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Interview mit einem Ebola-Überlebenden

Das Ebola-Fieber ist grausam. Bis zu 90 Prozent der Infizierten sterben. Wir haben mit einem Überlebenden gesprochen, der uns von dem Krankheitsverlauf und der darauffolgenden Stigmatisierung erzählt.

Foto: Nigerian Tribune

Das Ebola-Fieber ist grausam. Alles beginnt mit Hals- und Kopfschmerzen und entwickelt sich dann schnell zu einem katatonischen Fieber, bei dem die Erkrankten aus den Augen und aus dem Rektum bluten, bis die Organe schließlich komplett versagen. Das Virus wütet derzeit in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria und die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bisher 1975 Erkrankungen registriert, 1069 davon verliefen tödlich. Damit ist das Ausmaß deutlich größer als bislang angenommen. Auch wurden die Mitarbeiter der US-Botschaft in Sierra Leone jetzt dazu aufgefordert, das Land zu verlassen, weil es dort an medizinischen Behandlungsmöglichkeiten fehle. Da die betroffenen Länder aus Angst vor einer Verbreitung der Krankheit zum Teil von der Außenwelt abgeschnitten sind, können die Menschen dort nur auf dem Luftweg mit Hilfs- und Lebensmitteln versorgt werden.

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Wir wollten jemanden interviewen, der das Ebola-Fieber überlebt hat—eine Krankheit, an der normalerweise 50 bis 90 Prozent der Infizierten sterben. Nachdem wir mehrere gemeinnützige Organisationen kontaktiert hatten, sprachen wir mit Saa Sabas, einem ehemaligen medizinischen Angestellten aus der Stadt Guéckédou im Süden Guineas. Mit der Hilfe eines französischen Übersetzers beschrieb er uns, wie er sich das Virus bei der Arbeit einfing, schwer erkrankte und dann überlebte—nur um anschließend mit dem Misstrauen seiner verängstigten Gemeinde konfrontiert zu werden.

VICE: Hi Saa. Danke, dass du dir Zeit für uns nimmst. Kannst du uns ein bisschen von dir erzählen?
Saa Sabas: OK, wir machen das jetzt Schritt für Schritt. Ich wurde 1962 in der Kleinstadt Bouaké in der Elfenbeinküste geboren. Mein Vater hat in der französischen Armee gedient, wo er als Sanitäter angestellt war. Er hat mich auch in die Welt der Medizin eingeführt und so arbeitete ich in der Apotheke des Krankenhauses von Guéckédou, wo ich auch als Krankenpfleger aushalf.

Dort bist du auch erkrankt?
Ja, und wie du weißt, führten fehlende Hygienemaßnahmen zu meiner Infektion. Ich kümmerte mich um einen Patienten, der ebenfalls ein Krankenpfleger, aber schon im Ruhestand, war. Das habe ich eine ganze Zeit lang gemacht. Er war eine der ersten Personen, die erkrankt sind, und ich habe ihn gewaschen, ihn gefüttert und seine Hand gehalten.

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Also hast du dich bei ihm mit dem Virus angesteckt?
Ja. Ich bekam plötzlich Fieberschübe. Wenn ich krank bin, nehme ich normalerweise Paracetamol und dann geht’s mir besser. Dieses Mal ging das Fieber aber nicht weg. Ich erinnerte mich an das, was mir die Ärzte über die ersten Anzeichen [von Ebola] erzählt hatten, und bin deswegen direkt ins Krankenhaus, ohne vorher noch mal nach Hause zu gehen. Die Ärzte sagten, dass ich 21 Tage lang zur Beobachtung da bleiben sollte, und nahmen anschließend einige medizinische Untersuchungen an mir vor. Am nächsten Morgen sagte man mir, dass ich mit dem Ebola-Virus infiziert sei, und ich wurde dann dementsprechend behandelt.

Wie ging es dir zu diesem Zeitpunkt?
Die Fieberschübe waren unregelmäßig, zwischen 38 und 39,6 Grad. Das ging zwei Tage lang so, am dritten Tag bekam ich dann Durchfall. Der hielt vier Tage an, bis am siebten Tag auch noch die Bakterienruhr dazukam. Schließlich hatte ich dann vier Tage lang Schluckauf. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr besorgt.

Ein Ebola-Patient wird behandelt. Foto: Simusa.org

Welche Phase war dabei am schlimmsten?
Am schwierigsten für mich war die Schluckaufphase. Ich hatte auch solche Halsschmerzen, dass ich kaum etwas essen konnte. Fieber und Durchfall waren jetzt nichts Neues für mich. Natürlich hat mich das alles sehr geschwächt. Aber die Schluckaufphase hat mir richtig Angst gemacht, denn ich hatte gehört, dass viele Leute bei diesem Abschnitt der Krankheit sterben.

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Wie lange warst du insgesamt krank?
Zwei Tage unregelmäßiges Fieber, vier Tage Durchfall, drei Tage Bakterienruhr, vier Tage Schluckauf—das macht insgesamt 13 Tage. Ich wurde sehr gut ernährt und versorgt. Ich stand auch unter ständiger Beobachtung, bis ich mich besser fühlte.

Was passierte dann, als du dich besser fühltest?
Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, gaben sie mir neue Klamotten, und die Ärzte ohne Grenzen fuhren mich zurück nach Hause. Als ich aus dem Auto stieg, nahmen sie meine Hand, um den anderen Leuten zu zeigen, dass ich nicht mehr ansteckend war. Das alles diente der Abwendung einer Stigmatisierung. Einige Leute hatten Angst und das Halten meiner Hand war ein guter Beweis für meine Genesung. Sie gaben mir auch eine schriftliche Bestätigung dafür, dass ich wieder vollkommen gesund war und niemand Angst vor mir haben muss. Dann fingen auch meine Freunde damit an, mir zuzujubeln und die Hand zu geben. Dafür danke ich Gott. Ich werde jetzt manchmal auch „der Überlebende“, „Anti-Ebola-Mann“ oder „der Wiedergekehrte“ genannt.

Könntest du mir etwas mehr über die Stigmatisierung von Ebola-Überlebenden erzählen?
Als ich im Krankenhaus war, wurde meine Familie stigmatisiert. Stigmatisierung beruht auf der Angst davor, angesteckt zu werden. Als mir das klar wurde, wuchs auch mein Selbstvertrauen in der Öffentlichkeit wieder. Ich nenne dir mal ein konkretes Beispiel: Ich arbeitete jetzt zusammen mit Leuten aus Deutschland, Frankreich, den USA, England und so weiter zusammen, um das Bewusstsein für Ebola zu vergrößern. Wenn diese Leute wüssten, dass ich mit dem Ebola-Virus infiziert war, dann hätten sie auch weiterhin kein Problem damit, mit mir zu arbeiten. Deshalb ist es mir so wichtig, zusammen mit dem Roten Kreuz von Dorf zu Dorf zu gehen und gegen Diskriminierung zu kämpfen. Ich selbst bin das beste Beispiel. Ich sage zu den Leuten: „Schaut mich an. Glaubt ihr, dass diese Leute aus der ganzen Welt mit mir zusammenarbeiten würden, wenn ich noch ansteckend wäre?“ Oft bekomme ich dann als Antwort: „Wir verstehen das schon, es macht uns jedoch immer noch Angst.“ Aber die Diskriminierung von geheilten Ebola-Patienten geht zurück.

Welche Botschaft willst du mit deiner Arbeit verbreiten?
Wir sagen den Leuten, dass sie die Kontaminationskette durchbrechen müssen. Wenn jemand bei sich die Symptome bemerkt, dann muss diese Person auch so schnell wie möglich ins Krankenhaus, denn die Überlebenschance ist um 50 Prozent größer, wenn man in den ersten Phasen der Krankheit behandelt wird. Was dich und deine Kollegen betrifft, ihr dürft nicht damit aufhören, über uns zu schreiben. Ihr solltet die medizinischen Wissenschaftler weiter dazu ermutigen, an einem Gegenmittel für das Ebola-Virus zu arbeiten.

Kommen wir zu letzten Frage, Saa. Wie hat Ebola dein Leben verändert?
Seit meiner Erkrankung und meiner Heilung hat sich viel getan. Ich arbeite jetzt daran, die Leute besser auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Ich besuche jetzt andere Gemeinden und schaffe dort ein Bewusstsein für das Ebola-Virus. Wenn jetzt irgendjemand aus Guinea irgendeine Frage zu Ebola hat, dann muss sich derjenige an mich wenden. Die Leute machen das auch—wie du zum Beispiel. All das hat natürlich mein Leben verändert. Es gibt da so ein Sprichwort: Manchmal liegt das Glück im Unglück.