Dass Georg Immanuel Nagel, der ehemalige Sprecher von Pegida Wien, Zur Zeit-Journalist, ehemaliger Techno-Produzent und Gabalier-Verfechter, ein neues Projekt gestartet hat, haben wir bereits erwähnt. In unserem letzten Interview hat Nagel uns davon erzählt, wie der deutsche, heterosexuelle, weiße Mann rassistischer Diskriminierung ausgesetzt und wie realitätsfern Gender-Ideologie doch sei.
In seinem Kampf gegen politische Korrektheit hat er nun eine Verbündete gefunden: Die wegen Verhetzung verurteilte Nationalratsabgeordnete der FPÖ, Susanne Winter. „Frau Dr. Winter ist mir persönlich sehr sympathisch und eine unbeugsame Kämpferin gegen den Gesinnungsterrorismus der politischen Korrektheit” äußert sich Nagel auf die Frage, weshalb Susanne Winter als Gastrednerin auf seiner Demonstration „Gegen Dekadenz und Werteverfall” fungieren soll, die am 23. Mai, während des Finales des Eurovision Song Contests, stattfinden soll. Im Büro von Susanne Winter wird bestätigt, dass es bei einer Veranstaltung zum EU-Austritt Gespräche gegeben habe und dass eine Gastrede angedacht ist, wenn nichts dazwischen kommt.
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Nagel hat nun Details zu dem Projekt veröffentlicht, das eigentlich jedem egal sein könnte, wäre nicht eine Nationalratsabgeordnete Teil davon und würde auf einer Veranstaltung sprechen, die sich dagegen einsetzt, dass „derzeit … gegen den Willen der Bevölkerung in allen Lebensbereichen eine abstruse Ideologie durchgepeitscht wird, welche vollkommen realitätsfremd und letztlich lebensfeindlich ist.” Man könne laut Nagel mittlerweile schon von einem wahren Gender-Terror sprechen. Außerdem solle die klassische Mehrkindfamilie gefördert werden, „anstatt der alleinigen Bedachtnahme auf bevölkerungspolitisch vollkommen bedeutungslose Randgruppen.”
In der Facebook-Gruppe der Veranstaltung wird in Postings außerdem davon gesprochen, dass der Mensch von Gott als Mann und Frau geschaffen ist. „Sie wurden nicht nur mit unterschiedlichen Geschlechtsorganen, sondern auch mit weiteren unterschiedlichen körperlichen, geistigen und seelischen Eigenschaften und Fähigkeiten begabt”. Bildungsministerin Heinisch-Hosek peitsche „die Kindersex-Propaganda an Österreichs Schulen durch”, außerdem wird von Gender-Terror und Umerziehungspropaganda an Schulen gesprochen. Natürlich mache Russland in dieser Beziehung alles richtig.
Mit Sätzen wie „,Spermaschlucken’ in der Volksschule” sollen die Menschen auf die Straße gebracht werden. In dem Artikel, der dazu gepostet wurde, schreibt ein Autor auf dem Blog des ehemaligen Chefredakteur der Presse, Andreas Unterberger, dass, wenn es nach Heinisch-Hosek geht, Kinder schon mit 12 über Anal- und Oralsex lernen sollen und schließt daraus, dass sie somit „auch über Gang-Bang und Spermaschlucken” unterrichtet würden.
Dass diese Schlussfolgerung absurd ist, man mit 12 meistens nicht mehr in der Volksschule ist und Kinder heutzutage über Gang-Bang und Spermaschlucken eher im Internet als in der Schule lernen, scheint für die Beteiligten unwichtig zu sein. Hauptsache, man kann den Menschen nur irgendwie die drohende Werteverfall-Apokalypse vor Augen halten. Schön auch in dem Artikel, dass an die muslimischen Schüler gedacht wird:
Und was macht sie [Anm. Heinisch-Hosek] mit den muslimischen Schülern? Wie will sie dem Herrn Öztürk erklären, dass seine 12-jährige Aisha vom Franzi Pospischil gestreichelt wird und sie aufzeichnen soll, wie sie am liebsten gefickt werden möchte? Und ob sie eines Tages eine Spermaschluckerin werden wird?
Dass Susanne Winter sich manchmal schwer tut, zu akzeptieren, dass sie im 21. Jahrhundert lebt, sollte seit langem bekannt sein—spätestens seit ihrer parlamentarischen Anfrage im März 2015, in der sie wissen wollte, ob das österreichische Bundesheer auf einen Angriff durch die EU ausreichend vorbereitet ist.
Den Eurovision Song Contest kann man mögen oder auch nicht. Man kann ihm aus dem Weg gehen oder mitfiebern. Aber so oder so steht er gewiss nicht für einen drohenden Werteverfall. Die Horrorszenarien, die hier von gewissen rechten Gruppierungen ausgemalt werden, existieren (bis zu einem gewissen Grad) ganz bestimmt—aber für einen großen Teil der Bevölkerung sind sie keine Horrorszenarien, sondern positive Entwicklungen in Richtung Toleranz, die mit „,Spermaschlucken’ in der Volksschule” genau gar nichts zu tun haben. Abgesehen davon, dass so die Panikmache natürlich besser funktioniert.
Hanna auf Twitter: @HHumorlos