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Damit es die Muslime nicht tun—Hooligans bringen deutschen Terror zurück auf die Straße

Tausende „Hooligans gegen Salafisten" haben ihrem Hass in Köln freien Lauf gelassen: gegen Polizisten, Schaufenster und uns.

Falls ihr euch lieber bewegte Bilder anschaut, könnt ihr das hier tun.

„Nochmal: Schön den Ball flachhalten!“, ruft Hannes Ostendorf der jubelnden Menge zu. „Wir marschieren heute friedlich! Lasst euch nicht provozieren!“ Nach einer kurzen Pause fügt der Sänger der Band Kategorie C dann noch hinzu: „Aber lasst euch auch nicht alles gefallen!“

Das taten die rund 5.000 Hooligans, Rechtsextreme und Mitläufer dann auch nicht. Kaum eine halbe Stunde später hatte sich ihre Demo schon in eine Straßenschlacht mit der Polizei verwandelt, bei der die Hooligans alles angriffen, was ihnen vor die Bierflasche kam: Schaufenster, Autos, Polizisten und Journalisten. Die Polizei reagierte mit massivem Wasserwerfer-, Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz, so dass das Kölner Kunibertviertel zeitweise aussah wie der Taksim-Platz zu Gezi-Zeiten—nur dass man hier statt für Freiheit für Islamhass und den „Nationalen Widerstand“ kämpfte.

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Hannes Ostendorf macht müde Männer mit Hetzparolen munter.

Die Veranstalter hatten im Vorfeld immer wieder betont, dass es sich um keine „rechte“ oder rassistische Demo handle (einer der Organisatoren erklärte mir stolz, man habe sogar einen „Neger“ dabei). Tatsächlich war von Rassismus und rechter Symbolik nichts zu sehen—wenn man von den zahlreichen Hitlergrüßen absah; wenn man ignorierte, dass immer wieder „Frei! Sozial! National!“ und „Hier marschiert der Nationale Widerstand“ skandiert wurde; wenn man die zahllosen Thor-Steinar-Hoodies und „Good Night Left Side“-Aufnäher übersah; und wenn man es schließlich schaffte, aus der Zeile „Heute schächten sie Schafe und Rinder / Morgen vielleicht schon Christenkinder“ aus dem offiziellen „Hooligans gegen Salafismus“-Lied von Kategorie C keinen krassen Islamhass herauszuhören. Und natürlich war auch dann nichts „irgendwie Rechtes“ damit gemeint, wenn ein Pärchen aus Leverkusen mit selbst entworfenen T-Shirts ankam, auf denen „Auschwitz University — Est. 1941“ stand.

Kann man rechts gerade so erkennen: das Auschwitz-University-T-Shirt. Nur echt, wenn man dazu „Ich habe nix gegen Juden“ sagt.

Trotzdem waren am Sonntag auch wirklich viele Menschen gekommen, die sich nicht unbedingt rechts einordnen würden—die sich aber von „Salafisten“ so bedroht fühlen, dass es ihnen egal ist, dass ihre Demo von Rechten organisiert, angemeldet und durchgeführt wurde. Dabei hilft natürlich, dass Islamophobie in Deutschland genauso verbreitet ist wie Döner. „Wir sind halt hier, damit die mal wissen, wann Schluss ist, diese Ausländer“, erklärte mir Andy, ein kuttentragender Fußballfan aus Leverkusen. „Wir haben ja auch langsam genug von denen hier!“

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Im Grunde war die Rechnung der Veranstalter also voll aufgegangen: Die Hools waren gekommen. Allerdings waren viel mehr von ihnen gekommen, als irgendjemand erwartet hatte. Die Größe und Gewalttätigkeit der Demo waren eine absolute Überraschung für alle Beteiligten. Zwar hatten sich auf Facebook über 7.000 Teilnehmer angesagt, trotzdem hatten sowohl Veranstalter als auch die Polizei nicht damit gerechnet, dass mehr als 2.000 wirklich auftauchen würden. Tatsächlich kamen Hooligangruppen aus ganz Westdeutschland: Düsseldorf, Duisburg, Pforzheim, Leverkusen, Hamburg, Mönchengladbach, Frankfurt, Bremen und viele mehr—sogar aus Holland, Belgien und Italien sollen Gruppen angereist sein. Dazu gesellten sich noch politisch interessierte Mitläufer wie die „Identitären“, und schließlich offen Rechtsextreme aus ganz Nordrhein-Westfalen.

Schon Stunden vor Beginn der Demonstration hatten sich Hunderte Hooligans in Trupps eingefunden, die sich aber nicht auf das offizielle Demoareal begeben wollten—weil man da kein Bier trinken durfte. Als es dann so viele geworden waren, dass die Polizei das nicht mehr kontrollieren konnte, ging die Druckbetankung auch auf dem Platz weiter. Die Menge schrie sich mit „Wir wollen keine Salafistenschweine!“ und „Deutschlaaaaand!“-Chören immer weiter in Rage, am laufenden Band explodierten Böller, was mit Jubelrufen aufgenommen wurde.

Schon sehr bald nach dem Start wurde klar, dass die Veranstalter keine Chance hatten, den Mob zu kontrollieren. Die Demo zog sich wie ein riesiger, von Alkohol und Deutschland betrunkener Lindwurm durch Kölns Straßen. An den Rändern franste sie in Dutzende von grölenden Kleingruppen, umherstolpernden Alkoholleichen und organisierten jugendlichen Kampftruppen aus, die versuchten, die Polizei zu umlaufen und irgendetwas—vorzugsweise Journalisten—kaputt zu schlagen. Mit einer Kamera konnte man es schon auf dem Kundgebungsplatz nicht mehr wagen, sich in den Pulk der „Lügenpresse“ grölenden Männer zu begeben, nach dem Start der Demo musste man noch mehr aufpassen, dass man nicht von Nackenschlägen, Flaschenwürfen oder Stiefelkappen getroffen wurde.

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Die Polizei hatte die Demo zwar schon früh offiziell wegen Unfriedlichkeit aufgelöst, musste die Idee aber schnell wieder aufgeben. Schließlich war man nur noch bemüht, die Menschen schnellstmöglich ihre Runde vollenden zu lassen. Auf dem Startplatz warfen die Demonstranten noch einen Polizeiwagen um. Als es dann zu lange dauerte, bis alle Teilnehmer das Gelände verlassen konnte, rastete die Menge noch einmal aus, versuchte, die Bahnhofstüren einzuschmeißen und musste erneut mit Wasserwerfern und Pfefferspray zurückgedrängt und eingekesselt werden. Noch bis spät in die Nacht zogen vereinzelte Trupps von durchnässten, alkoholisierten und aggressiven Hooligans durch die Innenstadt oder terrorisierten Fahrgäste in den Zügen auf dem Heimweg.

Die Hooligans haben sich also lautstark bemerkbar gemacht und ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt. Wofür genau, bleibt allerdings unklar, denn mit Salafismus hatte der Sonntag genau so viel zu tun wie mit Fußball. Dafür umso mehr mit Hass—Hass auf alles Fremde, auf jede abweichende Meinung, Hass auf die Presse, auf die Polizei und auf die „Scheißpolitiker von den Scheißparteien“. Und schließlich ungebändigter Hass auf alle, die nicht verstehen wollen, dass man doch eigentlich der Gute ist.

Hier unser Video zum HoGeSa-Sonntag in Köln. Mit dabei: das Interview mit der Ausschwitz-T-Shirt-Trägerin, die uns erklärt, was sie sich dabei gedacht hat.