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Drogen

In Deutschland kann Grasbesitz härter bestraft werden als das Zünden einer Atombombe

Ernsthaft.

Wenigstens ist es kein Joint. Foto: Gavroche | Flickr | CC BY 2.0

Wer sich jahrelang mit den irrationalen Gründen des Cannabis-Verbots beschäftigt, wird ständig mit der Unverhältnismäßigkeit der Strafen für Cannabis-Delikte konfrontiert. Cannabis ist zwar schon seit den 1920er Jahren geächtet, die drakonischen Strafen für Besitz und Handel sind allerdings eine hilflose Reaktion einer jungen BRD auf die 68er-Generation. Erst seitdem das Opiumgesetz von 1929 im Jahr 1972 durch das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) ersetzt wurde, werden Hasch-, Gras- und andere Dealer gnadenlos weggesperrt. Bis dahin waren die Strafen relativ moderat. Wird das BtmG konsequent angewendet, können seine Bestimmungen selbst bei unverbesserlichen Weed-Dealern oder Schmugglern bis zur Sicherheitsverwahrung führen. Lebenslänglich für Weed gibt es also nicht nur in den USA.

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Höchstens fünf Jahre für das Herbeiführen einer nuklearen Explosion

Für das Zünden einer Atombombe sieht das deutsche Strafgesetzbuch (StgB) die gleiche Strafe wie für den Besitz einer größeren Menge Cannabis vor, selbst wenn das Gras nicht für den Verkauf bestimmt war.

§ 29 BtmG:
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1) Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft

§ 328 Strafgesetzbuch, Abs. 2:
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […]

3) eine nukleare Explosion verursacht oder einen anderen zu einer in Nummer 3 bezeichneten Handlung verleitet oder eine solche Handlung fördert.
4) einen anderen zu einer in Nummer 3 bezeichneten Handlung verleitet oder eine solche Handlung fördert.

Das Gleiche gilt für alle anderen Atom-Deals: Wer illegal mit nuklearem Material statt mit psychoaktiven Substanzen handelt, dem droht mit fünf Jahren eine Höchststrafe, auf die so mancher Grower neidisch werden könnte. Der Anbau von 650 Hanf-Pflanzen ist vor Gericht heikler als das "Herbeiführen einer nuklearen Explosion". Die verbotenen Pflanzen werden in Bayern härter bestraft als das Verschiffen von waffenfähigem Material nach Südafrika. Uran-Dealer riskieren, anders als nüchterne Kiffer, nicht mal ihren Führerschein. Wow. Schmuggler und Verkäufer von spaltbarem Material wollen ihr illegales Hobby, anders als viele Kiffer, Dealer und Grower, auch nicht gerne transparent machen, indem sie eine "Legalize-Uran"-Lobby ins Leben rufen. Die hätte selbst bei einem riesigen Werbebudget, im Gegensatz zur Regulierung von Cannabis, in Deutschland wenig Aussicht auf Erfolg.

Fünf Jahre Höchststrafe für Totschlag, Raub und Urheberrecht

Aber auch für Totschlag, Raub, schweren Diebstahl und Urheberrechtsverletzung (ebenso wow!) drohen bis zu fünf Jahren Haft. So wurden in Bayern in den Jahren 2010 und 2011 kurz hintereinander zwei junge Männer verurteilt. Einer der beiden hatte 12 Graspflanzen aus medizinischen Zwecken angebaut und sollte dafür zwei Jahre in den Knast. Der andere wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte einem 31-Jährigen auf einem Volksfest völlig betrunken einen tödlichen Faustschlag ins Gesicht versetzt.

Wenn für Raubkopien oder Gras härtere Strafen drohen als für Kriegs- und Gewaltverbrechen, ist das den Millionen Konsumierenden von Weed, Filmen und Musik kaum noch vermittelbar, die ja schlussendlich am Ende einer jeden Kette stehen. Denn alle hier erwähnten Gesetze dienen einem überordneten Zweck. Sie sollen uns Bürger vor gesundheitlichen Gefahren, Gewalt oder gar Terror schützen. Am Ende fragt sich nur, wie viele Menschen an einem riesigen Rucksack oder einem Lastwagen voller Gras und Raubkopien sterben könnten.