Gladbach-Fans schreiben Boykott-Brief an Dietmar Hopp

Teile der Fanszene von Borussia Mönchengladbach boykottieren das heutige Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim. Wie auch schon die Fans von Borussia Dortmund bei ihrem Boykott beschweren sich die Fohlen-Anhänger über die hohen Eintrittspreise in Sinsheim und wenden sich in einem offenen Brief an den Verein um Präsidenten Dietmar Hopp. Laut der Borussen kostet so zum Beispiel ein ermäßigtes Stehplatzticket 16 Euro und eine Sitzplatzkarte bis zu 48 Euro.

Der gesamte offene Brief der Gladbacher Fanszene:

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Hallo liebe Vertreter der TSG Hoffenheim,

wir schreiben euch als Fans von Borussia Mönchengladbach. Am Samstag werden wir mal wieder nach Sinsheim kommen. Wir werden dort wie gewohnt unseren Verein anfeuern – und nehmen dafür ziemlich viel in Kauf: Früh aufstehen, lange im Auto sitzen, spät heim kommen. Alles für unseren Verein.

Beim Blick auf die Eintrittskarten mussten wir allerdings schlucken: Stehplatz ermäßigt: 16 €, Stehplatz Vollzahler: 17 €, Sitzplatz: 35 bzw. 48 €.

Wenn wir das Ganze mal ganz plump und ein wenig polemisch darstellen, dann seid ihr so etwas wie die Vorband auf einem Konzert. Ein Act, der im Hintergrund spielt, während man sich beim Bier auf die Band einstimmt, die man wirklich sehen möchte. Im Gegensatz zu einer solchen Vorband habt ihr allerdings selten schöne Überraschungen parat. Und: Ihr könnt so gut spielen wie ihr wollt – wir werden nie auf die Idee kommen nur wegen euch zu einem Fußballspiel zu fahren.

Ihr lebt davon, dass es Vereine wie unsere Borussia, die „kleine” Namenscousine aus Dortmund, Eintracht Frankfurt, den FC Schalke 04, den Hamburger SV und – wir sagen es ungern – auch den 1.FC Köln gibt. Denn nur diese Gegner füllen euer Stadion, weil sie aufgrund ihrer unglaublichen Tradition die Massen anziehen. Sorry, dass wir das so eindeutig sagen, aber: Ein neutraler Zuschauer käme wohl nicht auf die Idee sich an einem Samstagnachmittag ein Spiel von euch gegen Augsburg, Leverkusen oder Wolfsburg anzuschauen. Und auch eure wenigen „Sympathisanten” waren sich offensichtlich nicht immer so sicher, ob sie denn nun wirklich ins Stadion fahren sollten. Oder wie war das im Februar 2012 vor 14.000 Zuschauern (Anm. d. Red.: 5000 Gästefans) im Pokal gegen die SpVgg Greuther Fürth?

Wie um alles in der Welt kommt ihr also drauf solche Preise auszurufen? Eine kleine Anmerkung vorweg: Natürlich ist uns klar, dass ihr nicht die einzigen seid, die solch unverschämten Preise aufrufen! Dass es aber auch anders geht, zeigt zum Beispiel der von uns wenig geschätzte 1. FC Köln: 10,50 Euro mussten wir hier zuletzt für eine ermäßigte Stehplatz-Karte zahlen. Für ein zugegebenermaßen deutlich attraktiveres Spiel! Warum schlachtet ihr uns Gästefans also derart aus?

Nun werden einige Vertreter vielleicht hämisch antworten: „Na weil sie es können! Ihr kauft die Tickets doch auch!” Zugegebenermaßen nicht falsch. Wir werden morgen Nachmittag ja im Stadion stehen und die (zu) teuren Tickets bezahlt haben. Die Frage die wir uns allerdings stellen ist folgende: „Müsst ihr die Tickets tatsächlich so teuer verkaufen?”

Und damit kommen wir zum weniger polemischen Teil unseres Briefes:

Die DFL, der DFB und die Vereine faseln immer viel von sozialer Verantwortung und schmücken sich auch gerne mit plakativen Kampagnen. Ihnen bedeute die Fankultur so wahnsinnig viel. Die Fankultur hierzulande sei ein hohes Gut, das es zu schützen gelte. Ihr werdet da sicher immer wieder miteinstimmen, liebe Verantwortliche der TSG.

Wir sehen das im Grunde ganz genauso. Englische Fans bewundern die Bundesliga sicher nicht nur wegen des tollen Fußballs. Den gibt es auch in anderen Ländern. Was es aber in vielen anderen Ländern nicht mehr gibt sind volle Stadien, bunte Kurven und eine lebendige Fankultur in den und außerhalb der Stadien. Und ein wesentlicher Grund dafür – das wird insbesondere beim Blick nach England deutlich – ist eine verfehlte Preispolitik. Wenn die Bundesligastadien eine Begegnungsstätte für Menschen unabhängig ihrer Werte, ihrer Herkunft und ihres sozialen Status’ bleiben sollen, dann muss eine soziale Preispolitik elementarer Bestandteil aller Fußballvereine bleiben!

Wir sind uns bewusst, dass wir von „englischen” Preisen noch ein gutes Stück entfernt sind. Wir betrachten die Entwicklung dennoch mit Sorge. Wir kennen diese Mechanismen von Angebot und Nachfrage der Marktwirtschaft und appellieren daher an euch und alle anderen Vereine diese Mechanismen nicht über eure soziale Verantwortung zu stellen!

Wir können uns daran erinnern, wie ihr jüngst den FC St Pauli für dessen Vorstoß kritisiert habt, die TV-Gelder für Vereine zu streichen, die nicht im Rahmen der 50+1 Regel funktionieren. Wir erinnern uns vor allem an einen Begriff, den ihr euch gemeinsam mit euren Mitstreitern aus Wolfsburg, Leverkusen und Hannover zu Nutze gemacht habt: Solidargemeinschaft. Wir wissen natürlich, dass ihr euch dabei auf eine Solidargemeinschaft unter den Bundesligavereinen bezieht und dort Faninteressen – so werdet ihr argumentieren – nun mal nicht immer Priorität haben können. Allerdings weisen wir darauf hin, dass eine Solidargemeinschaft gesamtgesellschaftlich gelten sollte und ihr den Begriff als solchen mit Füßen tretet, indem ihr derartige Preise ausruft.

Wir sind uns sicher, dass ein Mann wie Dietmar Hopp, der seine soziale Ader gerne betont, diese Worte nicht unkommentiert stehen lassen wird. Und würden uns daher über eine Antwort freuen!

Wir sehen bzw. hören uns morgen in eurem Stadion! Wir sind gespannt auf euren einzigartigen Hexenkessel und neugierig wieviel aktive Fans vor dem Spiel „gemeinsam durch harte Zeiten” gehen. Ok, das war wieder etwas polemisch. Es gab schon viele Slogans zu dem Thema. Uns gefiel besonders der im Rahmen des Spiels Arsenal London gegen Bayern München genutzte Spruch, der auch am Samstag und für alle Zeit gilt:

„48€ for a ticket. But without fans football is not worth a penny!”

Bitte denkt doch auch in Hoffenheim mal drüber nach!

So long. Grüße vom Niederrhein.