Manchmal schreibt der Zufall die besten Geschichten. Als der französisch-belgische Fotograf Laurent Meurice Bilder für die Website eines Freunds machte, stieß er auf Runina, ein kleines slowakisches Dorf in der Nähe zur polnischen und ukrainischen Grenze. Meurice war sofort fasziniert und entschied sich trotz der erheblichen Sprachbarriere dazu, die 75 Einwohner und Einwohnerinnen von Runina besser kennenzulernen. Im Laufe seiner vielen Besuche in dem Dorf kamen so viele Fotos zusammen, dass er damit ein ganzes Buch namens Brut füllen konnte.
"Mein Ziel war es, die Menschen dort ganz privat zu fotografieren", sagt Meurice. "Manchmal haben sie aber nicht ganz verstanden, dass ich sie bei sich zu Hause ablichten wollte."Die einzigen Leute, die in Runina Englisch sprechen, sind die orthodoxen Priester, die dort in der Kirche die Messen abhalten. "Aus Erfahrung weiß ich, dass Priester nicht so gerne Fotos von sich machen lassen", sagt Meurice, der auch als Hochzeitsfotograf arbeitet. Zu seiner Überraschung waren die Geistlichen von Runina aber gar nicht kamerascheu.
Die drei orthodoxen Priester von Runina in ihrer Kirche
Bei den anderen Einwohnern von Runina war die Annäherung durch Gespräche keine Option. Zum Glück fand Meurice hier einen anderen Weg der Kommunikation, nämlich Essen: "Jedes Mal, wenn ich bei jemandem zu Hause war, egal ob um acht Uhr früh oder acht Uhr abends, hat man mir Essen und Getränke serviert", sagt er. "Ich fühlte mich wie damals in meiner Kindheit – ich setzte mich, wurde bedient und aß, was auf den Tisch kam."Mit Getränken meint Meurice übrigens selbstgebrannten Schnaps mit einem Alkoholgehalt zwischen 70 und 96 Prozent: "Man ist ständig benebelt, weil man ständig trinkt."
Die Schnapsgläser stehen in Runina immer bereit
Die meisten Bilder aus Runina sind intime Porträts des Alltags in einem Dorf, dessen Einwohnerzahl seit Jahren zurückgeht. Wenn der Fotograf die Leute dort zur Zukunft ihrer kleinen Gemeinde befragte, bekam er oft als Antwort, dass es kompliziert sei. "Dort gibt es einige Leute zwischen 30 und 50, aber keine Arbeit", sagt Meurice. "Und seit mein Buch im Mai 2019 erschienen ist, sind einige Menschen dort gestorben."
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Während in Runina die Zeit stillzustehen scheint, verändert sich um das Dorf herum einiges. Auf der anderen Seite der polnischen Grenze machen Holzarbeiter den Wald platt. Das gefällte Holz fährt verladen auf Lastwagen auf dem Weg zu den Fabriken an Runina vorbei – eine düstere Mahnung an die Dorfbewohner, dass alles um sie herum verschwinden kann. Wenn es so weitergeht, steht ihr Dorf vielleicht als nächstes auf der Liste.Es folgen weitere Fotos aus Meurices Buch Brut:
Runina auf einer Landkarte
Auch in Runina wird Fitness großgeschrieben
Ein verlassenes Haus
Eine alte Einwohnerin von Runina
Ein Einwohner Runinas in einer Armeejacke
Eine Einwohnerin Runinas vor ihrem Haus
Mit Pilzesammeln kann man sich in Runina die Zeit vertreiben
Ein Einwohner Runinas vor seinem Zuhause
So sieht es in den Häusern von Runina aus
Bilder erinnern an die Vergangenheit
Die Idylle um Runina herum