Ein Taucher in einem Korallenriff, Klimaforscherinnen berichten, was ihnen in der Klimakrise Grund zur Hoffnung gibt
Foto: Westend61 / Getty
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Klimaforscherinnen erzählen, was ihnen Hoffnung macht

Zur Abwechslung mal ein paar gute Neuigkeiten.

Überschwemmungen, Massensterben, Hitzerekorde, Dürren – es vergeht kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaft zur Klimakrise. Aber es ist nicht alles schlecht, jedenfalls nicht nur. Wir haben Naturwissenschaftlerinnen gefragt, was ihnen die größte Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten macht.

"Innerhalb von acht Jahren konnten wir die Entwaldung im Amazonasgebiet um mehr als 80 Prozent reduzieren"

Ich beschäftige mich beruflich mit dem Waldverlust im Amazonasgebiet. Momentan macht mir die größte Hoffnung, dass wir in der Vergangenheit schon in viel schlimmeren Situationen waren und den Verlust des Regenwalds auch damals begrenzen konnten.

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In den vergangenen Jahren habe ich wieder eine Zunahme der Rodungen im Amazonas beobachtet: 2021 haben wir 13.000 Quadratkilometer Regenwald verloren. Anfang der 2000er Jahre lag der Wert allerdings bei über 20.000 Quadratkilometern pro Jahr und wir haben es geschafft, diese Fläche bis 2012 auf weniger als 4.000 Quadratkilometer pro Jahr zu verkleinern.

Wir konnten also innerhalb von acht Jahren die Entwaldung um mehr als 80 Prozent reduzieren. Das zeigt, dass unsere Bemühungen in der Vergangenheit funktioniert haben – als Forscherin halte ich mir das immer wieder vor Augen. 

Natürlich dauert so etwas. Um den Verlust des Waldgebiets zu verringern, braucht es politischen Willen, Druck aus der Zivilbevölkerung und Lösungen, die die Wirtschaft miteinbeziehen. Es ist nicht einfach und es ist teuer, aber es ist machbar – und es wurde schon mal gemacht. Der Verlust des Regenwalds wird häufig als eins dieser unlösbaren Probleme hingestellt, aber das ist es nicht.

Dr. Erika Berenguer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ecosystems Lab der University of Oxford und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Lancaster University

Eine Frau mit Federschmuck auf dem Kopf und einer schwarzen Mund-Nase-Bedeckung mit der Aufschrift UN CLIMATE CHANGE CONFERENCE UK 2021

Eine indigene Vertreterin aus dem Amazonasgebiet beim COP26 | Foto: REUTERS/Phil Noble

"Die Bergregionen verändern sich nicht so stark wie andere Teile unseres Planeten"

Seit 27 Jahren erforsche ich Berge und 2019 habe ich als Autorin am "IPCC Sonderbericht über die Ozeane und die Kryosphäre" mitgewirkt. Darin gibt es auch ein Kapitel über Hochgebirgsregionen. Das Tolle ist, dass sich die Gebirgsregionen nicht so stark verändern wie die Ozeane und die Pole. 

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Es gibt zum Beispiel alpine Pflanzen, die 500 Jahre oder älter sind. Die sehen aber gar nicht so alt aus, wie wir uns zum Beispiel einen großen, zerfurchten alten Baum vorstellen. Ihr zerfurchter Teil befindet sich vor allem unter der Erde. Alles, was man sieht, sind kleine grüne Blätter und Blüten in einigen der extremsten Gebirgslandschaften. 

Auch wenn sie hier in Colorado, USA, ein paar schwere Jahre mit Dürren und viel Niederschlag hinter sich haben, können diese Pflanzen in einem guten Jahr immer noch ein gutes Stück wachsen und viele Blüten tragen. 

Ich sehe die Gebirge als Zufluchtsorte unseres Planeten. Bei der Arbeit am Sonderbericht habe ich mich auch gefragt, warum wir die Berge nicht mehr als einen Zufluchtsort sehen, wo sie doch zu den Regionen unseres Planeten mit der größten Biodiversität gehören.

Dr. Heidi Steltzer, Koordinatorin des Environmental Science Degree Programs und Dozentin für Umwelt und Nachhaltigkeit am Fort Lewis College

"Korallenriffe sind nicht nur außergewöhnliche Ökosysteme, sondern unter den richtigen Umständen widerstandsfähig" 

Ich erforsche für die Wildlife Conservation Society, WCS, wie Korallenriffe den Klimawandel überleben werden. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, auf der ganzen Welt mit Teams der WCS die Gesundheit von Korallenriffen, deren Korallenkolonien und der Rifffische zu beobachten. Dabei lernen wir eine Menge über die Widerstandsfähigkeit eines Korallenriffs. 

2019 schloss ich mich auf der Insel Ovalau einem WCS-Team aus Fidschi an. Wir hatten keine großen Erwartungen. Drei Jahre zuvor hatte der Zyklon Winston die Insel verwüstet. Es war der stärkste tropische Wirbelsturm auf der Südhalbkugel seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Korallenriffe, die wir untersuchten, waren durch den Sturm komplett zerstört worden. Als wir dann allerdings im Wasser waren, wimmelte das Riff vor lauter Leben. 

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Wir sahen kleine Korallen, die zwei oder drei Jahre alt waren, die sich vom Zyklon erholt hatten und gewachsen waren. Es gab Schulen mit kleinen blauen und gelben Papageifischen, die die Algen stutzten und damit den Korallen halfen, wieder zu gigantischen Kolonien zu wachsen. Es war erstaunlich, wie schnell die Riffe sich erholt hatten und wieder einen natürlichen Schutz der Küste vor zukünftigen Stürmen aufgebaut hatten. 

Ein weiterer Anlass zur Hoffnung ist die Rolle, die die dort ansässige Gemeinschaft bei der Genesung des Riffs gespielt hat. In Fidschi haben einheimische iTaukei-Gemeinden traditionell die Fischfangrechte und entscheiden, wie die Ressourcen des Meeres genutzt werden. Wir glauben, dass das stark zur Erholung der Riffe beigetragen hat. Korallenriffe sind nicht nur außergewöhnliche Ökosysteme, sondern unter den richtigen Umständen auch widerstandsfähig. Das macht mir Hoffnung.

Natürlich bedrohen der Klimawandel und die steigenden Temperaturen Korallenriffe stark, so wie auch viele andere Ökosysteme. Beim WCS konzentrieren wir uns darauf, in den Ozeanen Zufluchtsorte vom Klimawandel zu finden, sogenannte Cool Spots, an denen die Natur von der Erwärmung nicht so stark betroffen ist. Indem wir mit Einheimischen daran arbeiten, die Belastung dieser Zufluchtsorte zu verringern, können wir Korallenriffe eine bessere Chance im Kampf gegen den Klimawandel geben.

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Dr. Emily Darling ist Expertin für Korallenriffe und Leiterin der Coral Reef Conservation der Wildlife Conservation Society.

Drei angekleidete Personen schwimmen zwischen Uferbefestigungen im Meer

Kinder schwimmen zwischen Kaimauern auf Ovalau, Fidschi | Foto: Dmitry Malov / Alamy Stock Photo

"Das Wasser im Nordatlantik wird teilweise kühler, nicht wärmer" 

In Teilen des Nordatlantik scheint sich das Wasser im Durchschnitt abzukühlen und nicht zu erwärmen – aber das gilt nur für einen winzigen Bereich. Wahrscheinlich hat das mit dem schwächer werden des Golfstroms zu tun, welcher wiederum Teil der sogenannten Nordatlantischen Umwälzbewegung ist. Er bringt warmes Wasser aus der Karibik in den Nordatlantik.

Wenn diese Strömung abbricht, und das ist aufgrund des Klimawandels und der Polschmelze durchaus möglich, könnte das einen Gegenteiligen Effekt auf die Erderwärmung haben, die wir momentan durch Treibhausgase erleben. Bis zu einem gewissen Grad können wir in Modellen voraussagen, was dann passieren würde, aber wirklich wissen tun wir es nicht. 

Anstatt uns nur auf einen wärmer werdenden Planeten einzustellen, könnten gewisse Prozesse dieser Erwärmung anfangs entgegenwirken. In der Folge könnten die Temperaturen des Meerwassers in dieser Region stabiler bleiben, als wir es momentan erwarten. Natürlich würde ein totaler Abriss der Nordatlantischen Umwälzbewegung viele andere Probleme verursachen und der Kühlungseffekt dürfte örtlich begrenzt sein. Wir verstehen momentan noch nicht gut genug, in welche Richtungen sich das entwickeln könnte. Aber die Temperaturanomalie im Oberflächenwasser des Nordatlantik gibt mir einen winzigen Hoffnungsschimmer. 

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Dr. Fleur Visser, Dozentin für Physische Geographie an der University of Worcester

"Indigene Gemeinschaften setzen sich stark für den Walderhalt ein"

Eine Sache, die mir Hoffnung macht, ist, dass indigene Gemeinschaften sich heute stark für die Erhaltung von Waldgebieten einsetzen. 

Zahlreiche aktuelle Studien zeigen, dass indigener Naturschutz viel besser funktioniert als der klassische Ansatz – und dass die Biodiversität in Gebieten höher ist, die von den dort lebenden Menschen verwaltet werden. Diese Regionen absorbieren auch tendenziell mehr Kohlenstoff.

Es ist zwar nicht perfekt, aber im Norden der USA und in Kanada haben die Regierungen den indigenen Gemeinden die Kontrolle über das Land zurückgegeben. So können sie es nach indigenen Regeln verwalten, anstatt der US-amerikanischen und kanadischen Umweltschutzgesetzen. Ähnliche Projekte gibt es auch im peruanischen und brasilianischen Amazonasgebiet.

Das geschieht allerdings viel weniger in Afrika, weshalb ich den Schwerpunkt meiner Arbeit dorthin verlegt habe. Es gibt zwar zahlreiche Projekte, an denen man sich beteiligen kann, aber nicht viele davon werden von einheimischen oder indigenen Gruppen geleitet. Im Rahmen meiner Doktorarbeit untersuche ich die Rolle von Technologie beim Waldschutz mithilfe von Akustik und indigenem Wissen. 

– Joycelyn Longdon, Gründerin von Climate in Colour und Doktorandin am Artificial Intelligence for Environmental Risk (AI4ER) Programm der University of Cambridge

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