Gareth Bale und der Real-Madrid-Fluch

Gareth Bale kommt schon seit einiger Zeit in den regelmäßigen „„Genuss” von Pfeifkonzerten im heimischen Bernabéu. Was sich einem nicht direkt erschließt, wenn man einen Blick auf seine Statistikwerte wirft. Andererseits sind ihm in dieser Saison auch schon einige untypische Fehlschüsse unterlaufen. Im Spiel gegen Real Sociedad Ende Januar—das die Königlichen mit 4:1 für sich entscheiden konnten—hat Bale gleich mehrere Großchancen ausgelassen. Vor allem eine Szene in dem Spiel sorgte für reichlich Hohn und Spott beim eigenen Anhang, als der Waliser dem einschussbereiten James Rodriguez den Ball wegnahm, aber dann nicht das leere Tor traf. Aussetzer dieser Art können aber auch Weltklassespielern von Zeit zu Zeit passieren und sind deswegen eigentlich keine große Sache. Doch Bale hat ein spezielles Problem. Er spielt jetzt schon seit anderthalb Jahren in Madrid und hat es bisher nicht geschafft, die Erwartungen, die in ihn gesteckt wurden, zu erfüllen. Was aber wohl weniger an ihm und seiner Leistung als an der Erwartungshaltung in der spanischen Hauptstadt liegt. Denn noch vor seinem ersten Spiel im Trikot der Königlichen wurde Bale von allen Seiten als zweiter Ronaldo gefeiert. Kein Wunder also, dass ihm jeder noch so kleine Fehler von den Madridistas übel genommen wird, für die nur Perfektion zählt.

Und genau dort liegt das Problem: Wenn die Erwartungen der eigenen Fans ein wenig geringer—bzw. realistischer—ausfallen würden, hätten sie auch keinen Grund mehr, ständig enttäuscht zu sein. Los Blancos sind aktuell neben Bayern München das wohl beste Team der Welt. Auch wenn sie vor Kurzem im Stadtderby eine schmerzhafte Niederlage einstecken mussten, fegen sie regelmäßig über ihre Gegner hinweg und sind deswegen weiterhin auf Meisterschaftskurs. Und spätestens nach dem langersehnten Gewinn der „„La Decima” im letzten Mai gehört Real Madrid auch dieses Jahr wieder zum engen Favoritenkreis in der Champions League.

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Man könnte also denken, der Himmel über dem Santiago Bernabéu könnte blauer nicht sein. Wären da eben nicht die chronisch unzufriedenen Fans von Real Madrid. Denn wenn es nach denen geht—und das geht es nun mal—, müssen Bale und Co. jedes Wochenende Aktionen dieser Art am Fließband produzieren:

Auch die Fans vom FC Barcelona sind äußerst erfolgsverwöhnt—und deswegen auch nur schwer zufriedenzustellen. Das Gleiche gilt für die Anhängerschaft der Bayern. Schuld daran sind die vielen glanzvollen Triumphe aus der nahen und fernen Vergangenheit—die zahllosen Meisterschaften, Pokalsiege und Erfolge auf internationaler Bühne—die von den klubeigenen Marketingmaschinerien wieder und wieder betont und in Szene gesetzt werden und vielen Fans wohl etwas zu Kopf gestiegen sind. Das führt wiederum dazu, dass die Atmosphäre rund um den Verein oft angespannt ist und das Schreckgespenst namens Krise viel häufiger als anderswo gesichtet wird. Grund dafür ist ihre Definition von Erfolg, die einen an—nicht gerade für ihre Demut bekannte—Werbesports von Mercedes Benz erinnert: das Beste oder nichts. Darum werden dort Siege auch weniger gefeiert als kritisch analysiert, während man bei Spielern krampfhaft nach Schwächen und Fehlern sucht—und dabei tolle Aktionen und Traumtore umgehend aus dem Kurzzeitgedächtnis wirft. Bestes Beispiel dafür ist der 3:0-Erfolg von Real Madrid gegen Espanyol Barcelona, wo Bale trotz eines Zauberfreistoßtores in der ersten Halbzeit nach einer vergebenen Chance im zweiten Spielabschnitt vom eigenen Anhang gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Natürlich gibt es auch solche Fans, die ein Spiel ihrer Mannschaft einfach mal genießen können und nicht immer nur Kantersiege und Titelgewinne en masse von ihrer Mannschaft einfordern. Leider scheinen aber genau diese Fans bei den Entscheidungsträgern in den Vereinen keinen großen Stellenwert zu haben. Denn die schmeißen mit wahnsinnigen Geldsummen um sich und verschleißen ihre Trainer im Akkordtempo, immerzu auf der Jagd nach neuen Talenten (gerne von konkurrierenden Mannschaften), noch besseren Spielern (siehe oben) und noch mehr Titeln. Da bleibt natürlich kaum Zeit, eine erfolgreiche Saison mal richtig genießen zu können. Wurde im Vorjahr das Triple gewonnen, wäre der Gewinn von „„nur” Meisterschaft und Pokal im Folgejahr schon ein Rückschritt.

Für einen solchen Verein zu spielen, kann eigentlich nicht besonders viel Spaß machen. Topspieler zieht es zu Topvereinen, weil sie um Titel mitspielen wollen und sich dafür gut bezahlen lassen. Doch vielen ergeht es dann wie Gareth Bale, indem sie vor allem auf eines stoßen: Undankbarkeit. Die geht in vielen Fällen so weit, dass man als Spieler einfach nicht mehr weiß, was die Fans eigentlich noch von einem sehen wollen. Und dann wäre da noch das Management, für die du als Spieler nur Mittel zum Zweck bist. Bale betont zwar, dass er in Madrid glücklich sei. Doch es fällt einem schwer, ihm das hundertprozentig abzukaufen. Natürlich ist es toll, neben einem Ronaldo auf Torejagd gehen zu können und Teil einer Mannschaft zu sein, die man getrost als absolute Weltklasse beschreiben kann. Auch ist es bestimmt eine Genugtuung, reihenweise Titel zu gewinnen. Aber jedes Spiel sein Bestes zu geben, Tor um Tor zu schießen und dann trotzdem der Buhmann der Medien zu sein, wenn es aus Sicht der „„Fachpresse” ein, zwei Spiele mal nicht so gut läuft, kann doch eigentlich keinen Spaß machen.