Goth-Rap: IC3PEAK drücken euren Kopf unbarmherzig in den russischen Schnee

Wie auch immer der Algorithmus funktioniert, der uns auf YouTube immer wieder neue Videos vorsetzt, manchmal stößt er uns unvorbereitet in ein dunkles Loch. Dann sehen wir fasziniert, angewidert oder geschockt den Bildern zu, die da über den Bildschirm huschen. Im Falle von “This World Is Sick” von IC3PEAK wussten wir anfangs überhaupt nicht, welche emotionale Reaktion angemessen wäre. Ein Typ mit pinken Haaren und eine Frau mit blonden Braids stapfen durch eine endlos scheinende Fläche voller Tiefschnee und moshen zu düster ballernden Basslines. Dazu singt die Frau mit penetranter Stimme, die nach einem The Grudge ähnlichen Gurren bald schon an eine groteske Form von Kinderlied erinnert. Ein Kommentar auf Reddit fasst es ganz gut zusammen: “Ist es gut? Bin unsicher – aber alles, was ich bis zum Ende anschaue, kann nicht schlecht sein.”

Also knipsten wir unsere Taschenlampe an und versuchten, ein bisschen was über dieses schwarz gekleidete Duo herauszufinden. Die beiden heißen Nick und Nastya, kommen aus Moskau und sind seit 2013 aktiv. 2016 wurden sie recht bekannt durch das Video zum Song “Go With The Flow”, das ein radikales Statement gegen die staatlich befeuerte Homophobie in Russland war. Hintergrund: In Russland ist es verboten, Homosexualität zu “propagieren” – vor Kindern, in Medien und im Internet. Folgerichtig zeigten IC3PEAK im Video stolz queere Kultur und knutschende Männer.

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Sowohl Musik als auch ihre Videos entstehen in kompletter Eigenregie. IC3PEAK bezeichnen sich selbst sehr treffend als “audiovisuelle Terroristen”. Ihre Musikvideos gleichen tatsächlich einem plötzlichen Angriff aufs unvorbereitete Gehirn. Bestes Beispiel dafür auch das Video zu “Sad Bitch”, in dem Nastya irgendwann in einem tiefschwarzen Raum im Schlamm sitzt und immer wieder die Zeile “I love mud, it makes me high / I smile only when I bite” auf russisch zetert.

Auch der Text von “This World Is Sick” spuckt uns mit jeder Zeile Lebensfeindlichkeit ins Gesicht und liest sich wie etwas, was man eher von einer nihilistischen Hardcore- oder Metalband erwarten würde. Das, verbunden mit den aggressiven Rap-Beats, erinnert an die neue Welle all der Künstler wie Killstation, scarlxrd oder Ghostemane, die so etwas wie die düstere Seite von Rap sind und große Fanzahlen um sich scharen. Man könnte auch gleich in Russland bleiben und die härteren Songs von Pharaoh als Referenz bemühen. Obwohl sich das alles spätestens dann in Luft auflöst, sobald Nastyas Gesang einsetzt und alle Konventionen niedermäht. Oder wenn man ein bisschen tiefer gräbt und auf die Darkwave-Songs des Duos stößt, die dann gar nichts mehr mit Rap zu tun haben und zeigen, wie radikal IC3PEAK in allen Bereichen sind.

Ob wir jetzt wissen, wie wir auf das alles reagieren sollen? Wir verdunkeln das Zimmer, drehen die Anlage auf und lassen uns einfach von der akustischen Spirale des Wahnsinns und Energie mitreißen.

Wenn ihr auch keinen Bock auf gute Laune habt, könnt ihr hier in das aktuelle Album reinhören. Anspieltipp: das unheimliche “Зеркало” mit Pharaoh-Kumpel Boulevard Depo.

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