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„Kein Staat kann seinen Geheimdiensten vertrauen“—William Binney im Interview

William Binney ist neben Edward Snowden einer der schärfsten Kritiker der NSA. Er weiß, wovon er spricht, denn der für seine weltweite Massenüberwachung berüchtigte US-Geheimdienst war mehr als 30 Jahre lang Binneys Arbeitgeber.

Zuletzt war Binney Technical Director bei der NSA und erlebte zuvor aus nächster Nähe die Digitalisierung, den Siegeszug des Internets und dessen Auswirkungen auf die Geheimdienstarbeit. Bevor er am 31. Oktober 2001—also gut anderthalb Monate nach 9/11—seinen Job kündigte, war er maßgeblich an der Entwicklung des ThinThread-Programms beteiligt. Das NSA-intern programmierte System sollte eine grundrechtskonforme, konzentrierte Kommunikationsüberwachung ermöglichen. Im Jahr 2000 war ThinThread voll funktionsfähig und einsatzbereit. Verwendet wurde es allerdings nie, stattdessen kam kurz vor den Anschlägen auf das World Trade Center in New York die kostspieligere Alternative Trailblazer zum Einsatz. Die Entwicklung von Trailblazer wurde außerhalb des Geheimdienstes ausgelagert und fortan Metadaten anlasslos, ohne Rücksicht auf Gesetze und das Recht auf Privatsphäre der Bürger gesammelt, gespeichert und analysiert.

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„Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brauchten wir einen neuen Gegner—und dieser wurde die digitale Welt.”

A Good American

Wir haben William Binney in Wien getroffen und mit ihm über seine Zeit bei der NSA und seine Erfahrungen als Whistleblower gesprochen.

MOTHERBOARD: Ihre Vorwürfe gegen die NSA wiegen schwer: Sie sei ineffizient, korrupt und gefährlich. Wenn das so wäre, wieso pumpt die US-Regierung trotzdem jährlich viele Milliarden US-Dollar in die NSA?

William Binney: Weil sie ein Teil der Illegalität ist. Die Justiz, die Führungskräfte im FBI, in der NSA, dem CIA, dem Geheimdienst-Komitee und sogar der FISA-Court, der die Aktivitäten der Geheimdienste überwachen soll, stecken mit drin. Und natürlich sind die Leute, die involviert sind, alle gierig. Sie wollen mehr Massenüberwachung und das großangelegte Sammeln von Metadaten, weil viel Geld dahintersteckt und all das höhere Budgets und mehr Macht für Geheimdienste bedeutet. Es ist eine Art inzestiöses Verhältnis zwischen den Diensten, externen Firmen und der Politik.

Wie hat sich das nach dem 11. September 2001 geändert?

Es ist viel schlimmer geworden. Nach dem 11. September stellte der US-Kongress der NSA quasi einen Blankoscheck aus und gab ihnen Geld, dessen Verwendung nicht geprüft wurde. Das musst du dir auf der Zunge zergehen lassen: Die eigene Buchhaltung hat keine Ahnung, wohin gewisse Gelder fließen und wofür sie verwendet werden. Konkret waren sich die letzten beiden CFOs (Chief Financial Officers), die ich persönlich bei der NSA kennengelernt habe, darüber einig, dass es unmöglich ist, innerhalb der NSA Rechnungsprüfungen durchzuführen, weil sie mit dem Geld sowieso machen, was sie wollen.

Nach den Terroranschlägen in Paris ist klar, dass die Geheimdienste versagt haben. Jetzt fordern sie noch mehr Budget und Daten. Und es sieht ganz danach aus, als kämen sie damit durch.

Immer und immer wieder genau das Gleiche zu versuchen und dabei ein anderes Ergebnis zu erwarten, ist der reinste Wahnsinn.

Also würden Sie sagen, dass Geheimdienstler wahnsinnig sind?

Ja, sie sind wahnsinnig, dumm und machen ihre Arbeit aus der falschen Motivation heraus—des Geldes wegen. Der springende Punkt ist: Massenüberwachung lässt Geheimdienste in Daten ertrinken. Schon in den 1990er Jahren haben sich Analysten darüber beschwert, mit unglaublich vielen Informationen hantieren zu müssen. Dass Daten gesammelt werden, ist aus Sicht der Geheimdienste toll—aber die Daten sind erst dann nützlich, nachdem bekannt wurde, wer einen Anschlag verübt hat. Auf dem Weg zu diesen Informationen müssen Menschen durch Anschläge sterben. Die Linie, die aktuell von der NSA und anderen Geheimdiensten verfolgt wird, ist auf diesen Ablauf ausgerichtet.

„Wir ertappten das FBI dabei, wie sie Beweismittel fälschten. Das war ihre letzte Chance, um uns dranzukriegen, aber sie haben es versaut.”

Aber erst die Snowden-Enthüllungen haben all Ihre Anschuldigungen gegen die NSA legitimiert.

Ja, weil sie alle Programme, vor denen ich schon Jahre zuvor gesprochen habe, bestätigt haben. Sie zeigten auch unabstreitbare Beweise für das, was gerade passiert. Ich hatte nach den Enthüllungen sofort das Bedürfnis, alles zu erklären, damit die Menschen es verstehen können.

Ich begann damit, an US-amerikanischen Unis meine Geschichte zu erzählen. Kurz darauf wurde eine Order erlassen, wonach kein früherer Geheimdienst-Mitarbeiter öffentlich über Edward Snowdens Veröffentlichungen sprechen dürfe. Ich antwortete darauf im internationalen Presseclub in Washington D.C. vor der versammelten Presse und stellte klar, dass ich mir mein verfassungsmäßiges Recht, mit jedem über alles reden zu dürfen, nicht nehmen lasse. Seitdem habe ich von diesem Plan nichts mehr gehört, da er meine Grundrechte eingeschränkt hätte.

Wobei die FBI-Hausdurchsuchungen, die bei Ihnen zu Hause und bei ihren Ex-Kollegen stattfanden, schon gezeigt haben, dass Sie durchaus eine Menge Ärger bekommen können.

Das stimmt. Das war dann auch der Punkt, an dem ich richtig wütend wurde. Sie versuchten uns Whistleblower mehrere Male anzuschwärzen, indem sie Beweise fälschten. Um das nochmal klarzustellen: Wir ertappten das FBI dabei, wie sie Beweismittel fälschten. Das war ihre letzte Chance, uns dranzukriegen, aber sie haben es versaut. Danach wusste ich, dass das Krieg bedeutet. Jetzt bin ich derjenige, der hinter ihnen her ist und so offen wie möglich über all das spricht, was bei Geheimdiensten falsch läuft. Und wie du siehst, können sie uns nicht vor Gericht bringen. Ich spreche offen über die Snowden-Dokumente, damit mehr Menschen begreifen, was unsere kriminelle Regierung treibt.

Haben Sie Angst, dass es nicht bei Hausdurchsuchungen bleibt und noch mehr passiert?

Szene aus dem Film „A Good American

Szene aus dem Film „A Good American”. Bild: ©Friedrich Moser/blue+green communication | Mit freundlicher Genehmigung.

Wie könnte man die Entwicklung des Machtmissbrauchs durch Geheimdienste stoppen?

Ich versuche, ihn zu stoppen, indem ich so offen wie möglich über alles spreche. Ich sage jedem ins Gesicht, was gespielt wird. Anfangs wollten sie mich als vergrämten Ex-Mitarbeiter hinstellen, der einfach sauer ist, weil sein System nicht implementiert wurde. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich bei der NSA aufgehört habe. Mir geht es darum, dass mit dem klugen Einsatz von Technologie Leben gerettet werden könnten.

Sie fingen in den 1960er Jahren als Analyst und Code-Knacker bei der NSA an und bekamen aus nächster Nähe die Anfänge des digitalen Zeitalters mit. War die NSA Ihrer Meinung nach für den Siegeszug des Internets gerüstet?

Nein, wir waren nicht dafür gerüstet. Die Sache ist simpel: Wir fielen schneller zurück, als wir vorwärts kamen. Wir machten mehr Schritte zurück als nach vorne. Um diese Versäumnisse aufzuholen, starteten wir 1996 mit der Entwicklung von ThinThread.

Das ThinThread-Programm, an deren Entwicklung Sie maßgeblich beteiligt waren, war im Jahr 2000 einsatzbereit. Warum wurde es nie eingesetzt?

Es hat nicht genug Geld gekostet. Unser primäres Ziel war es, möglichst effizient Terroristen ausfindig zu machen. Ich ging im Januar 2001 zu meinen Kollegen und sagte, dass sie mir eine Liste mit allen potentiell relevanten Orten geben sollen, damit wir sie in Bezug auf Terrorismus analysieren können. Also habe ich eine Liste mit 18 Zielen bekommen—rund um die Welt verstreut. Das würde eine überschaubare Menge an Daten ergeben. Ich schlug vor, dass wir uns diese Ziele mit unserem komplett automatisiert laufenden System ansehen. Wir waren zuversichtlich, dass wir das schnell durchziehen könnten. Und ein positiver Nebeneffekt wäre natürlich auch gewesen, dass die Daten eines jeden anderen einfach an der NSA vorbeifließen und niemand sie sieht und angreift. Aber die Durchführung hätte nur 9,5 Millionen US-Dollar gekostet. Das war nicht genug.

„Wenn sie mich vor Gericht bringen wollen: Gut, los geht’s.”

Die NSA hatte Angst, dass ein Programm zur fokussierten Überwachung zu kosteneffizient sein könnte?

Das Problem war, dass es eine ganze Reihe an Firmen gab, die im Zuge von Trailblazer das große Geld für kommende Aufträge gewittert hatten. Diese Firmen begannen, gegen uns Techniker innerhalb der NSA zu lobbyieren, weil wir mit unserer Technologie die Notwendigkeit des Outsourcens in Frage stellen konnten. Denn wenn du ein Problem intern löst, brauchst du kein Geld mehr, um die Lösung extern zu finden. Letztlich hat sich ihre Lobby-Arbeit ausgezahlt und sie sind uns losgeworden.

Nachdem ich 2001 bei der NSA aufgehört hatte, wurden Daten massiv abgegriffen, es gab keine Filter mehr. Ich möchte außerdem erwähnen, dass diese großangelegte Sammlung von Daten zuerst auf US-Bürger angewendet wurde. Danach wurde es auf alle Menschen weltweit ausgeweitet.

Wann hat das Outsourcing bei der NSA angefangen?

Der Trend des Outsourcings begann in der NSA in den späten 1960er, frühen 1970er Jahren. Damals trennte sich der operative Teil der NSA vom technischen Teil. Es entstanden zwei Gruppen innerhalb der NSA: Die operative Gruppe, die nach wie vor mit konkreten Einsätzen beschäftigt war. Und die Tech-Leute, die neue Technologien entwickelten und für die Geld schnell ein Problem wurde. Reagan pumpte viele Mittel in die NSA. In seiner Nachfolge flaute es ein wenig ab. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brauchten wir einen neuen Gegner und dieser wurde die digitale Welt.

Als dann 2006 der neue NSA-Direktor Michael Hayden kam, ging es so richtig los; er wollte im Endeffekt alles outsourcen. In einem Programm names „Groundbreaker” wurde die komplette Infrastruktur der NSA ausgelagert. All die Hardware, die Software und das ganze Kommunikationsnetzwerk wurde von externen Firmen zugeliefert.

Wer waren diese Firmen?

Rund 15 Firmen, die großen Partner der NSA. Private Firmen, die ehemalige NSA-Mitarbeiter abwerben oder von diesen gegründet werden. Das sind die erwähnten inzestuösen Verhältnisse: NSA-Leute werden abgeworben, um an Kontakte und in weiterer Folge an neue Aufträge zu kommen. Es würde mich nicht stören, wenn diese Aufträge tatsächlich irgendwelche Ergebnisse liefern und Leben retten würden. Aber die NSA hat immer wieder versagt. Wenn du jemanden bei jedem Versagen mehr Geld gibst, belohnst du das Versagen selbst. Stattdessen müssten wir eigentlich jedes mal ihre Budgets kürzen. Und dann sollten sie konzentrierter arbeiten, denn das machen sie derzeit definitiv nicht.

Szene aus dem Film „A Good American”. Bild: ©Friedrich Moser/blue+green communication | Mit freundlicher Genehmigung.

Wenn Sie auf Ihre Zeit bei der NSA zurückblicken: Denken Sie, dass es etwas naiv von Ihnen war, zu glauben, dass ThinThread im besten Sinne eingesetzt wird?

Naja, wir hatten die Unterstützung unserer Vorgesetzten. Die einzigen beiden über ihnen waren der Director und der Deputy Director der NSA. Wir waren also ziemlich überzeugt. Wir dachten: Selbst wenn sie das Konzept ablehnen, verwenden sie es trotzdem, weil wir nichts Vergleichbares und Funktionsfähiges hatten. Und wenn, dann hätten wir es begrüßt, wenn jemand mit etwas Besserem angekommen wäre.

„Menschen sterben, weil Geheimdienste nicht professionell arbeiten und nicht aufgrund von Verschlüsselung—das ist Blödsinn.”

Angenommen, Sie wären als junger NSA-Mitarbeiter mit den gleichen Analyse-Tools und Informationen konfrontiert worden wie Snowden und hätten täglich damit arbeiten müssen: Hätten Sie ähnlich gehandelt?

Ja, sicher. Ich weiß nicht, ob ich genau das gemacht hätte, was Edward Snowden gemacht hat, aber ich würde die gleiche Prozedur einleiten, wie ich es beim Ausscheiden aus der NSA gemacht habe: Die Informationen den richtigen Kanälen zuspielen. Ich meine, als Angestellter der Regierung ist es ganz einfach deine Pflicht, dass du Korruption, Betrug, Missbrauch und illegale Aktivitäten meldest.

CIA-Direktor John O. Brennan hat vor Kurzem gesagt, dass Snowden Mitschuld an den Anschlägen von Paris habe, weil er gezeigt hat, wie wichtig Verschlüsselung ist.

Das ist wieder mal eine Lüge. Die Terroristen von Paris nutzen SMS und Social Networks ohne jegliche Verschlüsselung. Lügen wie diese werden verbreitet, um Aufmerksamkeit umzulenken. Im Endeffekt sagen sie: Beachte nicht den Mann hinter dem Vorhang. Und dieser Mann steht für Massenüberwachung, uneingeschränktes Sammeln von Daten und das daraus folgende geheimdienstliche Versagen. Menschen sterben, weil Geheimdienste nicht professionell arbeiten und nicht aufgrund von Verschlüsselung—das ist Blödsinn. Sie vertuschen Fehlschläge und die dafür verantwortlichen Mechanismen und Hintergründe, weil zu viel Geld darin steckt.

Verwenden Sie selbst Verschlüsselung?

Nein, ich verwende keine Verschlüsselung. Aus zwei Gründen: Erstens würde jeder, mit dem ich verschlüsselt kommuniziere, automatisch zum Ziel werden. Und zweitens soll alles, was ich tue, öffentlich passieren. Genauer gesagt, will ich sogar, dass diejenigen, die mich überwachen, alles hören und lesen, was ich zu sagen habe. Und wenn sie mich vor Gericht bringen wollen: Gut, los geht’s.

Kann ich vor Überwachung sicher sein, wenn ich Verschlüsselung verwende?

Nein. Ich denke nicht, dass irgendetwas sicher ist. Zumindest nichts, was bislang entwickelt wurde. Die Verschlüsselungstechnologie kommt meistens von Geheimdiensten selbst. Bei PGP-Verschlüsselung hast du beispielweise einen fixen Schlüssel. Das VENONA-Projekt hatte auch fixe Schlüssel und wurde von russischen Diplomaten verwendet. Und rate, wer sie gelesen hat (lacht)?

Big Data ist ein wichtiges Thema. Nahezu jedes Tech-Startup will so viel wie möglich über seine Nutzer wissen und wir geben diese Informationen in der Regel freiwillig preis.

Ich denke, dass wir anfangen müssen, diese Unternehmen zu kontrollieren. Ich für meinen Teil versuche, so wenig persönliche Informationen wie möglich online preiszugeben. Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, wenn ich einem Unternehmen Einblick in meine Gedanken und Gefühle gebe. Du gibst es ihnen gratis und sie machen es zu Geld. Ich bin nicht auf Facebook und mit dem Twitter-Account, den ich habe, tweete ich nicht. Ich schreibe Leuten E-Mails, ich schreibe SMS und ich benutze ab und zu Google.

Szene aus dem Film „A Good American”. Bild: ©Friedrich Moser/blue+green communication | Mit freundlicher Genehmigung.

Warum gibt es in den USA oder Europa keinen größeren Aufschrei in der Gesellschaft?

Dass es keinen größeren Aufschrei gibt, ist der Grund, warum ich zugesagt habe, als mich Fritz Moser gefragt hat, ob ich mit ihm gemeinsam den Film „A Good American” machen will. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass Reden allein nicht allzu viele Menschen erreicht. Jedenfalls nicht genug, um etwas ins Rollen zu bringen. Aber über einen Film, der einem breiten Publikum gefällt und der eine Aussage auf einer künstlerischen Ebene transportiert, kann das klappen. Er kann die Diskussion befeuern.

„Sobald sich Geheimdienste finanziell und gesellschaftlich etabliert haben, denken sie, sie sind das Gesetz. Das ist das Problem.”

Der Film soll dabei helfen, dass die Menschen verstehen, dass sie von Anfang an einer fundamentalen Lüge aufgesessen sind, die unsere Gesellschaft und Demokratie zerstört—nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Rund um den Globus breitet sich das Konzept der Massenüberwachung aus, es steckt eine Menge Geld dahinter, und auch in Europa wollen Staaten ihren eigenen militärisch-industriellen-geheimdienstlichen Komplex erschaffen.

Ich habe ein ziemlich düsteres Bild von Geheimdiensten in meinem Kopf: zwielichtig, korrupt, alles andere als gesetzeskonform handelnd …

… das kommt hin.

Aber ist Geheimdienst-Arbeit, die sich völlig an Regeln hält, überhaupt möglich?

Sobald sich Geheimdienste finanziell und gesellschaftlich etabliert haben, denken sie, sie sind das Gesetz. Das ist das Problem. Alles was sie für richtig halten, machen sie auch. Sie sind unbelehrbare Besserwisser, sie haben ein verzerrtes Bild von der Realität, und Gesetze bedeuten ihnen nichts. Sie belügen den Kongress und nichts passiert. Es passiert nichts, weil Angst herrscht, die NSA kaputt zu machen und dann einen Haufen Leute mitzureißen. Aber die NSA ist schon kaputt. Du kannst sie dicht machen und es würde keinen Unterschied machen.

Was würden Sie machen, wenn Sie NSA-Direktor wären?

Ich würde schnell aufräumen. Ich würde die Führungsriege im Management rausschmeißen und mit Leuten von den unteren Ebenen nachbesetzen. Mit Leuten, die ihren Job ordentlich machen wollen und die noch nicht infiziert wurden. Personen, die der Klon-Prozess noch nicht korrumpiert hat. Es gibt noch gute Leute dort, bei denen die geklonte Mentalität und Gehirnwäsche noch nicht eingesetzt haben und die sich nicht als linientreu sehen. Dieses Denken läuft ins Leere, weil du nicht kreativ und innovativ sein darfst, sondern nur Befehle befolgen musst. Das funktioniert in einer schnelllebigen, technologisierten Welt nicht.

Also wenn ich etwas zu sagen hätte, würde eine kreative Atmosphäre schaffen, in der außerdem die geltenden Gesetze befolgt werden. Ich würde dafür sorgen, dass sich die NSA an die Verfassung hält und die Privatsphäre der Menschen achtet.

Es gibt drei Geheimdienste in Österreich und so gut wie niemand weiß genaueres über sie. Denken Sie, dass Geheimdienste in einem Staat wie Österreich auch Gesetze brechen?

Ich denke nicht, dass irgendein Staat, der Geheimdienste hat, diesen vertrauen kann. Du musst nur nach Deutschland blicken: Der BND hat Daten über deutsche Staatsbürger an die NSA weitergeleitet, was natürlich einen Bruch des deutschen Rechts darstellt. Ein anderes Beispiel: Als die Church-Kommission Mitte der 1970er Jahre Ermittlungen innerhalb der NSA, des CIA und des FBI aufnahm, stellte sich heraus, dass einige der Primärziele, bei denen die NSA beispielsweise die Telefone abhörte, Senator Church und seine Kollegen waren. Also jene Leute, die die Ermittlungen leiteten.

„Die NSA ist heute die Stasi auf Super-Steroiden.”

Warum hatten Sie eigentlich bei der NSA angefangen?

Ich bin irgendwie reingerutscht. Der Vietnam-Krieg ging 1965 in die heiße Phase, und ich war alt genug, um eingezogen zu werden. Ich wollte jedenfalls nicht nach Vietnam und Menschen töten. Ich hatte also zwei Möglichkeiten: Ich konnte nach Kanada fliehen, was für mich nicht in Frage kam, oder ich konnte freiwillig zur Army gehen, mir ein gewisses Maß an Flexibilität bewahren und mir aussuchen, was ich mache. Außerdem war auch mein Vater in der Army, also dachte ich, dass ich hier nicht viel falsch machen kann. Ich machte einen Eignungstest, der ergab, dass ich wegen meines Mathematik-Hintergrundes—ich habe einen Uni-Abschluss in Mathematik—für den militärischen Geheimdienst ASA geeignet wäre. Also wurde ich als Analyst der ASA in die Türkei geschickt und erledigte dort ein paar Aufträge. Dadurch wurde die NSA auf mich aufmerksam und beorderte mich in die USA zurück.

Bereuen Sie etwas?

Nein, ich bin zum richtigen Zeitpunkt ausgestiegen. Ich habe als Analyst die Aktivitäten der Sowjetunion und der Stasi untersucht und 2001 war für mich klar, dass sich die USA zusehends in Richtung eines totalitären Staates bewegte. Die NSA ist heute die Stasi auf Super-Steroiden. Ich zitiere gerne Wolfgang Schmid, einen ehemaligen Stasi-Oberstleutnant, der nach den Snowden-Enthüllungen gesagt hat, dass sie in der DDR von derartigen Befugnissen geträumt haben.

Ist es überhaupt möglich, Geheimdienste unter Kontrolle zu behalten?

Ja, ist es. Aber du musst rücksichtslos zu ihnen sein. Du musst richtig brutal vorgehen. Du brauchst technisch versierte, kompetente Leute in der Politik. Du darfst Kompetenzen nicht zentralisieren. Ich schlage als Kontrollorgan Hacker-Gruppen vor: Da gibt es genug rechtschaffene Leute mit Idealen. Denen musst du—die nötigen Sicherheitsvorkehrungen vorausgesetzt—Autorität verleihen, um unankündigt Geheimdienste durchleuchten zu können. Lass sie alles wissen, das ist der einzige Weg, um sicherzustellen, dass Geheimdienste dich nicht anlügen. Das ist wichtig, weil Geheimdienste jeden anlügen.