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Das neue Video der Prophets of Rage ist eine fette Neunziger-Klatsche

Zwei Neunziger-Rapper und eine Neunziger-Band haben sich zusammengerauft, um dem neunzigerigsten aller Musikgenres neues Leben einzuhauchen.

​Vor ein paar Wochen, als Pokemon Go noch nicht total durch und lahm war, wurde viel über ein Neunziger-Revival geschrieben—schließlich spielte jeder wieder Pokemon, neue Harry Potter-Bände und Blink-182-Alben gingen über die Ladentheken, bald soll es ein Live-Action Remake von „Die Schöne und das Biest" geben. Das ist alles aber noch rein gar nichts gegen die neue Rap-Rock Supergruppe Prophets of Rage, die die Neunziger-Magie auf die Spitze treibt.

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Die Band besteht zum einen aus den Rappern Chuck D. (Public Enemy) und B-Real (Cypress Hill)—zum anderen aus Bassist Tim Commerford, Schlagzeuger Brad Wilk und Gitarrist Tom Morello, die allesamt gemeinsam bei Rage Against The Machine und Audioslave mitgespielt haben. Außerdem kratzt DJ Lord, der 1999 Terminator X als Public Enemys DJ ersetzt hat, für die Prophets of Rage an den Turntables.

Die Frontmänner von zwei klassischen Neunziger-Rap-Gruppen (ok, Public Enemy haben ihre besten zwei Alben in den späten Achtzigern rausgehauen, aber der Großteil ihrer Musik kam in den Neunzigern, sei jetzt still!) raufen sich also mit einer der klassischsten Neunziger-Bands zusammen, um Rap-Rock, dem wohl Neunzigerigsten Genres überhaupt, neues Leben einzuhauchen.

Das kann und sollte man ein wenig altbacken finden, aber auch nicht unbedingt schlecht. Schließlich muss keiner dieser alten Hengste irgendwem noch etwas beweisen—im Gegenteil: würden die Bandmitglieder / Legenden einfach immer weiter ihre alte Leier abspielen, würde sich sicherlich niemand daran stoßen und es gäbe gutes Geld zu verdienen. Die Prophets of Rage sind auch kein zum Scheitern verurteilter Versuch, relevant zu bleiben, weil man sich mit Rap-Rock natürlich nicht in direkter Nachbarschaft zum Zahn der Zeit ansiedelt.

Das vor wenigen Tagen gedroppte Video zu dem einfallsreich betitelten „Prophets of Rage" erfindet das Rad nicht neu, übertrifft aber locker andere Versuche der Bandmitglieder, aktuell zu bleiben. Man muss sich nur an dieses ohrenbetäubende Kollabo-Album von Cypress Hill und Rusko​ erinnern.

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Dadurch, dass Nu-Metal / Rap-Rock / Gitarrenmusik mit Rap á la Linkin Park und Limp Bizkit heute verdrängt oder bestenfalls belächelt wird, vergisst man schnell die lange musikalische Tradition, aus der dieses Sub-Genre entsprungen ist. Figuren wie Rick Rubin (der im Video einen kiurzen Gastauftritt hat), Run DMC oder natürlich die Proto-Rap-Rock-Band Body Count um Ice-T​ haben in den frühen Neunzigern die Kluft zwischen HipHop und Rock überwunden und den Grundstein für den Siegeszug von Crossover-Gruppen wie Rage Against the Machine gelegt.

Auch Chuck D ist allein schon durch „Bring the Noise"​, seinen 1991 erschienenen Track mit der Thrash-Metal-Band Anthrax, ein wichtiger Teil dieser Geschichte und dass Rage Against the Machine mit internationalen Hits wie „Killing in the Name"​ den Weg für das Rap-Rock-Revival der Neunziger und frühen Zweitausender ebnete, steht außer Zweifel—nicht umsonst macht Zack de la Rocha auch heute noch gerne mit Rappern Musik​. Selbst Cypress Hill haben dank DJ, Beat-Bastler und Rock-Fan Muggs​ ihren einzigartigen Westcoast-Stil mit verzerrten Gitarren gemischt.

Die Prophets of Rage sprühen sicher nicht vor neuen Ideen, aber sie werfen doch die Frage auf, warum Rap-Rock heutzutage nicht mehr allzu ernst genommen wird. Schließlich macht es doch Sinn, die Wut von Punk und Metal zu kanalisieren und sie mit Rap und der darin vorhandenen Möglichkeit, Zusammenhänge ausführlich und differenziert zu erklären, zu mischen. Für ihr erstes Video spielte die Band Konzerte in einem Gefängnis, in L.A.s notorischem Obdachlosenviertel Skid Row und während der Proteste gegen den republikanischen Parteitag. Die durchschnittlich fünfzigjährigen Bandmitglieder werden natürlich nicht das Establishment zur Aufgabe zwingen, aber die Prophets of Rage schaffen es, authentisch und eindrucksvoll, sowohl in Form als auch Inhalt ihre Wut zu vermitteln. Und bei all der politischen Zersplitterung und Polarisierung—auf Wut kann man sich doch einigen.