Food

Ich wollte ein Hotdog-Business in Oslo aufziehen – und bin grandios gescheitert

Die Poster für das kurzlebige Hotdog-Business

Als mein Auslandssemester in Oslo begann, wollte ich zuerst wissen, was in der norwegischen Hauptstadt kulinarisch so los ist. Was würde ich alles probieren? Würde ich ganz der nordischen Küche verfallen? Und stammt Gravlaks wirklich aus Norwegen oder habe ich die gesamte skandinavische Küche da in einen Topf geworfen?

“Freitags essen wir Tacos, samstags gibt es Pizza”, sagte mein neuer norwegischer Mitbewohner am Küchentisch. “Norweger stehen total auf Pizza.” Selbst heute, vier Jahre später, hallt dieser Satz noch bei mir nach. Denn er trifft den Nagel auf den Kopf.

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2004 hat die norwegische Bevölkerung 50 Millionen Pizzas verdrückt, was sie in Sachen Pro-Kopf-Konsum zum weltweiten Spitzenreiter machte. Mit Lørdagspizza [“Samstagspizza”] gibt es dort sogar ein etabliertes Pizza-Ritual. Die beliebteste Pizza-Marke ist Grandiosa. 2004 gaben fast 20 Prozent der norwegischen Bevölkerung an, die schwammartige und vergleichsweise teure Tiefkühlpizza als eines der Nationalgerichte anzusehen. Und 2006 hielt sich das (zugegebenermaßen sehr eingängige) Lied “Respekt for Grandiosa” ganze acht Wochen lang an der Spitze der norwegischen Charts.

OK, in Oslo gibt es mit dem Maeemo auch ein Edelrestaurant, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Dennoch musste ich während meines Auslandssemesters schnell feststellen, dass der kulinarische Einfallsreichtum in Norwegen oft an der Eingangstür zum Supermarkt aufhört.


Auch bei MUNCHIES: Dänische Hotdogs zu machen ist eine Kunst


Weil Norwegen nicht gerade für leckere Pizza und Tacos bekannt ist, hat mich die Antwort meines Mitbewohners eher pessimistisch gestimmt. Durch meine Recherchen fand ich heraus, dass Norwegen dank Nordsee-Ölfunde erst ab Anfang der 70er Jahre dazu in der Lage war, die heimische Essenspalette über traditionelle Bauerngerichte hinaus zu erweitern. Davor war Norwegen ein armes Land, in dem wegen des Klimas auch nur wenig Obst und Gemüse angebaut werden konnte.

Früher kam in der norwegischen Küche viel gekochtes Hammelfleisch und Steckrüben zum Einsatz. Das Land wurde jedoch immer reicher, und die Globalisierung schritt unaufhaltsam voran. Damit hielten auch “exotische” Gerichte Einzug – in diesem Fall eben Tacos und Pizza.

Zwar bedeuten Reichtum und eine starke Wirtschaft nicht gleich eine gute Esskultur, aber immerhin kann man dadurch Obst- und Gemüsesorten importieren, die nicht selbst angebaut werden können. Zudem locken solche wirtschaftlichen Umstände Immigranten an, die der Esskultur noch mehr Vielfalt verleiten.

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Die Autorin beim Taco-Essen mit ihren Mitbewohnern | Alle Fotos: privat

Dennoch war ich mir sicher, dass die Küche Norwegens mehr bereithält als nur Tiefkühlpizza und Tacos mit wässrigem Hackfleisch. Natürlich tat sie das auch, aber ich brauchte eine Weile, um das wirklich zu bestätigen – vor allem deswegen, weil ich gerade in ein Land gezogen war, in dem weniger Menschen leben als in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Ich fühlte mich ständig einsam und war pleite. In Norwegen ist alles unglaublich teuer und ich konnte mir keine Tiefkühlpizza für umgerechnet 6,50 Euro leisten. Genauso wenig konnte ich deswegen die Dinge machen, die mich normalerweise von meiner langweiligen Existenz ablenken.

Dann fand ich aber doch eine Möglichkeit, auch ohne viel Geld mehr über norwegische Essgewohnheiten zu erfahren: Ich nahm mir vor, meinen Kommilitonen und Kommilitoninnen spätabends Hotdogs zu verkaufen. Rückblickend eine ziemliche Schnapsidee, damals kam ich mir aber genial vor. Norweger essen ihre Hotdogs (Pølse) in fladenähnlichen Wraps namens Lompe. Ich taufte mein kleines Unternehmen auf den Namen “Ruby’s Pølse” und hing Poster in der Uni auf. Darauf stand auch die Nummer eines Wegwerfhandys, das ich für die Menschen gekauft hatte, die ihre Bestellung lieber telefonisch aufgeben wollten. Der Plan war dann, die in Alufolie eingepackten Hotdogs zu den hungrigen Studierenden zu liefern.

Ein trauriger Hotdog auf norwegische Art
Ein trauriger Pølse

Ich weiß nicht genau, warum ich das Ganze damals für so schlau hielt. Letztendlich sah mein Geschäftsalltag nämlich folgendermaßen aus: Ich saß freitag- und samstagabends alleine in meiner kleinen Studentenküche und flehte das billige Nokia-Handy an, doch endlich zu klingeln. Ruby’s Pølse existierte nur drei Wochenenden. In diesem Zeitraum kam genau eine Bestellung rein und ich aß den Großteil der 30 zubereiteten Hotdogs selbst. Vielleicht war die norwegische Studierendenwelt einfach noch nicht bereit für mein neokapitalistisches Fast-Food-Konzept.

Natürlich habe ich es während meines Jahres in Oslo geschafft, mehr zu essen als nur Tiefkühlfraß und verarbeitete Lebensmittel. So sammelte ich auch frische Pfifferlinge, kochte mit Risgrøt ein typisch norwegisches Gericht (Milchreis mit Butter, Zimt und Zucker) und probierte verschiedene gekochte und geschmorte Fleischsorten (ja, auch Rentier). In Restaurants bin ich nur dann gegangen, wenn man mich einlud. In der Uni-Cafeteria stieß ich auf das beste Gericht Norwegens: Vaffler. Für ein paar wenige Kronen bekam ich eine frisch zubereitete Waffel, auf die ich dann immer Butter sowie den karamellig-herben Ziegenkäse Brunost klatschte. Heruntergespült wurde das Ganze mit einem Schluck Kaffee. Oft machte ich die Waffeln in meinem Studentenwohnheim auch selbst, denn jeder norwegische Haushalt scheint mit einem Waffeleisen ausgestattet zu sein. Zudem betrieb ich noch einen zynischen Kaffee-Blog, in dem ich über alles schrieb außer Kaffee. Norwegen ist nämlich wie besessen von dem Zeug.

Mein Studium in Norwegen liegt jetzt schon vier Jahre zurück. Bestimmt hat sich die dortige Food-Szene seitdem weiterentwickelt. Ich hoffe einfach mal, dass sich meine Ex-Mitbewohner samstagabends jetzt etwas Anderes reinschieben als Tiefkühlpizza.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei MUNCHIES UK.

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