Giftige Unterkünfte für die Roma aus Baia Mare

Fotos Von Mugur Vărzariu, Interview: Mihai Ghiduc


Eine Roma-Frau in ihrem verfallenen Haus.

Diesen Sommer haben mehrere Dutzend Roma aus Baia Mare in Rumänien schwere Vergiftungen durch unbekannte Substanzen erlitten, nachdem die Behörden sie aus ihren Lehmhäusern am Ufer des Flusses Craica auf ein ehemaliges Chemiefabrikgelände umgesiedelt hatten, das nicht von Giftmüllrückständen befreit worden war. Der Bürgermeister von Craica, Cătălin Cereche, erklärte, dass die Behörden rechtmäßig gehandelt hätten, weil die Roma zuvor unter furchtbaren Bedingungen auf einem öffentlichen Grundstück gehaust hätten und sie durch die Umsiedlung nun ein ordentliches Dach über dem Kopf hatten. Die amerikanische und die niederländische Botschaft, neben einigen NGOs, demonstrierten in Bukarest gegen die Politik des Bürgermeisters, doch trotz der Proteste wurde er dieses Jahr mit einer 86-Prozent-Mehrheit wiedergewählt. Es war nicht die erste zweifelhafte Amtshandlung von Cereche: Letztes Jahr ordnete er den Bau einer Mauer zwischen einem verlassenen Wohnblock, der von Roma besetzt wurde, und einer von Craicas Prachtstraßen an. Der Fotograf Mugur Vărzariu hat die anhaltenden Probleme dokumentiert, und wir riefen ihn an, um uns von ihm die aktuelle Situation in Baia Mare beschreiben zu lassen.

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VICE: Wie ist die Situation der Roma in Craica heute?
Mugur Vărzariu:
Die meisten der Kinder wollen zur Schule gehen, aber das ist schwierig, da sie weder Wasser haben, um sich zu waschen, noch Licht, um ihre Hausaufgaben zu machen. Einige der Eltern arbeiten bei der städtischen Abwasser- und Abfallentsorgung und verdienen 130 Euro im Monat. Nach der Arbeit gehen sie zum Schrottplatz und sortieren wiederverwertbares Material aus, um ihr Einkommen aufzubessern. Viele von ihnen haben außerdem die Kredithaie am Hals, zu denen sie gehen müssen, wenn jemand krank wird oder stirbt.

Warum mussten sie ihre Häuser verlassen, und wie war ihre Zwangsumsiedlung legal überhaupt möglich?
Der Bürgermeister hat das nur getan, um sich Wählerstimmen zu sichern. Er hat die Umsiedlung bürokratisch abgesichert, um den Eindruck zu vermitteln, dass die Roma freiwillig umgezogen sind. Sie hielten ihnen Verträge unter die Nase, ohne ihnen Rechtsbeistand zu gewähren, und sagten ihnen: „Wenn ihr nicht freiwillig geht, werfen wir euch raus.“ Am letzten Tag des Ultimatums kam der Bürgermeister dann mit der Polizei und sagte: „Wenn ihr nicht freiwillig geht, werde ich eure Häuser abreißen lassen.“ Trotz dieser Drohungen gelang es ihnen erst einmal nicht mehr als zehn Prozent der 1.400 Einwohner des Craica-Bezirks umzusiedeln.

Hat der Bürgermeister ihnen irgendetwas anderes angeboten außer den Räumen in der ehemaligen Chemiefabrik?
Nein. Und das Einzige, was er ihnen hätte anbieten müssen, war Rechtsbeistand. Sie wurden in zwei verschiedene Gebäude umgesiedelt. Das erste war ein ehemaliges Bürogebäude: Da herrschte ein großes Durcheinander, aber zumindest war es nicht verseucht. Das zweite Gebäude war das ehemalige Labor, eine chemische Zeitbombe. Die Umsiedlung wurde übereilt und mit der Haltung durchgeführt, dass das Wohlbefinden der Roma keine große Rolle spiele, also scherte sich keiner darum, dass die Luft im Keller dieses Gebäudes verseucht war. Die Räume standen voll mit jahrzehntealten Flaschen und Behältern, von denen man zum Teil nicht einmal wusste, was sie enthielten. Und für die Kinder, die dorthin gebracht wurden, war es vorher ganz normal gewesen, vom Boden zu essen.

Und deshalb wurden sie krank?
Wahrscheinlich. Ich habe mich von sieben Uhr morgens bis acht Uhr abends dort aufgehalten, und als ich wieder ging, musste ich einen Krankenwagen rufen. Mein Blutdruck war zum ersten Mal in meinem Leben erhöht, was allein auf die Atmosphäre im Keller des Gebäudes zurückzuführen war. Mehrere der Roma, einschließlich Kinder, wurden mit mir ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hingen am Tropf und hatten Sauerstoffmasken auf.

Und haben sie das Fabrikgelände dann gereinigt?
Ja. Nachdem die Mutter des Bürgermeisters, die hiesige Polizei und der stellvertretende Bürgermeister sich vor Ort kundig gemacht hatten, fingen die Reinigungsarbeiten an, die mit Unterstützung der Roma-Bevölkerung durchgeführt wurden. Als Entschädigung für ihre Hilfe durften die Roma das Eisen, was sie im Keller fanden, einsammeln und verkaufen. Innerhalb von wenigen Stunden hatten sie alles eingesammelt, was ihnen gefährlich erschien. Die Roma leben immer noch dort, weil sie nirgendwo anders hin können. Ihre Häuser wurden ja abgerissen. Sie sind jetzt völlig der Gnade des Bürgermeisters ausgeliefert. Wenn sie ihn verärgern, wissen sie, dass er die Macht hat, sie auf die Straße zu setzen.


Nachdem sie 18 Jahre an diesem Ort gelebt hatten, wurden die Roma von hier vertrieben.



Die Roma haben diesen Raum dekoriert, nachdem sie die Giftflaschen aus dem Regal entsorgt haben.



Ein Hundefänger, der die Tiere aus ihren früheren Häusern in Craica abholt.



Eine Gruppe Romas schaut zusammen eine Seifenoper an. Strom bekommen sie von einem Kredithai, dem sie dafür 50 Dollar im Monat zahlen.