Um 7:00 Uhr morgens schlage ich bei der Bäckerei Mario im italienischen Genua auf. Besitzer Graziano Bargi wartet schon auf mich. Draußen ist noch alles dunkel, bei ihm wird schon seit drei Stunden gearbeitet.
Die Bäckerei ist noch genauso, wie ich sie in Erinnerung habe: Wir wohnten ganz in der Nähe und wenn ich im Sommer bei meiner Großmutter war, habe ich die Bäcker morgens immer reden gehört und der Geruch vom frisch gebackenen Brot bahnte sich seinen Weg durch die Straßen über den Balkon durch mein Fenster.
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Der Geruch, der in mein Zimmer kam, war nicht von irgendeinem Brot, sondern von Focaccia, einem traditionellen italienischen Fladenbrot mit viel Olivenöl: Auf einer Seite ist die Focaccia ganz weich, auf der anderen Seite hat das Brot eine besondere Textur mit kleinen Mulden.
Allerdings würde niemand in Genua die Focaccia als schnödes Brot bezeichnen.
„Ein echter Genuese isst die Focaccia mit der strukturierten Seite nach unten, sodass die Löcher direkt auf der Zunge liegen”, sagt Bargi. „So kann man zuerst den knusprigen Teil spüren.”
Bargis Familie hat die Bäckerei 1968 von ihrem vorherigen Besitzer und Namensgeber übernommen. Seitdem haben viele andere Bäckereien in der Stadt aufgemacht, aber die Genuesen bleiben Mario treu. Vielleicht, weil die Focaccia hier noch nach dem alten Rezept gemacht wird.
Graziano führt mich durch die Bäckerei: Die Bäcker sind gerade bei den letzten Backschritten, im Italienischen und schiacciare. Dabei rollen sie den aufgegangenen Teig auf einem Blech gleichmäßig dick aus und machen dann mit ihren Fingern kleine Mulden, wodurch die spezielle Textur der Focacce entsteht.
An einem normalen Tag backt man hier gut 120 Bleche. Mit dem Teig haben die Bäcker aber schon um 4.30 Uhr begonnen: Mehl, Wasser, Hefe, Schmalz und Malz—dadurch entsteht die besondere leicht orange Färbung—werden in einer speziellen Küchenmaschine vermischt. Dann ruht der Teig für zwei Stunden.
Rezept und Zutaten für eine Focaccia bei Mario hören sich relativ simpel an, aber das richtige Mengenverhältnis bleibt ein gutes Geheimnis. Das macht ihr Brot so besonders, meint Graziano.
Und das Geschick des Bäckers. Immerhin muss der Teig eine Stunde lang geknetet werden, dann eine Stunde lang ruhen und dann noch mal zwei bis vier Stunden auf dem Blech gehen. Focaccia ist nichts für Ungeduldige.
„Das geht nicht so schnell wie Pizza”, meint Graziano. „Als Bäcker muss man das richtige Timing haben, um den ganzen Tag ein knuspriges und leckeres Brot verkaufen zu können.”
Ein schwieriger Job, gerade auch in einem kleinen Familienbetrieb wie der Bäckerei Mario.
„Mein Vater hat erst mit 70 angefangen, mich beim Vornamen zu nennen”, lacht Graziano. „Vorher hat er mir nur irgendwelche fiesen Spitznamen gegeben, weil ich immer irgendwas falsch gemacht habe.”
Um 8:00 Uhr wachen dann auch die restlichen Einwohner Genuas auf. Die erste Ladung Focacce ist schon fast bereit für den Backofen und gleich kommen die Kunden, die sich auf ihr traditionelles Genueser Frühstück freuen: Espresso und eine heiße Focaccia.
Das gönne ich mir heute sicher auch.