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Gedenken in Srebrenica zum Jahrestag des Massakers von 1995

Im Juli 1995 wurden im größten Kriegsverbrechen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mehr als 8,000 Bosniaken (bosnische Moslems) systematisch von serbischen Soldaten getötet. Es war der traurige Höhepunkt von drei Jahren ethnischer Säuberung.

Muslimische Frauen, deren Angehörige im Massaker von 1995 ermordet wurden, außerhalb des Srebrenica-Potočari-Denkmals in Srebrenica, Bosnien. Alle Fotos vom Autor

Mitte Juli 1995 wurden mehr als 8.000 Bosniaken (bosnische Muslime) systematisch von den bosnisch-serbischen Soldaten ermordert—ein Akt, der oft als der einzige europäische Genozid seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet wird. Es war der Höhepunkt einer dreijährigen ethnischen Säuberung von Muslimen in der Region.

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Beginnend mit dem 11. Juli verübten die Streitkräfte der Republika Srpska (VRS) und die tödliche Skorpion-Eliteeinheit unter der Leitung des serbischen Generals Ratko Mladić ein regelrechtes Blutbad in und rund Srebrenica, das nicht weniger als die Hölle für die muslimische Bevölkerung darstellte.

Das Srebrenica-Mahnmal, ofiziell als das Srebrenica-Potočari Mahnmal bekannt und die Gedenkstätte der Opfer des Völkermords 1995

Alles begann mit dem Fall des Tito-Regimes Ende der 80er Jahre. Damals war die multi-ethnische Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina von Bosniaken (44 %), orthodoxen Serben (31 %) und katholischen Kroaten (17 %) bewohnt.

Nachdem Bosnien und Herzegowina im Zuge des Zerfalls des früheren Jugoslawiens am 15. Oktober 1991 die Souveränität ausgerufen hatte, wurde bald ein Referndum über die Unabhängigkeit für den folgenden Februar festgesetzt. Das Ergebnis, das deutlich für die Unabhängigkeit ausfiel, wurde von den politischen Vertretern der bosnischen Serben nicht anerkannt (die außerdem die Wahl koykottiert hatten). Trotzdem wurde die Republik Bosnien und Herzegowina am 6. April 1992 offiziell von der Europäischen Gemeinschaft und tags darauf von den Vereinigten Staaten anerkannt.

Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung attackierte die serbische Regierung unter Slobodan Milosevic Bosnien und Herzegowina, in einem Versuch, serbisches Territorium wieder zu vereinen und zu sichern. Was folgte war ein brutaler Machtkampf um regionale Kontrolle, begleitet von ethnischen Säuberungen der gesamten nicht-serbischen Bevölkerung auf serbischem Gebiet oder Gebieten unter serbischem Einfluss; ganz besonders stark wurde dabei die Bosniaken-Bevölkerung des östlichen Bosnien, nahe an der serbischen Grenze, angegriffen. Hier liegt Srebrenica.

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Ein Ziegenhirte im Feld neben der Srebrenica-Potočari-Gedenkstätte und dem Friedhof für die Opfer des Völkermords von 1995

Zwischen 1992 und 1995 zählt das Bosnische Institut von Großbritannien 296 ausgerottete Dörfer im Gebiet von Srebrenica, obwohl nicht alle davon muslimisch waren—einige waren auch serbische Dörfer, die als Vergeltung seitens der Bosnischen Armee zerstört wurden, was den Kreislauf des ethnischen Konflikts für viele weitere Jahre am Leben erhielt. 70.000 Menschen wurden aus ihren Häusern in der Region vertrieben, mehrere Tausende Muslime getötet. Das Chaos wurde vom Rest der Welt großteils ignoriert. Die Untätigkeit sollte schließlich auf die Vereinten Nationen zurückfallen, nachdem sie trotz Errichtung der allerersten UN-Sicherheitszone nicht in der Lage waren, das Massaker in den Wochen nach dem 11. Juli 1995 zu verhindern.

Als General Mladić durch Srebrenica fuhr, begann er damit, sämtliche muslimische Männer zu töten, die ihm über den Weg liefen. Bald suchten rund 25.000 Einwohner Zuflucht in der niederländisch verwalteten Sicherheitszone, wurden jedoch nach wenigen Tagen bereits abgewiesen, da die Verhandlungen zwischen Serbien und den Niederlanden nur die Sicherheit von Kindern und Frauen sicherstellten. Der niederländische Kommandant der UNPROFOR-Einheit (United Nations Protection Force), Oberstleutnant Thomas Karremans, war großteils machtlos und sein Ruf nach Luftangriffen auf serbische Kräfte wurde in diesen kritischen ersten Stunden einfach ignoriert.

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Holländisches Graffiti an der Mauer der ehemaligen UN-Hauptquartiers zur Friedenserhaltung

Inzwischen wurde viel über die UN-Truppen vor Ort und ihre Rolle in diesem Konflikt gesagt, aber der Mangel an Hilfeleistungen für verwundbare und bedürftige Zivilisten ist denen anzulasten, die diese Friedenstruppen mit zu wenig Material und Ausrüstung in Bosnien einsetzen ließ. Die UN-Führung zögerte und erlaubte somit, dass das Massaker passierte.

Die niederländischen Einsatzkräfte übergaben über 3.000 Menschen an die Serben—vor allem Männer im militärfähigen Alter, aber auch einige jüngere Buben—, die alle hingerichtet wurden. Ein Großteil der Kinder wurde verschont und nach Tuzla verschifft. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass serbische Soldaten eine Reihe von muslimischen Frauen in der Nähe der handlungsunfähigen, niederländischen Soldaten aufgriffen und sie—für die UN-Soldaten hörbar—vergewaltigten. Die Friedenstruppen waren 1993 angekommen und zwei Jahre später abgereist. Zu diesem Zeitpunkt waren sie ziemlich miserabel in ihrer Mission gescheitert. (Erst diesen Mittwoch befand Den Haag die Niederlande für schuldig im Fall von über 300 Todesfällen.)

Viele Frauen und Kinder wurden von Serben in Bussen mit UN-bezahltem Benzin in die knapp 100 Kilometer entfernten muslimischen Sicherheitszonen abtransportiert. Die über 10.000 zurückbleibenden Männer hatten weniger Glück. Die meisten wurden zusammengetrieben und im Lauf der nächsten Tage und Wochen erschossen.

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Eine der vielen Fabriken in den Außenbezirken Srebrenicas, wo man muslimische Männer zusammengetrieben und festgehalten hat, bevor man sie zu den Hügeln brachte und von serbischen Kräften exekutierte

Den Männern wurde befohlen, ihre eigenen Gräber auszuheben. Nachdem sie erschossen wurden, warf man die Leichen in die Löcher, die in einer derart stark verminten Gegend gelegen sind, dass sich die Identifikation der Opfer auch heute noch extrem schwierig gestaltet, was zum anhaltenden Trauma der Region beiträgt.

Ein Jahr nach dem Genozid sagte Jean-Rene Rues, der Untersuchungsleiter für Kriegsverbrechen in Den Haag über das Massager: „Worüber wir hier reden, war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist ein Verbrechen gegen uns alle.“

Aber genau wie ein Jahr zuvor in Ruanda waren auch hier die Weltregierungen und die Vereinten Nationen nicht weit, als all diese Kriegsgräuel begangen wurden.

 8,372 Namen sind in der Srebrenica-Potočari-Gedenkstätte und dem Friedhof für die Opfer des Völkermords von 1995 in Stein graviert

Mit Juli 2012 konnten insgesamt 6.838 Opfer des Völkermords identifiziert werden—dank DNA-Tests von Körperteilen, die aus den Massengräbern geborgen wurden. Im Juli 2013 wurden 6.066 Opfer im eingerichteten Erinnerungs-Zentrum von Potočari beigesetzt. Der serbische Präsident Tomislav Nikolić entschuldigte sich offiziell für die Massaker, auch wenn er es gerade nicht als Genozid bezeichnen wollte.

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Am 4. Oktober 2005 gab die extra eingerichtete Arbeitsgruppe der bosnischen und serbischen Regierung bekannt, dass 25.083 Menschen an der erweiterten „Srebrenica-Operation“ beteiligt gewesen waren, darunter 19.473 Mitglieder diverser Streitkräfte. Die Anzahl an Menschen, die direkt am Massaker beteiligt waren, ist jedoch vermutlich viel niedriger—und liegt schätzungsweise bei etwa 1.000. Von den Einzelpersonen, die bei der Operation involviert waren, konnten 17.074 namentlich identifiziert werden. Es wurde jedoch auch berichtet, dass 892 der Verdächtigen immer noch Positionen in (oder zumindest Angestelltenverhältnisse zu) der Republika Srpska halten—die serbische Teilrepublik rund um Sarajevo. Ihre Namen bleiben weiterhin geheim.

Ratko Mladić sitzt nach 16 Jahren auf der Flucht mittlerweile in Den Haag hinter Gittern. Die Welt wartet immer noch auf den Ausgang des Verfahrens.

Eine ehemalige Fabrik für Autobatterien, wo die niederländischen Friedenserhalter stationiert waren. Die Worte bedeuten:„Kamerad Tito, wir geloben dir unsere Treue.“

Der frühere UN-Übersetzer und muslimische Einwohner Srebrenicas Emir Suljagic spricht mit mir über sein Leben auf der Flucht während des Massakers. Später wurde er zum Bildungsminister in Sarajevo ernannt und setzt sich seitdem für die faire Behandlung von Moslems in Bosnien ein

Vor der ehemaligen Autobatterie-Fabrik. Auf dem Hügel im Hintergrund liegt die Srebrenica-Potočari-Gedenkstätte

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Statuen von Müttern, Frauen und Kindern vor dem ehemaligen UN-Hauptquartier in Srebrenica

Im ehemaligen UN-Hauptquartier. Ungefähr 25 000 muslimische Flüchtlinge suchten während des Massakers hier und rund um das Gebäude nach Zuflucht, wurden aber letzten Endes nach dem Abzug der Truppen im späten Juli 1995 zur Räumung gezwungen

„Ratko ist ein Held“, so das Graffiti. Ratko Mladić, General der serbischen Streitkräfte während des Massakers, wird leider noch immer von einigen Ortsansässigen verehrt

Im Zentrum von Srebrenica ragt ein neuer Minarett einer Moschee hinter den Kriegsruinen hervor.

 Ein einzelnes Rednerpult steht in einer der Fabriken in der Bosniaken von Serben zusammengetrieben wurden. Jedes Jahr versammeln sich tausende Angehörige um den im Massaker vom Juli 1995 Ermordeten Respekt zu zollen