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Pegida in Berlin: Das Volk wird von Menschen blockiert

Bundesweit formiert sich der Widerstand gegen Pegida. Die „Wir sind das Volk"-Gröhler sind in der Minderzahl.

Nach einem vergeigten Anlauf am 22.12. (bei dem fünf Demonstranten erschienen) war es Montagabend soweit, der Berliner Pegida-Ableger fand zum ersten Mal unter dem Titel „Bärgida" statt. Und zwar nicht erfolgreich.

Organisiert wurde die Demo in Berlin von Dr. Karl Schmitt, einem ehemaligen CDU-Mitglied, das nach Stationen bei „Die Freiheit" und „Pro Deutschland" gerade dabei ist, eine eigene Partei zu gründen, die „Patrioten". Im Gegensatz zur Pegida-Demo in Dresden, die zwar genauso dumpf fremdenfeindlich daherkommt und Nicht-Argumente als Argumente verkauft, gibt es in Berlin also einen direkten Zusammenhang zwischen rechten Parteien und der Demonstration.

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5000 gegen das Volk

Bernd Palenda, Chef des Berliner Verfassungsschutzes, sagt dazu: „Das, was wir hier in Berlin haben, sind vor allen Dingen durchaus auch rechtsextremistisch gesinnte Personen, die versuchen, ein Thema zu okkupieren und die Unzufriedenheit von Bürgern zu nutzen." Genau wie bei den Protesten um die Flüchtlingsunterkünfte in Marzahn-Hellersdorf versuchen hier Rechtsradikale, auf Themen aufzuspringen, die sie im Mainstream wähnen, um so Unterstützer zu gewinnen, die sich ansonsten nicht mit radikalen Parolen identifizieren würden.

Dr. Karl Schmitt spricht zum Volk.

Wenn in Dresden (trotz rechter Positionen) von einer ominösen Mitte der Gesellschaft gesprochen wird, die aus Angst auf die Straße geht, ist bei Bärgida davon wenig zu spüren. Die Demonstration setzt sich aus HoGeSa-Pullis tragenden Hooligangruppen, Funktionären der NPD-Jugendorganisation JN (unter anderem Pierre Dornbrach aus Brandenburg) und einigen eher bürgerlich wirkenden Menschen zusammen. Ein 59-jähriger Mann erzählt mir, dass er sich vom Staat nicht beachtet fühlt und Angst vor dem Islam hat. Seinen Worten nach setzen sich Flüchtlinge aus Schafhirten und Islampredigern zusammen, die nicht „unseren" Entwicklungsstand erreicht haben und damit eine Bedrohung für Kultur und Gesellschaft bilden. Eine ältere Dame, die Flyer für Pro-Deutschland verteilt, sagt, dass jede Moschee, die in Deutschland gebaut wird, eine Brutstätte für Islamismus und Kriminalität ist, und ein Mann mit grauem Zopf, dass der Paragraph zur Volksverhetzung von „uns" (vielleicht meint er die Lügenpresse) geschaffen wurde, „um alles, was ordentlich deutsch ist, in den Dreck zu ziehen."

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Das Volk

Trotz alledem sind die Leute, die hier auf die Straße gehen, „das Volk". Das wird zumindest immer wieder skandiert. Dass das Volk in Berlin aus 500 Leuten besteht und von einer Gegendemo mit 5000 Teilnehmern blockiert wird, die scheinbar nicht das Volk sind und deren Meinung der des „Volkes" offenbar diametral entgegen stehen, kümmert das Volk nicht. Weitere 750 Gegendemonstranten trafen sich am Brandenburger Tor. Diese Demo wurde von der türkischen Gemeinde in Berlin unter dem Titel „Demo gegen Pegida, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus" organisiert. In Berlin also 500 (das Volk) gegen 5750 (nicht das Volk).

Das Volk

So ähnlich sieht es auch bundesweit aus. Mit Ausnahme von Dresden, wo 18.000 (das Volk) 5000 Gegendemonstranten (nicht das Volk) gegenüberstanden, war das Volk ansonsten überall in der Minderheit. In Köln erschienen zunächst 500 Vertreter des Volkes (die Demo wurde abgebrochen), 5.000 waren dagegen. In München bestand das Volk gar nur aus 60 Mitgliedern gegenüber 1.500 Gegendemonstranten. In Stuttgart, Hamburg, Münster und Rostock gab es zwar keine Veranstaltungen des Volkes, allerdings trotzdem NoPegida-Demonstrationen mit insgesamt etwa 21.800 Teilnehmern. Zusammengenommen heißt das also, das Volk lief mit 19.060 Teilnehmern gegen 39.050, die offenbar nicht das Volk sind, ziemlich gegen die Wand.

Gegendemonstranten (nicht das Volk) beschallten das Volk mit Musik.

War der Slogan „Wir sind das Volk" '89 noch ein Ausdruck der Abgrenzung von DDR-Bürgern gegenüber einem Regime und verband eine Mehrheit von Menschen, die unzufrieden mit ihrer Regierung und Staatsform waren, ist er heute der Schlachtruf einer Minderheit. Die Abgrenzung allen anderen gegenüber, egal ob Regierung, Flüchtlingen, Nicht-Bio-Deutschen oder eben allen, die nicht die eigene Meinung vertreten. Eventuell könnte man den Slogan für nächsten Montag nochmal überdenken: „Wir sind das Volk und ihr nicht, weil ihr keine Angst habt und nicht unserer Meinung seid." Wenn das das Volk ist, dann ist es ein Arschloch.

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Alle Fotos von Grey Hutton

Grey und Stefan sind auf Twitter.

Das Volk hat Probleme mit Rechtschreibung. Siehe auch im Bild darunter.

Nicht das Volk.