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Strichplatz.ch ist der Stadt seit einem Jahr ein Dorn im Auge

iBulla ist ein Internetkünstler und unbeliebt bei städtischen Offiziellen, weil er eine Internetseite erstellt hat, die sich mit dem Strichplatz Zürich-Altstetten auseinandersetzt. Heute feiern der Platz als auch die Seite ihren ersten Geburtstag.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Strichplatz.ch

iBulla hat ein Atelier in Zürich-Altstetten, gleich neben dem Platz, auf dem die Verrichtungsboxen stehen. Als die ganze Geschichte mit den Verrichtungsboxen ihren Lauf nahm, verfolgte er das Geschehen von Anfang an mit grossem Interesse. Der Platz ist in seinen Augen vor allem eine Gentrifizierungs-Aktion; es geht darum, die Innenstadt von allem was „unsauber" ist zu befreien. Also hat man alle Prostituierten vom infamen Sihlquai weggeschafft.

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Aber der Platz ist auch eine Chance, der Prostitution einige ihrer negativen Nebenerscheinungen zu nehmen. So laufen die Prostituierten z.B. heute deutlich weniger in Gefahr, irgendwo hingefahren und dann mitten im Nichts ausgeladen zu werden. Es gibt weniger Gewalt gegen die Frauen—auch die Zuhälter haben keinen Zutritt zum Strichplatz.

VICE: Wie kamst du auf die Idee, die Seite Strichplatz.ch ins Leben zu rufen?
iBulla: Wir haben gewusst, dass der Strichplatz am 26. August 2013 aufgeht. Einen Monat vorher habe ich mir überlegt: Hat der Platz eine Seite? Der Platz soll doch auch irgendwie informieren: Wie wird er finanziert? Mit Steuergeldern? Was ist zu erwarten? Und dann: Wie wird er genannt werden?

Es ist ein Platzstrich.
Genau, oder einfach ein Strichplatz. Dann war die Domain (www.Strichplatz.ch) frei und ich habe sie mir gekauft. Noch am selben Abend habe ich dem damaligen Projektverantwortlichen, Michael Herzig, geschrieben, dass ich eben diese Domain gekauft habe und dass das die Bezeichnung sei, unter welcher der Platz in den kommenden Jahren in den Volksmund Eingang finden würde.

Ich habe ihn gefragt, ob wir nicht was zusammen machen könnten. Dann kam halt die Mail zurück, in der es geheissen hat: Nein, er sehe keine Möglichkeit zur Zusammenarbeit, sie (die Stadt) hätten ihre eigene Corporate Identity, die sie pflegen müssten.

Also war es eigentlich auch ein Projekt-Pitch?
Schon ein bisschen, Ja. Also ich reserviere nicht einfach Domains auf Vorrat und verkaufe sie dann. Ich wollte dem Platz halt auch wirklich helfen.

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Welche Form von Information ist denn von Interesse für dich? Was hättest du gerne gewusst über den Platz?
Ich habe den Sihlquai miterlebt. Mir war klar, dass das jetzt etwas Neues ist. Eine Pionierarbeit. Und meiner Meinung nach ist es gerechtfertigt, darüber informiert werden zu wollen. Was genau wurde mit unseren 2,5 Millionen gebaut?

Es war ja ein öffentlicher Auftrag. Es ist nicht so, dass nur weil der Strich jetzt in einer Anlage ist, nicht mehr darüber berichtet werden sollte.

Ich hätte die Seite gerne zu einem Sprachrohr für die offiziellen Stellen gemacht. Im Stil von: „Wir haben so und so viele Frauen, die jetzt in einem geschützten Umfeld arbeiten können. Es läuft super!" Solche Sachen halt.

Die Seite der Stadt Zürich ist ja weder dynamisch noch informativ. Zudem fehlen Antworten auf Fragen, die ich enorm wichtig fände: Wie läuft es jetzt eigentlich? Wo ist der Sihlquai hin? Wo ist das Problem hin verlagert worden? Ist es einfach weg?

Nein, wäre da die Antwort, es findet in einem geschützten Raum statt; auf dem Strichplatz. Allerdings haben sich die Behörden—und ich meine damit alle staatlichen Institutionen, die in irgendeiner Weise mit dem Platz zu tun haben—geweigert, überhaupt Kontakt mit mir aufzunehmen.

Haben sie sonst irgendwie auf dich reagiert?
Die Stadt Zürich ist am Betrieb der Seite nicht interessiert, da sie inhaltlich weder dem Informationsauftrag noch ihrer methodischen und ethischen Grundhaltung entspricht. Trotzdem sah sich die Stadt nach knapp einem Monat genötigt sich von der Webseite zu distanzieren. Das haben sie via 20 Minuten gemacht. Dafür schossen danach meine Klickzahlen in den Himmel. In Folge dessen wurde dann über die Verwaltung Druck auf mich ausgeübt, da mein Atelier ja Eigentum der Stadt ist. Mir wurde vorgeworfen, dass ich mit dem Betrieb der Seite das nachbarschaftliche Verhältnis zum Strichplatz störe.

Im anschliessenden Gespräch mit der Verwaltung wurde an meine Moral appelliert und auf die Sinnlosigkeit meines Projektes hingewiesen: Ich würde mit der Homepage Freier abschrecken, da der Freier die Anonymität suche und keine Homepage brauche.

Mittlerweile wird mir das Gegenteil vorgeworfen: Die Homepage wäre Werbung und würde den Platz ungewollt attraktiv machen. So ist die Homepage regelmässig Thema in der „Begleitgruppe", die sich zur Aufgabe gemacht hat alle Nachbarn einzubeziehen.

Alle Nachbarn bis auf mich—den Betreiber der Homepage—versteht sich. Ich werde nicht zugelassen, da ich mit der Homepage einen Blog betreibe, damit also Journalist sei und Journalisten dürfen in den Plenumsdiskussionen nicht anwesend sein. Seither wird die Homepage von offizieller Seite her zwar garantiert beobachtet—aber ignoriert.