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Warum die berüchtigtste Serienmörderin der Niederlande 23 Menschen tötete

cea mai mare criminala in serie a olandei

Hendrik Frankhuizen litt schon seit Tagen an starken Schmerzen, als er im Dezember 1883 einen Arzt aufsuchte. Sein neugeborener Sohn und seine Frau waren bereits gestorben, geplagt von starkem Durchfall und Erbrechen. Damals waren solche Todesfälle von Müttern und ihren Kindern nicht ungewöhnlich – insbesondere in der armen Gegend der niederländischen Stadt Leiden, in der die Familie Frankhuizen lebte. Immer wieder brach dort die Cholera aus. Eine Krankheit, die ebenfalls starken Durchfall und Erbrechen erzeugt.

Der Witwer litt an denselben Symptomen wie seine Frau und das Kind, aber er schaffte es noch, sich zu einem Arzt zu schleppen. Diesem kamen die Symptome bekannt vor: Nur ein paar Tage zuvor hatte ein anderer Patient über die gleichen Beschwerden geklagt, und er lebte in derselben Straße wie die Frankhuizens. Der Arzt hatte einen Verdacht: Was, wenn jemand die Menschen in dem Viertel vergiftet?

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Hendrik Frankhuizen starb elf Tage später in einem Krankenhaus. Aber sein Fall löste Polizeiermittlungen aus, die sich ziemlich schnell auf eine ungewöhnliche Verdächtige konzentrierten: die 44 Jahre alte Maria Catharina Swanenburg, in ihrer Nachbarschaft auch als “Goeie Mie” bekannt, die Gute Mie. Den Spitznamen hatte sie für ihre aufopferungsvolle und hilfsbereite Art bekommen. Sie war Frankhuizens Schwägerin.

Als sich herumsprach, dass Swanenburg die Hauptverdächtige war, meldeten sich immer mehr Nachbarn mit Geschichten von Verstorbenen, mit denen die Frau zu tun hatte und deren Familienmitglieder plötzlich nacheinander ums Leben kamen. Am Ende musste sich Swanenburg vor Gericht wegen 23-fachen Mordes verantworten, einige gehen allerdings davon aus, dass sie mehr als 100 Menschen umgebracht hat.

Der Historiker Stefan Glasbergen hat Maria Swanenburgs Geschichte in dem Buch Goeie Mie – Biografie van een Seriemoordenares aufgeschrieben, zu Deutsch: Gute Mie – Biografie einer Serienmörderin. Er findet, dass “man eine Menge über diese Zeit lernen kann, wenn man sie durch ihre Augen betrachtet”.

Altes Schwarz-Weiß-Porträt einer ernst aussehenden Frau mittleren Alters in altmodischer Kleidung
Porträt von Maria Catharina Swanenborg, aufgenommen 1883 im Gefängnis

Swanenburg wurde am 9. September 1839 in Leiden geboren. Sie stammte aus einer armen Familie mit vielen Kinder, von denen einige jung an Cholera starben. Zusammen mit elf weiteren Familienmitgliedern lebte sie in einer kleinen Arbeiterhütte.

“Man trat durch einen winzigen Vorderraum ein, in dem ihre Eltern schliefen”, sagt Glasbergen. “Im hinteren Teil des Hauses war eine kleine Küche, aber sie kochten häufig draußen. Die Kinder schliefen im ersten Stock, direkt unterm Dach. Der Raum war nicht isoliert. Wenn es regnete, war es dort nass. Wenn draußen der Wind wehte, spürte man ihn drinnen.”

Swanenburgs Vater war oft arbeitslos. Entsprechend schwer hatte es die Familie, sich über Wasser zu halten. Als Maria zwölf war, konnte die Familie ihre Miete nicht mehr zahlen, verlor das Haus und zog in die Singelstraat. Diese lag in einer besonders heruntergekommenen Gegend, in der die ärmsten Arbeiter der Stadt wohnten. “Die Nachbarn, die später vor Gericht aussagten, berichteten, dass die Mädchen kaum nach draußen gingen”, sagt Glasbergen. “Sie strickten den ganzen Tag Kleidung, die später verkauft wurde.” Das sei damals sehr üblich gewesen.

Aufgrund dieser Lebensumstände ist Swanenburg wahrscheinlich kaum zur Schule gegangen. “Wir wissen zum Beispiel, dass sie nicht schreiben konnte. Ihre Hochzeitsurkunde hat sie mit einem X unterschrieben”, sagt Glasbergen. Als sie 28 war, heiratete sie den Vater ihrer Kinder, die schon vor der Eheschließung auf die Welt gekommen waren. Dieser Umstand sollte später Nährboden für Klatsch und Spekulationen werden.

“Weil sie ihre Kinder vor der Hochzeit bekommen hatte, galt sie als promiskuitiv”, sagt Glasbergen. “Dafür gibt es allerdings keinen Beweis. Da sie allerdings eine Serienmörderin war, gingen die Menschen davon aus, dass sie auch in anderen Aspekten nach dem damaligen Bild als Frau versagt hat.” Es ist unklar, wie das Verhältnis zwischen den Eheleuten Swanenburg war. Ihr Mann sagte vor Gericht aus, aber die Mitschriften wurden bei einem Brand vernichtet. “Es gibt aber keinen Grund, davon auszugehen, dass ihre Beziehung nicht auch auf Zuneigung beruhte”, sagt Glasbergen.

Schon vor der Hochzeit waren zwei ihrer Kinder gestorben, weitere folgten. Insgesamt verlor sie sechs ihrer neun Kinder innerhalb von elf Jahren. Später beschuldigte man Swanenburg, sie vergiftet zu haben, aber laut Glasbergens Recherchen starben sie sehr wahrscheinlich an Cholera. “Was immer Maria versuchte, sie konnte dem Elend, das sie seit ihrer Kindheit verfolgte, nicht entkommen” sagt Glasbergen. Nach dem Tod ihres letzten Kindes entwickelte Swanenburg ein Alkoholproblem. Bald darauf fing sie an, Menschen zu vergiften. Da war sie schätzungsweise 25 Jahre alt.

Eine Illustration mit dem Titel
Die Illustration “De Leidsche Gifmengster” von Roelof Raar, 1885

Anfangs waren ihre Morde finanziell motiviert. Manchmal schaffte sie es, in das Testament einer Person aufgenommen zu werden, bevor sie sie umbrachte. Außerdem tötete sie Menschen, bei denen sie Schulden hatte. Am lukrativsten waren allerdings die Bestattungsversicherungen.

Diese Art von Versicherung war damals unter armen Familien weit verbreitet, die eine Beerdigung nicht auf einmal bezahlen konnten. Die Person, für die man die Versicherung abschloss, musste kein Familienmitglied sein und es war möglich, mehrere Bestattungsversicherungen für eine einzige Person abzuschließen. Die erste war für die Bestattungskosten gedacht, während die zweite oder sogar dritte als Finanzpuffer dienen konnte für die Zeit, in der die Familie neue Einkommensquellen sucht. Dieses Geld hat sich Swanenburg in die Tasche gesteckt.

“Damals war es viel normaler, dass sich Nachbarn gegenseitig unterstützten, und Maria war in ihrem Viertel sehr angesehen”, sagt Glasbergen. “Wenn du jemanden brauchtest, der auf deine Kinder aufpasst oder deine Wäsche macht, konntest du zur Goeie Mie gehen.” Und so kam Swanenburg häufig in die Häuser anderer Menschen, die ihr vertrauten und die sie dann hinter verschlossenen Türen vergiftete. Ihre Methode war denkbar einfach: Sie gab Arsenik, besser bekannt als Arsen, in das Essen oder die Getränke ihrer Opfer.

Dabei handelt es sich um eine extrem giftige chemische Verbindung, die damals zur Schädlingsbekämpfung frei verkäuflich war. Eingenommen verursacht das Mittel schweren Durchfall, der zu einer tödlichen Dehydrierung führen kann. Wenn Arsenik in den Blutkreislauf gelangt, schädigt es die Organe. Einmal im Hirn angekommen folgen qualvolle Kopfschmerzen und eine hohe Lichtempfindlichkeit. Am Ende versagen Herz und Nieren. “Es ist ein sehr schmerzvoller Tod”, sagt Glasbergen. “Die Augenzeugenberichte von Menschen, die den Tod von Familienmitgliedern mitansehen mussten, sind wirklich grauenvoll.”

Eine farbige Zeichnung von einer Frau, die beim Putzen von drei Männern in Uniform festgehalten wird
Die Verhaftung der Goeie Mie, Detail einer Lithografie von Roelof Raar, 1885

Mit der Zeit bekamen Swanenburgs Giftmorde etwas Zwanghaftes. Bei der Totenwache für zwei junge Schwestern, auf die sie regelmäßig aufgepasst und die sie umgebracht hatte, gab sie auch Arsen in den Kaffee, den sie den trauernden Angehörigen anbot. “Diese Menschen überlebten, aber Swanenburg hatte versucht, sechs Menschen zu töten, darunter auch die schwangere Mutter der toten Schwestern”, sagt Glasbergen.

Aber warum wurde bei so viel Tod und Krankheit im Umkreis der Goeie Mie niemand stutzig? “Die Menschen in dieser Gegend waren den Tod gewöhnt. Kinder starben häufig und es gab viele Epidemien, auch weil in der Stadt kein Abwassersystem existierte”, sagt Glasbergen. “Kaum jemand wurde alt.” Außerdem waren Ärzte für diese Menschen zu teuer. Wenn man sie doch mal rief, tauchten sie häufig gar nicht auf. Deswegen wusste eine Zeitlang niemand, woran die Menschen gestorben waren. Das änderte sich erst mit ihrem Opfer Hendrik Frankhuizen.

Farbige Illustration mit Männern, die auf einem Friedhof graben, gerahmt von einem Schädel
Die Exhumierung der Opfer, Detail einer Lithografie von Roelof Raar, 1885

Nach Swanenburgs Verhaftung fand die Polizei mehrere Versicherungspolicen, die auf ihren Namen liefen. Sie befragte mehrere Menschen aus ihrem Umfeld, deren Angehörige plötzlich verstorben waren. Über ein Dutzend Leichen wurden exhumiert und bei allen Spuren von Arsen festgestellt. Vor Gericht wurde ihr vorgeworfen, 65 Menschen aus ihrem Umfeld vergiftet zu haben, von denen 23 gestorben waren.

Das war ein starker Kontrast zu dem Image, das sie sich in ihrem Viertel aufgebaut hatte. Einige Menschen sollen sogar richtig wütend geworden sein, als die Polizei sie verhaftete. “Als ihre Taten dann aber öffentlich wurden, hatten alle etwas über sie zu sagen”, so Glasbergen. “In Zeitungsartikeln schwang eine Menge Verachtung mit, aber auch ein sensationalistischer Ton.” Das kleine Haus, das sie und ihre Familie bewohnt hatten, wurde zu einer morbiden Sehenswürdigkeit. “Es gab sogar ein Schild daran.”

Und ihr Mann? “Er wurde verhaftet, aber bald wieder freigelassen”, sagt Glasbergen. “Die Medien stellten ihn als Opfer einer Wahnsinnigen dar.” Es ist allerdings unklar, wie viel er wusste, immerhin gab es auch viele Vergiftungsversuche und Todesfälle in seiner eigenen Familie. Außerdem bekam Maria durch die Versicherungspolicen mehrere Schecks im Jahr. “Wie ist es möglich, dass er davon nichts mitbekommen hat?”, fragt sich auch Glasbergen.

Zeichnung einer Frau auf einer Anklagebank, hinter ihr sitzen uniformierte Männer
Maria Catharina Swanenburg bei ihrem Prozess von Victor de Stuers, 1885

Swanenburgs Festnahme und Verfahren sorgten für großes Aufsehen. Die Gesetze zum Verkauf von Arsen wurden verschärft und viele Journalisten und Intellektuelle setzten sich dafür ein, nur für diesen Fall die Todesstrafe wieder einzuführen. Am Ende starb Swanenburg allerdings 1915 nach 20 Jahren Haft im Gefängnis. Sie wurde 75 Jahre alt.

Für Glasbergen bleibt der interessanteste Aspekt an dem Fall, wie viel er uns über die urbane Bevölkerung in den Niederlanden zu der Zeit sagt. “Jedes Stereotyp über das Leben in dieser Periode – Krankheit, Armut, Ungleichheit – ist in dieser Geschichte vertreten”, sagt er. “Ihr Handeln war natürlich durch und durch falsch. Aber man fragt sich trotzdem: ‘Hätte sie diese Dinge auch in der heutigen Zeit gemacht, in der wir ein viel besseres soziales Netz haben?’ Ich denke nicht.”

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