„Ein Teil Fett, ein Teil Feminismus, ein Teil ‚Fick dich!'“

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„Ein Teil Fett, ein Teil Feminismus, ein Teil ‚Fick dich!'“

Es muss nicht immer schlank sein. Dieses Motto hat sich das „Adipositivity"-Projekt auf die Fahne geschrieben.

Im Juni 2007 fiel der Startschuss für das „Adipositivity"-Projekt von Substantia Jones. Seitdem hat sie laut eigener Aussage schon mehrere Hundert glückliche und beleibte Frauen, eine Handvoll dicker Männer und ungefähr 40 Pärchen fotografiert—dabei wurde immer viel Haut gezeigt. Aber genau das macht auch den Kern des Projekts aus—„ein Teil Fett, ein Teil Feminismus, ein Teil ‚Fick dich!'" Wir haben uns mit Substantia über ein gesundes Körperbewusstsein und die Umstände ihrer fotografischen Herangehensweise unterhalten.

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VICE: Wie kommst du zu deinen Models?
Substantia Jones: Manchmal frage ich einfach, ob jemand Lust hat, vor meine Kamera zu treten. Meistens bin jedoch ich diejenige, die die Anfragen bekommt. Es gehört nicht wirklich zu meinem Aufgabenbereich, Models zu suchen.

Wie gehst du vor, wenn du den ersten Schritt machst?
Wenn man eine fremde Person auf deren Körper anspricht, dann wird das nur selten gut aufgefasst. Es gehört auch einiges dazu, sich nackt im Internet zu präsentieren. Ich will jedoch nichts erzwingen. Wie so oft im Leben ist hier „aus freien Stücken" eine gute Einstellung—„enthusiastisch" ist sogar noch besser.

Was bringt es deinen Models, wenn sie vor der Kamera posieren? Üben sie so eine Art „Rache" an all den Magazinen, in denen nur dünne und „perfekte" Körper abgebildet werden?
Rache ist hier vielleicht nicht das richtige Wort, Umkehrung wohl schon eher. Die Fotografie ist ein Werkzeug, mit dem Menschen—und dabei vor allem Frauen—davon überzeugt werden sollen, dass ihr Körper nichts wert ist. Beim Adipositivity-Projekt geht es darum, dieses Konzept umzukehren: Ich will mit meinen Fotos Eigenliebe fördern und die Leute dazu bringen, ihren Körper zu akzeptieren und sich darin wohl zu fühlen.

Hast du schon mal selbst für das Projekt gemodelt?
Ja. Das war vor allem am Anfang wichtig, als nur wenige Menschen von dem Projekt wussten und man natürlich erst einmal zögerlich reagiert, wenn man sich mit einer fremden Person treffen soll, um Nacktbilder zu machen, die dann ins Internet gestellt werden. Ich gebe zu, dass das kein wirklich ansprechendes Szenario ist. Auf vielen der ersten Fotos bin ich zusammen mit ein paar Freunden zu sehen. Mir bereitet das Ganze genauso viel Vergnügen wie anderen Adiposern auch. Dazu kommt ein gewisses Machtgefühl und ein Mittelfinger in Richtung oberflächliche Gesellschaft.

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Besteht deiner Meinung nach nicht auch ein gewisses Risiko darin, eine Lebensweise zu glorifizieren, die von manchen Menschen als ungesund angesehen wird?
Fettleibigkeit ist doch keine Lebensweise. Wenn ich mit meinen Fotos überhaupt etwas glorifiziere, dann die Akzeptanz des eigenen Körpers, Zufriedenheit, Liebe und den Einklang mit sich selbst.

Wo finden deine Shootings normalerweise statt?
Wo immer es gerade passt. Ich bevorzuge die Wohnungen meiner Models, aber meistens kommen sie von weiter weg. Deshalb greifen wir dann auf angemietete Studios, Hotelzimmer, Gärten, Straßen, Parks oder Wohnungen von Freunden zurück. Wir haben auch schon mal ein Shooting vor einem Polizeirevier abgehalten—die Beamten sind dann alle rausgekommen und haben uns zugesehen. Verschiedene öffentliche Toiletten und das Bett eines buddhistischen Mönchs dienten auch schon als Location.

Seid ihr bei so vielen öffentlich zugänglichen Orten schon mal in Schwierigkeiten geraten?
Die meisten Schaulustigen sind immer total nett. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Ich wurde schon angeschrien und fortgeschickt. Man hat mir schon mit der Polizei oder mit noch drastischeren Mitteln gedroht. Wir wurden auch schon von einer Insel geschmissen und der Beschmutzung von George Washingtons Erbe bezichtigt. So etwas kommt nun mal vor.

Du hast ja auch schon viele Pärchen fotografiert. Waren dabei im Normalfall beide Partner dick? Sagt das etwas darüber aus, dass man besser mit einer Person klarkommt, die einem irgendwie ähnlich ist?
Übereinstimmungen in Sachen Persönlichkeit, Lebensziele, Geschmäcker und Lebensweise haben sicher einen Einfluss auf den Erfolg einer Beziehung, aber meiner Meinung nach kann man das nicht einfach so auf die Körperfülle übertragen. Dein „Typ" wird wird nicht durch deinen eigenen Körper bestimmt. Ich bin erstaunt darüber, wie viele Menschen glauben, dass ein fetter Mann nur mit einer fetten Frau zusammen sein sollte, denn ich kann jeden Tag das glückliche und florierende Gegenteil beobachten.

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Vielen Dank für das Gespräch, Substantia!

Mehr von Substantias Fotos kannst du dir hier anschauen.