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Vice Blog

Die Pratersauna war der beste Ort der Welt

So schwer es uns fällt, wir müssen uns nun endgültig von der guten alten Sauna verabschieden. Ein guter Moment, um ein letztes Mal in nostalgischen Erinnerungen zu schwelgen.
Foto: Daniel Gottschling

Als ich letztes Wochenende zum gefühlt tausendsten Mal um 6:00 Uhr morgens beim Ausgang der Pratersauna rausgestolpert bin, wurde mir schlagartig bewusst, dass es vermutlich mein allerletztes Aus-der-Pratersauna-rausstolpern in dieser Form sein würde. Weil ich zu den Menschen gehöre, die in solchen Momenten zu nostalgischen Gefühlsausbrüchen neigen, hab ich mir zur Beruhigung meiner Nerven erst einmal eine Käsekrainer geholt und beschlossen, dass ich die ganze Liebe, die ich für dieses etwas abgefuckte, aber wunderschöne Gemäuer empfinde, in Worte fassen muss.

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Die Sauna öffnete ihre Pforten, als ich ein gerade 18 Jahre alt gewordener Rotzlöffel war, der immer noch in Salzburg zur Schule ging, gute Partys hauptsächlich aus Filmen kannte und in seinem Leben noch nie von einem Wurstsalon gehört hatte. Trotzdem hat es nicht lange gedauert, bis über FM4 und Magazine wie dieses hier zu mir durchgedrungen ist, dass es da jetzt offensichtlich einen neuen Club in Wien gab, der sich angeblich mit allem in Berlin messen könne, und alles in allem überhaupt der Shit war.

Also hab ich die nächste Gelegenheit genutzt, meine Freunde zu einem Wien-Trip zu nötigen und mit mir dort hinzugehen. Es war Mittwoch (in Salzburg konnte man mittwochs nicht einmal richtig fortgehen), aber dort war trotzdem eine Party in Gange, die jenseits von Gut und Böse war. Ich erinnere mich daran, wie begeistert ich von all diesen abartig cool gekleideten Menschen war, die um 2:00 Uhr morgens mit Badetaschen durch die Tür spaziert kamen, weil sie nicht nur am Dancefloor herumhampeln, sondern zwischendurch auch in den Garten rausgehen und im Pool schwimmen wollten.

Für einen Provinzburschen, dessen Sozialisierung in einer uniformen Schnösel-Hochburg wie Salzburg stattgefunden hatte, war praktisch alles an dieser Nacht so viel besser als das, was ich bis dahin gekannt hatte, dass ich für mich ziemlich schnell beschloss: dieser Club muss der beste Ort der Welt sein.

In den folgenden Monaten entwickelte ich mich zu einer Art Pratersauna-Pilger, der sein Taschengeld verwendete, um an den Wochenenden regelmäßig mit seinen Freunden nach Wien zu fahren, sich die Nächte in der Sauna um die Ohren zu schlagen und danach pleite und verkatert—aber glücklich—wieder heimzukehren.

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Diese Bilder stehen für 10 der gefühlten 150.000 Euro, die ich in diesen verfluchten Fotoautomaten geworfen habe. Rückblickend bereue ich keinen einzigen davon.

Es gibt viele Dinge, die die Pratersauna damals so faszinierend für mich machten. Jedes Mal, wenn ich dort hinkam, sah dieses ohnehin schon verwirrende, labyrinthartige Gebäude komplett anders aus. Auf einmal war da zum Beispiel dieser Bunkerfloor und ich könnte schwören, dass bei jedem einzelnen Besuch irgendwelche neue Türen auftauchten, die mich in einen Raum führten, der beim Besuch davor noch unsichtbar war. Es dauerte ewig, bis mir einmal klar wurde, dass diese eigentlich überschaubar wirkende Bude in Wirklichkeit riesig war. Die Pratersauna war so etwas wie das Narnia für Partys, nur für coole Menschen.

In den Räumen selbst gab es praktisch nichts, das einen nicht erwarten hätte können. Den Floor mit den Indoor-Pools und der eigentlichen Sauna hatte ich zu Beginn für einen Mythos gehalten, bis ich ihn eines Abends entdeckte—inklusive eines DJs mit Mega-Schnauzer in Pilotenuniform, der für ein Publikum, das eigentlich nur aus einem guten Dutzend italienischen Profi-Standardtänzerinnen bestand, die in Wien auf Urlaub und zufällig in der Sauna gelandet waren, Rock'n'Roll-Songs auflegte.

Was mich dabei immer am meisten beeindruckte, war die Tatsache, dass hier so grundverschiedene Leute versammelt waren, und niemand den anderen schräg anschaute. Sicher, die Hipster hatten offensichtlich die Oberhand, Aber man konnte dort genau so gut britische Touristen, Rucksack- oder vereinzelt auch Anzugträger, Hip-Hop-Kids und Leute, die sich in keine Gruppe einordnen lassen, oder eine Hand voll Bros, die sich offensichtlich vom Praterdome in die Sauna verirrt hatten, antreffen—und all diese Leute schafften es aus einem mir nicht ersichtlichen Grund. nicht nur friedfertig zu koexistieren, sondern sich für ein paar Stunden sogar gegenseitig zu mögen. Diese ganz klar abgegrenzte Klientel, über das sich viele Clubs definieren, gab es in der Sauna einfach nicht, und genau das fand ich großartig.

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Ich glaube nicht, dass ich es jemals laut ausgesprochen habe (vor allem nicht meiner Mama gegenüber), aber diese Partys hatten definitiv viel zu großen Einfluss auf meine Entscheidung, zum Studieren nach Wien zu ziehen. In meiner ersten Wohnung verwendete ich keine Gläser, sondern die Getränkebecher mit „Der Morgen danach ist der Abend davor"-Aufschrift, die ich mir Wochenende für Wochenende in der Sauna zusammengefladert hatte (ich hoffe, dass das kontinuierliche Abhandenkommen von Bechern kein Mitgrund für ihr jetziges Ende ist). Im Gegenzug habe ich in den letzten sechs Jahren so viel Geld in den Foto-Automaten investiert, dass sich damit vermutlich ein kleiner aber solider Bausparvertrag ausgegangen wäre.

Außerdem gingen dort im Laufe der Jahre viele meiner feuchten Musik-Träume in Erfüllung. Da spielten die ganzen Ed Banger-Artists, die ich damals richtiggehend verehrt habe—Uffie und Feadz und DJ Medhi—und sie alle geisterten nach ihren Shows meistens selbst als Teil vom Publikum neben einem herum, während ich versucht habe, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ihr ärgster Fanboy im Universum war.

Ich durfte dabei sein, als Hudson Mohawke den Bunkerfloor auseinandernahm, ich hab Zebra Katz rappend von der Decke hängen und Dorian Concept Dinge mit seinem MicroKorg aufführen sehen, die ich bis dahin gar nicht für möglich gehalten hatte. Sogar an Abenden, an denen ich die Musik im Großen und Ganzen richtig scheiße fand, gab's auf irgendeinem Floor immer irgendeinen DJ, der zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwas spielte, das großartig war.

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Und ich war bei einem Boiler Room einmal stundenlang mit einer feiernden Meute im Poolfloor ohne Toiletten eingesperrt, was dazu führte, dass zu späterer Stunde verdächtig viele Becher mit golden funkelndem Inhalt herumstanden. Rückblickend war sogar das irgendwie lustig.

Brodinski bei der Arbeit, und ganz viele glückliche Menschen rundherum. Foto von Daniel Gottschling

Ich bin mir zwar nicht sicher, ob ich schon bereit bin, die Pratersauna ganz loszulassen—unter anderem, weil der Stromclub-Kassier mir noch eine Leberkäsesemmel schuldet. Aber wahrscheinlich ist der Zeitpunkt eh perfekt. Ein großer Teil meiner Faszination für diesen Club ist im Laufe der letzten Jahre ein bisschen verloren gegangen. Vermutlich, weil jetzt nicht mehr 18 oder 19, sondern 24 bin und Fortgehen jetzt nicht mehr der Mittelpunkt meines Lebens ist. Und weil Wien—auch wenn manche anderer Meinung sind—mittlerweile viel mehr gute Clubs und Veranstaltungsreihen hat als noch vor fünf Jahren.

Ganz verschwindet die Pratersauna außerdem eh nicht, auch wenn der Club, der nun dort entstehen wird, mit der Sauna von damals praktisch gar nichts zu tun haben wird. Beim Gedanken daran, dass der Bunkerfloor in Zukunft „eine Cocktailbar als Member-Club—quasi als Club im Club, der als Verbindungsstück zwischen VIEiPEE und Pratersauna" werden soll, muss ich zwar immer noch ein bisserl in meinen eigenen Mund speiben. Aber ich werde mir den neuen Club zumindest einmal anschauen und sehr stark versuchen, ganz wertungsfrei zu bleiben.

Natürlich fühlt es sich ein bisschen an, als würde mit der Pratersauna ein kleiner Teil meiner Jugend verschwinden. Gleichzeitig finde ich es aber auch ein bisschen leiwand, dass der Club, mit dem nicht nur ich, sondern eine ganze Generation von jungen Wienern die wahrscheinlich bleibendsten Fortgeh-Erinnerungen verbindet, sich bald in Luft auflösen wird. Weil man sich so zumindest ziemlich sicher sein kann, dass die Pratersauna zu einer dieser Legenden aus längst vergangenen Zeiten wachsen wird, über die wir noch im Jahr 2025 reden werden, wenn wir alle darüber sudern, dass Fortgehen in Wien mittlerweile so oasch ist.

Danke jedenfalls, Pratersauna. Ich werde all die weißen Getränkejetons in meinem Geldtascherl und die vielen Fotos von deinen liebenswerten betrunkenen Gästen, die leider viel zu unvorteilhaft sind, um sie in diesen Artikel einzubauen, bis ans Ende aller Tage in Ehren halten. Und die Narbe an meinem Handgelenk, die ich mir geholt hab, als ich übermotiviert von der Kante des Indoor-Pools gesprungen bin. Schön war's mit dir. Bussi. Heult mit Tori auf Twitter: @TorisNest