Wie ausgerechnet die CSU deine Lieblingskneipe retten könnte

Horst Seehofer in einer Kneipe

Verdrängung hat viele Gesichter. Deine beste Freundin ist wegen “Eigenbedarf” aus ihrer Wohnung geflogen und schläft seit Wochen auf deiner Couch. Und du kannst nicht mehr vor ihr in deine heruntergelebte Stammkneipe fliehen, weil da jetzt eine Buddha-Bowl-Bar reinkommt. Für den Wirt, der vielleicht Jahrzehnte hinter dem Tresen stand, war das ein Schock, für dich ist das höchstens nervig. Mehr nicht. Gehst du halt ein paar Meter weiter in die nächste Absteige. Aber stell dir mal vor, es wäre die letzte Kneipe der ganzen Stadt gewesen.

Ausgerechnet die CSU will sich nun daran machen, deine Lieblingskneipe zu retten. Also zumindest, wenn du auf dem Dorf wohnst und deine Lieblingskneipe “Landgasthof Deutsche Eiche” oder “Gaststätte Zum Goldenen Kranz” heißt.

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In dem Papier “Gesamtstrategie Wohnen”, das CSU-Bundestagsabgeordnete verfasst haben, fordern sie unter anderem: “Wir wollen Gasthäuser auf dem Land erhalten.” Seit 2006 hat Bayern mindestens ein Viertel seiner Kneipen und Wirtshäuser verloren, hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet. In rund 500 Gemeinden gibt es niemanden mehr, der ausschenkt. Wirte und Wirtinnen sollen deshalb – zuerst in Bayern und irgendwann, so die CSU-Abgeordneten weiter, in ganz Deutschland – zinsfreie Kredite bekommen. Und für die ganz harten Fälle lässt entweder das Bundesland oder der Staat die nächste Jahresmiete oder die neue Zapfanlage springen.

Man muss das einfach mal so sagen: Liebe CSU, das ist eine verdammt sympathische Idee.

Aber es ist gar nicht so einfach, der Partei dazu zu gratulieren. Von VICE auf das Papier angesprochen, gibt sich die Pressestelle der Partei schmallippig. Sie verweist auf die Landesgruppe der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Die hat das Papier ja schließlich aufgesetzt. Nur trifft sich diese Landesgruppe gerade zur Klausurtagung im Kloster Seeon in der bayerischen Provinz. Eine Anfrage von VICE lässt sie unbeantwortet.

Wenigstens bei der Zweigstelle des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA in Bayern geht Geschäftsführer Frank-Ulrich John ans Telefon.


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Er vertritt die knapp 40.000 Hotels, Gasthöfe, Bars und Eckkneipen, die bei ihm in Bayern “Boazn” heißen. Wirtshäuser, sagt John, seien gelebte Tradition. Oft sind sie der soziale Schmelzpunkt im Ort. “Wenn das Wirtshaus stirbt, stirbt das Dorf”, sagt er. Es komme zu einer Kettenreaktion. Erst das Wirtshaus, dann der Metzger, dann der Bäcker und so weiter.

John sagt, es freue ihn, dass sich die CSU verstärkt um die Dorfkneipen kümmern will. Er wisse zwar, dass kleine Eckkneipen in München verdrängt werden, schließlich vertritt er auch die 24-Stunden-Absturzkaschemmen, aber in der Großstadt gebe es für jeden, der Lust auf ein Bier hat – oder zehn – Alternativen. Auf dem Dorf gehe es schon heute um Existenzielles, in Bayerns Provinz werde Bier zum lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel. “Kein junger Mensch”, sagt John, “zieht freiwillig aufs Dorf, wenn er schon vorher weiß, dass abends nicht mal was trinken gehen kann.” Die Folge: Die Bewohner überaltern, die Dörfer sterben – und die Städte werden immer voller.

Der Verband von Frank-Ulrich John hat kürzlich sogar eine Studie herausgegeben, die zu dem Ergebnis kommt: Den Dorfkneipen laufen die Leute weg. Immer weniger Trinkende kommen zu immer weniger Ausschenkenden. Das Cover der Studie spiegelt die Stimmung in Bayerns Provinz: Ein gezapftes Bier – das halb ausgetrunken unter Kruzifix und Hirschgeweih auf einem massiven Holztisch in einer menschenleeren Stube steht.

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