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Therapiestunde mit Andreas Golder

Alle zwei bis drei Jahre unterhalten wir uns mit dem Künstler Andreas Golder. Diesmal über Tauben, das Unterbewusste und sein Verhältnis zu Schlägereien.

Alle zwei bis drei Jahre bekommen wir den unbändigen Drang, den Künstler Andreas Golder zu treffen. Ich bin mir nicht sicher, ob es an seiner unkomplizierten Art liegt oder daran, dass er sein Geld am liebsten in die nächste Kneipe trägt. Vielleicht sind es auch einfach die blutrünstigen Werke, die von Schmerz und Leid nur so strotzen und trotzdem irgendwie niedlich sind. Wenn man versuchen möchte, ihn zu verstehen, müsste man sich am besten mit seinem Psychotherapeuten unterhalten. Dummerweise hat er keinen, also hab ich ihn gestern in seinem Atelier besucht. Er war gerade damit fertig, Tauben aus seinen Räumen zu verjagen und hat mir neben dieser Inspirationsquelle für seine Werke noch einige andere interessante Dinge verraten.

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VICE: Hi Andreas, wir sind schon wieder bei dir zu Besuch, gehen wir dir nicht langsam auf die Nerven?

Andreas Golder: Zwei bis drei Jahre Abstand sind in Ordnung. Das letzte Mal habt ihr mich besucht, als ich noch dauerbetrunken war.

Ok, was ist seitdem so passiert?

Ausstellungen, drei Monate war ich in China, hab da auch ausgestellt. Dann bin ich aus meinem alten Atelier aus- und hierher nach Weissensee gezogen, aber hier sind keine Kneipen in der Nähe, zumindest keine, in die ich gehen würde.

Wie hast du dich künstlerisch entwickelt? Beim letzten Mal hast du gesagt, du würdest dich in der Kunstgeschichte nach vorne arbeiten, damals warst du gerade in der Renaissance, wo bist du jetzt?

Jetzt bin ich irgendwo bei Matisse angelangt, abstrakter Expressionismus, Fauvismus – ich bin im 20. Jahrhundert angekommen.

Die Motive gehen immer in Richtung Qualen, Schmerzen, viel Blut. Was ist los mit dir?

Ich weiß nicht, woher das kommt. Das ist meine Begeisterung für Horror und Death Metal, das ist nichts, was ich bewusst mache. Tatsächlich ist es oft so, dass man manchmal ein Bild malt und dann erst drei Jahre später kapiert, warum das damals so war. Es ist nicht so, dass ich mir bewusst was ausdenke. Vieles passiert beim Malen.

Ich kenne einen Tätowierer, der eigentlich die ganze Zeit Drogen nimmt und dabei seine bestes Entwürfe zeichnet. Oft erinnert er sich dann gar nicht mehr daran.

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So in etwa kann man sich das vorstellen. Allerdings passiert das Meiste hier nüchtern. Was das dann alles zu bedeuten hat, kann mir dann später jemand Schlaues erklären, keine Ahnung.

Ich hab gelesen, dass du letztens Pleite gewesen bist und nicht mal Geld für ein Bahnticket vom Flughafen nach Hause hattest. Was war da los?

Das war eine ganz bizarre Sache. Ich hab in einer der größten Galerien der Welt ausgestellt und da saß die A-Prominenz Londons mit am Tisch und ich komme in Berlin an, es schneit, regnet und ich hab nicht mal zwei Euro für ein scheiß S-Bahn-Ticket, obwohl die Ausstellung komplett ausverkauft war.

Du hast alles verballert?

Nee. Das Geld kommt ja teilweise erst ein halbes Jahr nach der Ausstellung. Dann haste dich völlig verausgabt und fünf Monate ausgestellt, bis sie fertig ist. In der Zeit musst du von dem Geld leben, das du von der letzten Ausstellung übrig hast. Jetzt geht es wieder, ich hab mich stabilisiert. Aber du hast Recht, damals ist viel bei den Bierbrauern gelandet. (lacht)

"Selbst im Alter mit gelungenem Spätwerk"

Zurück zur Kunst. Ich sehe jede Menge neue Werke, was ist auf diesem los?

Diese Bild hier beschreibt meine Situation im Atelier ganz gut. Ist auf jeden Fall autobiografisch. Oben links ist die scheiß Taube von heute. Es heißt sogar „Selbst im Alter mit gelungenem Spätwerk“, als alter Sack mit viel zu langem Pimmel. Die Zigaretten sind auch immer und überall, dann noch die Lampe mit Haaren, die sieht ja auch aus wie Eier. Das ist ein durchgängiges Element, wie du siehst, haben das viele Bilder hier.

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Ziemlich großer Penis—Kommentar dazu?

Wünschenswerte Vorstellung.

Ich dachte, es ist ein Selbstporträt?

Du, meiner ist ganz kurz, aber dafür richtig dünn …

"Die nackte Frau mit der Wurst"

Was passiert auf diesem Bild?

Die Dame auf dem Bild hier taucht immer wieder bei Tizian und Rubens auf. Die Olympia, Manet hat das gemalt. Und es heißt „Die nackte Frau mit der Wurst“.

Hm, soll das eine Kack- oder eine Bratwurst sein?

Wie du willst (lacht) … Ich mochte die Komposition. Die alten Meister haben sich ja bewusst an den Kompositionen der vorangegangen Künstler bedient. So geh ich auch oft vor, ich nehme etwas, das es schon gab und interpretiere das auf heutige Art und Weise. Neue Motive zu erfinden, reizt mich nicht so sehr, eher die Art und Weise, wie man es heute malen würde.

Nimmst du viel eigenes, oder von anderen?

Meistens von anderen, aber mittlerweile ist mein Lager soweit angewachsen, dass ich mich bei mir selbst bedienen kann. Ich schau dann, was ich heute daraus machen würde. Woher die einzelnen Inhalte aus meinem Inneren heraus kommen – keine Ahnung. Ich hab keinen Psychotherapeuthen.

Du bist dein eigener!

Naja, hm, nee, Therapie ist das nicht,… oder vielleicht doch. Ach keine Ahnung, bestimmt. Eigentlich mach ichs nur für Geld. (lacht)

Nächste Ausstellung

Andreas Golder - Retrospektive 2011.7 - 2011.8

Galerie Urs Meile, CH-Luzern, www.galerieursmeile.com

23. September - 05. November 2011

Fotos: Michael Hübner