‘Diablo III’ ist das dümmste Spiel der Welt und ich will nie wieder ein anderes

Reisen wir zurück in der Zeit ans Ende der 90er, als die Welt noch düster war und sich die Generation X auf den Weltuntergang gefreut hat. Damals konnten Mädchen mir nicht einmal ins Gesicht sehen, selbst wenn sie wollten, da die flächendeckende Akne die Sicht versperrte. Aber das war egal, da ich gerade einen Nintendo 64 bekommen hatte und ich mich in Mushroom-Welten fliehen konnte. Ein Kumpel, bei dem ich immer Silent Hill und anderen kranken Scheiß spielen durfte, hatte aber eine ganz neue Sucht fernab vom flauschigen Mario Kart und Co.

Alle Screenshots vom Autor ‘Diablo III’ (c) Blizzard

In den Katakomben seines Neuererwerbs namens Diablo konnte er nun endlich seine grausigen Kellerfantasien ausleben, unbeschränkt Ausgeburten der Hölle zerschlachten und es schien plötzlich auch Rollenspiele wieder salonfähig zu machen. Endlich eine brutale und sinnlos repetitive Beschäftigung, wie sie mein wachsender junger Geist verlangte, und sich natürlich perfekt mit Dosenbier sowie Smart Zigaretten aus dem Softpack kombinieren ließ. Hier begann für uns alle die lange Reise in eine Unterwelt voller Gier, Sucht und Idiotie.

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Wir haben den Port für die Xbox One und PS4 vom besten beziehungsweise dümmsten Spiel des Universums Diablo III durchgespielt sowie dessen neue Erweiterung Reaper of Souls. Lasst euch durch ein Museum voller ausgetrockneter Augen und durchflimmerten Nächten führen. Die Diablo-Reihe ist nämlich mindestens so genial wie sie dumm ist.

Die Entwicklerfirma Blizzard ist sicherlich vielen nicht nur aufgrund von World of Warcraft ein Begriff, sondern seit Jahrzehnten ein Garant für süchtig machende und richtungsweisende Spiele verschiedenster Genres. Ein Kollege erzählte mir bei einer hysterisch hypenden Unterhaltung über Blizzard, dass er nach seiner Matura aufgrund von WoW Monate vor dem Computer verbracht hatte und das MMORPG letztlich Schuld gewesen war, dass ihn seine damalige Freundin verlassen hat. Und der vor fast zehn Jahren beim Starcraft-Spielen vor Erschöpfung verstorbene Südkoreaner ist leider auch keine Urban Legend.

Ich bin ebenso ins schwarze Loch der Starcraft-Multiplayer gestürzt, habe alle Warcraft-Teile geliebt wie kein anderer und sogar im dritten die Zusatz-Maps samt Mods gespielt wie zum Beispiel Gate Keepers 2 oder Defense of the Ancients. Letzerer Mod mutierte ja später zum Online-Multiplayer-Hit DotA und stellt-gerade mit dem von Valve übernommenen Free-to-Play-Sequel DOTA 2 aus 2013-eines der beliebtesten und kompliziertesten Action-RTS dar.Turniere dieses Blizzard-Nebenprodukts füllen sogar Hallen mit Events, die unser Schispringen im Vergleich alt aussehen lassen.

Berühmt sind die Blizzard Wizzards auch für ihre hochqualitativ animierten Cutscenes, die als Highlight den Spielverlauf tausendfach versüßen. Es ist tatsächlich so, dass ich mich durch sauschwere oder öde Warcraft-Levels gequält habe, nur um das nächste geile, immer zu kurze Video zu sehen.

Die Geschichten, die in diesen Cutscenes beziehungsweise im gesamten Spielverlauf erzählt werden, sind monumental und meistens weltenbedrohend. Unglaubliche Detail-Verliebtheit bei Erzählung, dem Inventar sowie der Grafik trifft auf schlau ausbalancierte Spielkonzepte und so schaffen sie es einfach immer wieder über die tatsächliche Banalität des Gameplays-besonders bei Diablo-hinwegzutäuschen.

Diablo hat dieses Mal Busen. Nicht wirklich die Gender-Revolution, die sich manche wünschen würden.

Als Diablo III 2013 für die Leute, die das ewige „linker Mausklick” Leid geworden sind,für die letzten Generationen an Konsolen rauskam, reagierten die Meisten überraschend positiv auf diesen blasphemischen Akt. Die Steuerung des untergründigen Hack’n’Slay hat sich traumhaft auf die Gamepads übertragen, auch wenn man die Tastenbelegung der Spezialfähigkeiten-unbedingt Elective Mode einstellen-oft extra im Menü umbesetzen muss. Der Port hat Blizzard einen weiteren Schritt von ihrer etablierten PC-Herrschaft in Richtung des pralleren Spielkonsolen-Euters beschert.

Ab einer gewissen Gegneranzahl ist das Gameplay in Diablo III ein unübersichtliches, wirres Aufblitzen von Feuerbällen, Auren, Kill-Streak-Zahlen, Hit-Points und ineinander verschmelzender Dämonen. Das Adrenalin fließt trotzdem in Strömen.

Letztes Monat ist Diablo III für die derzeitige Supergeneration der Xbox One und PS4 rausgekommen im Ultimate Evil-Set mit der inhaltlich etwas mageren Reapers of Souls-Erweiterung und genau seitdem sitze ich durchgehend vor der Konsole-kann bitte jemand meine Bettpfanne entleeren.

Jeder, dem ich auch nur kurz von der neuen Auskopplung erzählt habe, bekam leuchtende Augen und einer rannte sogar direkt in den nächsten Libro um sich seinen Gaming-Fix zu kaufen. Warum ist der Suchtfaktor so verdammt hoch bei den Blizzard-Spielen und warum finden meine Leidensgenossen so großen Gefallen an Diablos sinnbefreiten Hackschlachten?

Das Glücksgefühl, das man verspürt, wenn etwas vollbracht oder vollendet ist und man es somit hinter sich lassen kann, ist wichtig beim Gaming-wie wenn du bei Tetris eine Viererreihe schaffst, mit Mario alle Coins des Levels eingesammelt hast oder 100% perfektes Fingering bei Guitar Hero meisterst.

Diese Motivation ist bei Diablo natürlich auch ausreichend gegeben, gerade durch das Gier stillende „Looting”. Gemeint ist die Beute in Form von Gold, Edelsteinen und Ausrüstungsgegenständen, die den unzähligen Gegner aus den leblosen Körper regnen. Jedoch ist bei Diablo der Twist, dass du nie Befriedigung finden wirst. Es gibt nämlich immer noch ein besseres Item und ein cooleres Schwert mit mächtigeren Stats-Eigenschaften. Du wirst zur Laborratte im Laufrad in einem Labyrinth ohne Ausgang mit unendlich vielen Orgasmus-Knöpfen.

Mit der Zeit und ständigem Umkleiden durchläuft deine Figur ein Larvenstadium, das, wenn du Glück hast, mit dem Look eines Leadsängers einer 80ies-Powermetal-Band mit gehörnter Rüstung endet. Und je größer und blutiger die Streitaxt, desto stärker wird die Zuversicht, dass das ewige Töten doch einen Sinn hat-auch wenn es den nicht hat. Wir spielen „Anziehen” mit Puppen, und glauben dabei, dass es Waffen, Beinschienen und Ringe weniger girly und voll Heavy Metal machen.

Bleiben wir bei Metal, weil dieser Begriff beschreibt auch gut die Umwelt von

Diablo III,

die vielleicht auf den ersten Blick nur Headbangern und Fans von Hieronymus Boschs Höllendesigns gefallen würde. Dämonische Bauten-und natürlich später auch die Paläste der Erzengel im Himmel-weisen beeindruckende schnörkelige Architektur auf und lenken ganz davon ab, dass sabbernde, deformierte Monstermeuten eigentlich keine Bibliotheken brauchen.

Ein großes Plus des Spiels stellt das obligate Massenmorden dar. Das klingt jetzt vielleicht moralisch verfänglich oder leicht soziopathisch, aber wie wir schon gehört haben kann Videospielen ähnlich wie Antideprissiva wirken, und das liegt durchaus auch an der katarsischen Monotonie mit hohem Bodycount. Die Tatsache, dass man sich durch Armeen von Feinden quasi sprengen kann, beschert zumindest mir eine Ausgeglichenheit, die im Gegensatz zum Alltag steht, in dem die Erfolgerlebnisse nicht so dicht gedrängt sind und weniger toll aussehen wie in den verwinkelten Dungeons.

Ich hatte mal eine leichte Vergiftungserscheinung und wollte trotz schmerzender Nieren nicht ins Krankenhaus. Stattdessen habe ich Blood Omen II gestartet und mit jedem von meinem Vampirprotagonisten ausgesaugten Opfer ging es mir ein kleines Stück besser.

So hat auch in Diablo III etwas Befreiendes, wenn du als übermächtiger Magiemörser mit Roundhouse-Zerfickungskräften dermaßen auf den Tisch haust, dass in Folge Gegner verglühen, die restlichen zerplatzen und das Mobiliar um dich herum explodiert. Andere gehen dafür auf den Schießstand und wieder andere schlagen Autos schrottreif. Hauptsache ist, die niederen Hirnregionen werden angesprochen.

Wer magische Edelsteine mag, wird Diablo lieben und meistens sind es auch solche Mineralien, die den MacGuffin der Handlung darstellen. Die einen kann man in seine Rüstung einbauen und einige wenige sind dann auch einmal ein Seelenstein, der von einem Evil Zauberer ejakuliert wurde.

Boss Fights sind auch ein wichtiger Part des Gameplays und markieren wie in den meisten Spielen ein neues Kapitel der Narration. Man muss sich die fetten Beelzebub-Bullen vorstellen wie eine Initiale, der fette verschnörkelte Buchstabe am Anfang von Textabschnitten-nur dass sie dich hier umbringen wollen und irgendwie krankhaft auf Ketten und Metallverarbeitung zu stehen scheinen.

So drischt man dann über zehn Minuten auf diese Untiere ein-für deren Design dem Programmierer mindestens drei Canninbal Corpse-Alben geschenkt gehören-und ertappt sich dabei, dass man seit längerer Zeit anstatt auf den spannend blitzenden Kampf und dessen aufwändige Animationen zu schauen lediglich auf die Health-Anzeige des Gegners fixiert ist-so wie bei unserem Kollegen Lord Belial hier, dem Herrn aller Lügen. So wird mir auch schnell klar, dass ich schon viel zu lange vor dem Spiel sitze und ein Teil meines noch zombiefizierten Geistes schreit: „Wenn der hin ist, gehst du gefälligst ins Bett, du asozialer Stinker!”

Diablo, der König der Boss Fights, ist eigentlich wie Tintifax beim Kasperltheater. Egal wie oft du ihn besiegst, du kannst sicher sein, dass er in der nächsten Folge wieder kommen wird. Auch wenn er plötzlich schwarz wird oder-wie erwähnt-eine Lady ist. Dass dieser Teufelskreis von den Protagonisten der Diablo-Narration nie wirklich ausgewiesen wird, ist ein Zeugnis von einer konzeptionellen Dummheit, ohne die aber wahrscheinlich keine Games-Reihe funktionieren würde-siehe Shao Khan, Carmen Sandiego, Pyramidenschädel, Dr. Robotnik, Kerrigan, LeChuck und so weiter …

Die Erweiterung Reaper of Souls bietetzusätzliche Spieloptionen und einen weiteren Akt des epischen Dramas. Am Ende habe ich, wenn ich mich nicht täusche, den Sensenmann umgebracht und mir ist tatsächlich sein Name entfallen, obwohl er DER Reaper of Souls gewesen sein muss.

Man merkt an dieser Stelle vielleicht, dass es mir nicht gelungen ist eine detailierte Erinnerung der Spielhandlung zu erhalten. Warum? Weil sie dumm ist und unnötig kompliziert, nur um die Gravitas künstlich zu erhöhen. Und obwohl mein Intellekt auf Stand-By-Modus läuft, wenn ich Diablo spiele, obwohl ich nie genug Beute machen werden und obwohl ich in der Unmenge an Zeit auch ein Buch lesen könnte, muss ich zugeben, dass es manchmal sehr großen Spaß macht dumm zu sein.

So komme ich zu dem Schluss, dass das einzige, was noch dümmer als Diablo III ist, wohl ich selber bin-wenn ich Diablo III spiele. Aber nur wer bei dem befreienden, allgemeinen Idiotentanz mitmacht, hat Chance darauf auch bald ein stolzer König mit Keule und Kokosnusshalskette zu werden. Lang lebe Caldeum!

So und jetzt schaue ich mir mal Destiny genauer an. Auf zur nächsten Zeitverschwendung! Scherz, aber ihr versteht doch sicher Spaß.

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