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Musik

Lasst Trap in Ruhe oder Weihnachten in Houston

Tori Amos verbietet ihren Musikern, vor der Show Crack zu rauchen. Ansonsten ist sie aber nicht sehr spießig.

Der Begriff Trap Music ist wieder einmal einer dieser Begriffe der Musikbranche, die nicht wirklich durchblicken lassen, dass sie so unterschiedliche Stilrichtung wie Lex Luger's "B.M.F" oder UGK's "One Day" vereint. Es ist also wenig überraschend, dass Trap momentan vor allem von jungen, hauptsächlich weißen Produzenten elektronischer Musik quasi gleichgesetzt wird mit schroffer Authentizität. Klickt man sich durch SoundCloud, findet man zahllose Tracks, die unter Trap beziehungsweise Trap music aufgelistet werden.

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Der Produzent Lōtic, der in Houston geboren wurde, aber hauptsächlich in Berlin arbeitet, ist davon jedoch nicht sonderlich beeindruckt. Denn die Kids, die die Sounds mit denen er aufgewachsen ist, wieder aufgreifen, gehen ihm ziemlich am Arsch vorbei. Für ihn klingen die Tracks einfach nur nach dem seelenlosen Versuch an die letzten Top-40 Street Hustler Hits heranzukommen. Er will das jetzt ein für allemal klarstellen, denn seiner Meinung nach haben die Produzenten, die behaupten vor allem von den Trap Sounds inspiriert zu werden, keine Ahnung von Trap Rap, der ja eigentlich von Mixtapes, der Auto-Kultur und dem Alleinreisen geprägt ist. Anstatt auf Twitter rumzujammern oder darauf zu warten, dass der Hype vorbeigeht, machte Lōtic jetzt sein ganz eigenes (übrigens ziemlich phänomenales) Mixtape, auf dem neben seinen eigenen Kompositionen auch alte Trap Sounds zu hören sind und mit dem er vor allem die experimentelle Tape Tradition der Originator DJ Screw honoriert.

Ich habe Lōtic zwischen zwei Shows getroffen und ihn gefragt, warum ihm so viel daran liegt, die wahre Geschichte von Städten wie H-O-U-S-T-O-N und den stillen Helden des Trap Raps zu erzählen. Hört euch seinen Mix mal an und downloadet euch exklusiv auch seinen letzten Remix von Chant's "Night After", das gerade erst bei Dutty Artz erschienen ist.

VICE: Könntest du uns vielleicht kurz auf den neuesten Stand bringen, was die Trap-Bewegung angeht? Einige haben davon ja nichts mitbekommen.

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Lōtic: Trap wird gerade wahnsinnig gehyped. Typisch für diese Musik sind zum Beispiel klare Snares und gechoppte Vocals, die viel mit Sub-Bass arbeiten. Zum Beispiel Juicy J oder Waka Flocka Flame, man muss nur einmal an ihre künstlerische Reichweite denken und wie einfach es heutzutage ist solche Künstler nachzuahmen.

Was stört dich denn besonders an diesem Hype?

Diese Bewegung ist irgendwie einfach nur aus dem Kontext gerissen. Trap gibt es schon ziemlich lange, dementsprechend gibt es auch wahnsinnig viele verschiedene Sounds und Ideen. Die Leute gehen aber immer nur ein paar Jahre zurück, wenn sie sich die nötige "Inspiration" holen. Das sind also eindeutig eher Copy Cats als wirkliche Fans. Viel davon läuft über SoundCloud und über Produzenten, die behaupten, ihre Inspiration käme hauptsächlich vom Southern Rap, in Wahrheit dann aber unter ihren "Einflüssen" nur Leute wie Lex Luger aufzählen. Natürlich ist das jetzt nicht vollkommen falsch, schließlich haben Leute wie Lex Luger tatsächlich einiges zum heutigen Trap Sound und seiner Popularität beigetragen. Aber es steckt eben einfach einiges mehr hinter dieser Musik und ihrer Geschichte. Viel von dem, was sich manche Leute zuschreiben, haben wir eigentlich Texas zu verdanken.


Wieso hast du ausgerechnet mit einem eigenen Mixtape reagiert? Und was hat dein Mixtape jetzt mit der ganzen Kassetten/Auto-Kultur und dem Südstaaten-Netzwerk von Produktion und Distribution zu tun? Welche Rolle spielt Houston in alledem?

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Mein Mixtape war wohl meine ganz eigene Art mit dem Frust umzugehen. DJing ist schließlich Teil von dem was ich tue. Ich konnte so an die Musik einer längst vergessenen und vor allem übersehenen Zeit anknüpfen - zum einen was die Musikindustrie angeht, aber auch was meinen persönlichen Werdegang angeht. Ich wollte mich damit eingehender beschäftigen und die Musik nicht einfach nur an SoundCloud anpassen oder sie irgendeinem trendiges Label anpassen. Daher kommt auch der akusmatische Teil meines Tapes. Ich wollte der Musik neues Leben einhauchen, aber eben auf respektvolle und einzigartige Weise. Viele der Künstler, die ich gefeatured habe, sind schon gestorben. Ich wollte sie damit würdigen, denn schließlich hat das so noch keiner vor mir getan. Das Mixtape nimmt vor allem Bezug auf die Screw-Tape-Kultur und auf das Lebensgefühl, von der Golfküste zu kommen. Das sind eben die Dinge, an die ich mich erinnere. Die Musik war ursprünglich zum "sippin', swanin' und bangin'" gedacht und ist dementsprechend langsam (das wird übrigens als 'screwed' bezeichnet). Es waren die 90er, also war eigentlich alles auf Kassette; diese Tapes waren nur wieder eine neue Art Geld zu machen.Die Leute scheinen DJ Screw ja zu kennen, aber ich habe noch niemanden gesehen, der sich auch auf die lokalen Künstler bezieht, die er auf seinen Tapes hätte. Lil' Keks, Fat Pat und alle anderen von DJ Screw's Screwed Up Click haben dort gewohnt, Houston hatte also viel Einfluss auf den Südstaaten-Sound.

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Inwieweit ist dein Tape von diesem Sound inspiriert?

Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Ich höre diese Musik schon so lange, dass ich es selber wohl nicht mehr sagen kann. Ich mag tiefe Vokals und unermüdlichen Sub-Bass genau so, wie jeder andere. Das hat wahrscheinlich einiges damit zu tun, dass ich mit dem Südstaaten-Sound aufgewachsen bin und ständig Autos an mir vorbeigefahren sind, deren Sub-Bass alles zum wackeln gebracht haben.

Was sind deine nächsten Projekte?

Ich versuche gerade genug Material für eine EP zusammen zubekommen, aber ich lasse mir Zeit damit. Ich arbeite auch momentan an einigen Kollaborationen, die vielleicht zustande kommen, vielleicht aber auch nicht, haha. Ich experimentiere einfach nur ein wenig herum. Ich war in letzter Zeit ziemlich mit meinem Umzug beschäftigt, aber jetzt habe ich wieder genug Zeit.

Gibt es noch irgendwas, was du uns abschließend noch sagen möchtest?

Ich hoffe es ist klar geworden, dass ich nicht rumhate. Ich liebe Juicy J wie jeder andere. Ich habe aber auch einen gewissen akademischen Hintergrund, deswegen habe ich das Bedürfnis, die Leute ein wenig zu erziehen, wenn es um Musik geht. Wenn die Leute auf der Welle surfen wollen, sollten sie wenigstens ausreichend informiert sein.

Am 7.12. wird Lōtic auf unserer Weihnachtsfeier im Xpedit auflegen. Eintritt gibt's keinen, dafür viel Eggnog, ein paar Flaschen Wodka und viel besinnliche Musik. Es wird ziemlich gut werden und neben unserem Mann aus Houston werden auch noch GVBBV, Spunked Out und HAM spielen.