer guten Party gehört eine gute Umgebung, gute Musik und gute Leute. Wie oft war ich schon auf einem Festl und fand meine Mitfeieranten zum Kotzen.
Lieber hätte ich mir diese über zehn Euro gespart und wäre nicht reingekommen. Ja, OK. Das ist eine Lüge. Ich wäre beleidigt, hätte getobt und mich ewig beschwert—weil es mein Ego nicht gewohnt ist. Diese Truppe schien in so einem Fall nicht so schnell beleidigt wie ich. Sie sehen das große Ganze. Klar. Es sind Berliner. In ihre Stammschuppen kommen sie sowieso rein. Und aus dieser Position verteidigt sich die Türpolitik ja auch leicht. Aber auch sie werden manchmal abgewiesen. Und sind einsichtig. Natürlich kenne ich nicht alle Berliner und diese Menschen sind eine kleine Gruppe in meiner Lebenswelt—aber ihre Meinung zur Türpolitik hat mich überrascht. Und überzeugt.
Außerdem unterscheiden sich so die Clubs untereinander. Sisyphus hat ein ganz anderes Publikum als Kater Blau. Berghain hat ein ganz anderes Publikum als die Wilde Renate. Das Publikum ist in Berlin wichtig—und manchmal heißt das eben, dass man ansteht und nicht reinkommt. Und das passt schon so—das Vertrauen in die „Selekteure” ist mehr gegeben als bei uns. Natürlich ärgert man sich, wenn man einen bestimmten Act sehen möchte und da nicht reinkommt. Aber sie sehen es lockerer und möchten ihre Türpolitik nicht abschaffen. Underground-Schuppen wo man immer reinkommt, gibt es nämlich auch da.
Ich will auch nicht, dass Wien in jedem Schuppen anfängt oberflächlich das Publikum zu sortieren. Die meisten Türsteher in Wien schaffen es nicht mal nett und höflich zu sein. Die Fähigkeit, ein Publikum einer Veranstaltung zu erwählen, würde ich nicht mal irgendwie im Kompetenzbereich der Securitys sehen. Aber jemanden anstellen der es kann, das Lokal und die Veranstaltungen kennt—in einem Lokal von, sagen wir, fünf Schuppen—würde bestimmt die Location und Party aufwerten. Man müsste nicht zehntausende Euros in Bookings reininvestieren, um alle Menschen anzulocken. Die man aus Angst vor einem Verlust auch reinlässt. Man macht einfach eine Party, bestimmt sein Publikum ein bisschen mit—so dass es zueinander passt—und die Menschen haben mindestens genauso viel Spaß. Garantiert. Und ganz so resolut wie in Berlin muss man es ja nicht machen—ab drei Uhr könnte die Tür wieder offen sein. Für alle. Na, habe ich nicht gute Ideen?
Die Öffnungszeiten
In Berlin kann man auch untertags fortgehen. Gegen Wochenende kann man eigentlich immer fortgehen. Das finde ich ur super. Es gibt um sechs Uhr nicht den resoluten Rauswurf—die Party geht natürlicher von selbst zu Ende. Zweitens kann man aufstehen und feiern gehen—wieso auch alles auf die Nacht begrenzen? Vor allem in Wien fangen die Partys oft erst um 23 Uhr an und enden sieben Stunden später. Ist doch nervig. Sieben Stunden! Wovon die erste leer ist und die letzte Stunde meistens noch am Kochen.
Da ist wieder unsere Gesetzeslage im Spiel—einige Lokale in Wien versuchen diese wirklich nicht coolen Bestimmungen zu umgehen. Mit halbwegs gutem Erfolg. Manchmal kann man einfach weiterfeiern. Ab und zu muss man rausgehen, wieder Eintritt zahlen und darf dann wieder rein—das ist schon schwieriger. Viele gehen dann, obwohl sie eigentlich hätten bleiben wollen. Afterhour-Lokale und Veranstaltungen sind nicht dasselbe wie eine Party, die länger als sieben Stunden geht. Mit der Berliner Truppe, mit der ich fort war, sind wir erst gegen zwei oder drei Uhr Früh aufgebrochen—nachdem ich ein Nickerchen am Abend gemacht habe und wir unser Späti-Zeug ganz ohne Stress ausgesoffen haben.
Die Umgebung
Es ist ein Erlebnis in Berlin fortzugehen. Jede Disco unterscheidet sich voneinander—jede Location ist etwas Besonderes. In Wien ist es nicht mal wirklich möglich, eine 0815-Disco zu eröffnen—ausgefallene Locations und Partys sind für unsere Bürokraten offenbar mit Kindermord gleichzusetzen. Also mache ich diesen Absatz nicht schon wieder über die Gesetzeslage—wir einigen uns drauf, dass sie grundsätzlich scheiße ist und es hier viele Menschen gibt, die grundsätzlich tolle Ideen und Vorstellungen hätten.
Aber Deko. Visuals. Viele Partys in unserer Stadt kümmern sich nicht drum. Wenn sie sich drum kümmern, dann kümmern sie sich scheinbar lieblos und investieren wenig Geld rein. Partys, die toll dekoriert sind und Visuals haben, kann ich auf einer Hand abzählen. Specials für die Gäste—so, dass sich Fortgehen auch nach Spielplatz anfühlt, haben auch wenige Veranstaltungsreihen. Viel zu wenige. Wenn ich etwas aus Berlin mitgenommen habe für mein Veranstalter-Dasein, dann ist es definitiv mehr aus der von mir gebuchten Location zu machen. Mehr zu dekorieren, mehr Licht zu haben und mehr lustige Dinge anzubieten.
Handys und Fotos
Leidiges Thema—Fotos im Club. Oder noch schlimmer: Selfies im Club. Und ich stehe auf der Seite der Foto- und Handy-Süchtigen. Wirklich. Aber ich sehe es ein—es ist uncool. Es ist nicht cool, Fotos zu schießen. An einem Ort, den Menschen aufsuchen, um Arbeit, Alltag und ihr Aussehen nicht zu bedenken. Auch wenn ich nicht zu der paranoiden Gattung Mensch gehöre—ich respektiere, wenn man in der Hinsicht paranoid ist. Wenn man sich unwohl fühlt in einem Sturz-Schuppen fotografiert zu werden, obwohl man dem Chef gesagt hat, man ist krank. Oder seiner Freundin erzählt, dass man Fußball schauen ist.
Clubs sind in Berlin mysteriöse Orte. Sie sind es auch deshalb, weil es keine oder kaum Fotos gibt. Ich habe mit meiner Handysucht natürlich in einem Club mein Handy rausgeholt. Und habe Fotos gemacht—ich bin wirklich ein Vollopfer. Asche über mein Opfer-Haupt. Nicht Securitys haben mich darauf aufmerksam gemacht, sondern andere Gäste. Handys und Kameras werden von den Gästen selbst nicht gerne gesehen. Es ist nicht mal eine Regel von außen, die wie ein Verbot wirkt, sondern es ist—ähnlich wie die Türpolitik—gern gesehen. Also halt gerne nicht gesehen. Und die Gäste achten untereinander darauf, dass es auch so undokumentiert bleibt. Aber auch hier: Es sind meine Erfahrungen und wahrscheinlich kann man die nicht als allgemeingültig nehmen—ich habe nur dieses starke Gefühl, dass mehrere Menschen in Berlin so denken. Aber: Irgendwo in Berlin wird es schon Menschen geben, die sich über diese Dinge aufregen. Sudern has no borders.
Fredi ist auch aufTwitter: @schla_wienerin
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