Im Pizzeria Anarchia-Game trifft ‘300’ auf ‘Lemmings’

Nachdem nun die Gesamtkosten des Pizzeria Anarchia-Räumungsfiaskos bekannt wurden, ist die Punk-Pizza wieder in aller Munde (no pun intended). Wir waren damals live dabei und konnten uns zwischen Mülltonnenbarrikaden und Panzerfahrzeugen ein ziemlich genaues Bild der Ereignisse machen. Schon damals haben einige Kommentare auf die Sparta-ähnlichen Zustände der Räumungsaktion hingewiesen, und jetzt gibt es die nächstbeste, nachspielbare Österreich-Version von 300, nämlich in Form eines witzigen Tower Attack-Games mit dem Namen 1700.

Weil ein Spiel, bei dem man anstatt des autonomen Power-Punk-Kollektivs repräsentativ für die unterzähligen Spartaner in die Rolle der massiv überzähligen Polizeikräfte schlüpft, erstmal ein paar Fragen aufwirft, haben wir die Gelegenheit genutzt und mit Michael Hackel, dem Kopf hinter 1700, gesprochen. Michael bezeichnet sich selbst sehr vage: „zwischen Kunst, Kultur und Forschung, ist Geschichtenerzähler und macht gerne diverse Dinge”. Die Idee zu 1700 kam ihm im Zuge der Berichterstattung, die ihm wie ein Videospiel vorgekommen ist. Die zielstrebigen und doch planlosen Polizisten erinnerten ihn an Lemmings, einen Klassiker aus seiner Jugend. Im Rahmen vom FailFastForward Festival Schmiede Hallein (das er übrigens mitorganisiert) hat er ein Team zusammengestellt, um dieser Absurdität mehr Plastizität zu geben.

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Der Kontroverse um die gespielte Fraktion in Form der Polizei steht Michael gelassen gegenüber. Es geht ihm vielmehr darum, die Situation, so wie er sie wahrgenommen hat, darzustellen, dabei die Absurditäten in ihren vielen Facetten darzustellen, mit dem speziellen Element des Polizeieinsatzes, der auch den Akademikerball in den Schatten stellte. Und natürlich ganz wichtig, dass die Polizei mehr oder weniger gegen ihre eigenen Absperrgitter kämpfen musste. Die Meinungsbildung will er den Leuten schon selbst überlassen, hält sich deshalb über den Inhalt bedeckt und meint, dass das Gameplay selbst dann ohnehin alles aufklärt.

Dieser Rollentausch sorgt laut Michael außerdem für eine spannendere Auseinandersetzung mit der Materie. Eine Auseinandersetzung, die er herausfordern möchte, anstatt sie im Vorhinein zu beantworten. Für Michael ist das Medium Videospiel in dem Fall nur ein Mittel, um eine Geschichte zu erzählen, obwohl sich Einflüsse aus Donkey Kong (ja, dem uralten Arcade-Spiel) und Super Mario klar erkennen lassen. Außerdem findet er es großartig, dass sich in Österreich aktuell eine sehr freie und innovative Spieleentwickler-Szene aufbaut.

Ab Mittwoch, den 5. November, (remember remember … ) kann man die Beta-Version von 1700 testen oder zur Releaseparty ins Celeste gehen. Auch im Datum versteckt sich wie im eigentlichen Spiel eine gewisse Doppeldeutigkeit. Immerhin feiern die einen, dass eine Auflehnung gegen ein System gescheitert ist, die anderen feiern aber genau diese Auflehnung selbst. Und eine Hausbesetzung selbst ist ein ganz klassisches Mittel der Auflehnung. Besonders im Bereich von Gentrifizierung, Immobilieninvestment [ … ], und genau das ist ja auch das Thema, so Hackel.

Dank dem eingebürgerten Retro-Look erstrahlt die Mühlfeldgasse 12 in neuem Glanz und die Häuserfront ist wie in echt mit einem (fast) authentischen Puber-Tag versehen. Was genau herauskommt, wenn eine der unverhältnismäßigsten Polizeiaktionen Österreichs auf ein Spiel inspiriert von Donkey Kong, Lemmings und Super Mario trifft, müsst ihr dann schon selbst sehen. Weitere geplante Features beinhalten die Innenlevels der Pizzeria Anarchia und Walzerspezialfähigkeiten, die pünktlich zum 30. Jänner 2015 (dem Datum des Akademikerballs) online gehen sollen. Bis dahin versucht man fleißig, „noch ein bisschen Geld über Crowdsourcing zu schnorren, damit die armen Leute nicht noch länger gratis arbeiten müssen”. Auf der offiziellen Seite zum Spiel könnt ihr euch auf dem Laufenden halten und das Game zocken.

Steigt mit Adrian auf die Barrikaden: @doktorSanchez