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Rassismus

FIFA-Spieler regen sich auf, dass sie einen schwarzen Charakter spielen müssen

Der neue Karrieremodus von FIFA 17 hat einen schwarzen Protagonisten. Und leistet damit mehr gegen Rassismus als alle UEFA- und FIFA-Arbeitskreise zusammen.
Screenshot: Youtube

Rassismus im Fußball ist seit letzter Woche offiziell Geschichte.

Das zumindest ist die Botschaft der FIFA, die vergangenen Freitag angekündigt hat, ihre Anti-Rassismus-Taskforce einzumotten, weil ja alle nötigen Maßnahmen in die Wege geleitet worden seien. Blöd nur, dass schon am nächsten Tag bei einem schottischen Pokalspiel ein dunkelhäutiger Spieler seine eigene Auswechslung erbeten hat, nachdem er in einer Tour rassistisch beschimpft worden war.

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Da passt es perfekt, dass gestern FIFA 17 in die Läden kam. Warum? Weil es in diesem Jahr einen speziellen Karrieremodus („The Journey") gibt, bei dem man als junger Alex Hunter eine Fußballer-Laufbahn in der Premier League beginnt. Bei Alex kann man sich fast alles aussuchen, sein Team, seine Position. Nur eine Sache nicht: seine Hautfarbe. Alex ist nämlich schwarz. Und das macht viele Leute offensichtlich ziemlich sauer.

Schon vor dem Release konnte man vereinzelte Kommentare lesen, in denen sich Leute über die Hautfarbe des Charakters beschwerten. Ganz offensichtlich tun sich viele Leute damit schwer, mit einem schwarzen Protagonisten zu spielen.

Ich kann leider kein Mitleid für diese Leute aufbringen. Auch aus persönlichen Gründen. Nachdem ich meine Jugend als einziger Schwarzer auf dem Fußballplatz verbracht habe, fand ich die Idee, einen Typen zu steuern, der ein bisschen so aussieht wie ich, ziemlich spannend. Es ist ja auch nicht so, dass EA seinen Standard-Karrieremodus dafür aufgegeben hätte. Stattdessen ist „The Journey" einfach nur ein netter Bonus für all diejenigen, die Lust auf eine etwas komplexere Geschichte haben. Und nur mal so: Nur weil ich selber kein fetter italienischer Klempner bin, konnte ich als Kind trotzdem Super Mario suchten.

Wie dem auch sei: Ich war neugierig. Also habe ich mich an dem Modus ausprobiert und bin Teil des Hunter-Clans geworden. Und ich muss sagen: „The Journey" ist ziemlich gut. Übrigens hat die Geschichte nichts speziell Schwarzes an sich. Der Protagonist, gespielt von Schauspieler Adetomiwa Edun, kommt aus dem Arbeitermilieu. Seine Mutter ist schwarz, sein Vater weiß. Sein Nachbarschaftskumpel und späterer Rivale, Gareth Walker, ist weiß und scheint einen ähnlichen sozialen Hintergrund zu haben. Wenn überhaupt, könnte man argumentieren, dass Alex' Familie finanziell besser aufgestellt ist als die von Walker, schließlich ist Walker davon abhängig, dass ihn Alex' Mutter zu den Spielen und Probetrainings fährt.

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Der Handlungsstrang scheint darauf ausgelegt zu sein, bewusst rassistischen Vorfällen aus dem Weg zu gehen. Wenn es die EA-Autoren gewollt hätten, hätten sie dafür sorgen können, dass sich Alex mit rassistischen Beschimpfungen auseinandersetzen muss, so wie gerade erst im schottischen Pokal gesehen. Unter den Tweets von Fußballfans, die zwischen den Spielen eingeblendet werden, hätte man der Realität zuliebe auch ein paar rassistische Kommentare einbauen können. Ungefähr so wie Mario Balotelli im letzten Jahr über 4.000 rassistische Posts über sich ergehen lassen musste.

Solche subtilen Details wären nicht unangebracht gewesen in einem Spiel, das nach möglichst viel Realismus strebt. Der Hauptgrund dafür, dass FIFAs Einstellung der Anti-Rassismus-Taskforce so anstößig war, ist nun mal die Tatsache, dass Rassismus in der Welt des Fußballs weiterhin sehr verbreitet ist, wenn manchmal auch unterschwellig. In Großbritannien sind rund 25 Prozent aller Profispieler schwarz oder gehören einer ethnischen Minderheit an, trotzdem hat eine aktuelle Studie herausgefunden, dass von allen 552 möglichen Trainerjobs in den UK-Profiligen nur 23 an Minderheiten gegangen sind. Eine andere Untersuchung hat herausgefunden, dass schwarze Spieler am liebsten in den Sturm gestellt werden, dass man ihnen aber scheinbar nicht solche Positionen zutraut, bei denen es auf strategisches Denken ankommt. Ähnlich der Quarterback-Situation im amerikanischen Football.

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EA wird uns leider keine Statistiken über die Demographie der mehr als 100 Millionen Menschen präsentieren, die sich seit Beginn der Spieleserie ein FIFA-Exemplar zugelegt haben. Doch man kann wohl davon ausgehen, dass die Gamer ähnlich bunt gemischt sein werden wie die Zuschauer der Premier League, deren weltweiten Zugriffszahlen in die Milliarden gehen.

Die Story von „The Journey" bedient Themen, zu denen man leicht eine Beziehung herstellen kann. Familie, Freundschaft, Verrat. Aber wenn das Ziel war, das Spiel so nachempfindbar wie möglich zu machen, warum können sich die Leute dann nicht aussuchen, wie ihr Charakter aussehen soll?

Genau diese Frage habe ich auch Matthew Prior gestellt, den Creative Director von EA Sports.

„Wir haben auch die Idee in Betracht gezogen, die Gamer ihren Charakter aussuchen zu lassen", erzählte mir Matthew. „Doch es gibt eine Reihe von Gründen, warum wir uns dagegen entschieden haben. Wir haben die Story dahinter sehr ernst genommen. Wir wollten so umfassend wie möglich sein. Wenn man aber den Namen ändern kann, können die Spielkommentatoren nicht mehr über dich sprechen, sodass der Dialog zu generisch wird."

Als ich das Thema zur Sprache brachte, dass manche Leute über die Hautfarbe wütend waren, geriet Matthew ins Seufzen. „Ja, ich habe davon gehört", sagte er. Matthew betonte, dass es ihm wichtig war, eine gute Story zu entwickeln, die den heutigen Fußball in Großbritannien realitätsgetreu widerspiegelt. In diesem Zusammenhang passt es dann auch, dass EA für die Gestaltung seiner Geschichte mit den (schwarzen) Shooting-Stars Marcus Rashford und Dele Alli zusammengearbeitet hat. „Sobald die Leute erst einmal das Spiel gespielt haben, werden ihre Beschwerden schon zurückgehen. Es geht doch um die Story", meinte er.

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Und wenn er zugelassen hätte, dass die Leute selbst ihren Charakter kreieren können, hätte er nicht die Geschichte erzählen können, die er erzählen wollte. FIFA 17 beginnt mit einer Szene von Alex als 10-jähriges Fußball-Wunderkind, das mitbekommt, wie sich seine Eltern an der Seitenlinie streiten, und sich fragt, warum ihm sein Vater zur gewonnenen Stadtmeisterschaft nicht gratuliert. Bis dann sein Großvater, eine ehemalige Fußball-Legende, kommt und ihn aufbaut. Diese kurze Sequenz dient als Einblick in Alex' Beziehung zu seiner Familie und ist wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte.

„Wie können wir deine Eltern vorstellen, während du noch ein Kind bist, wenn du deinen eigenen Avatar erstellen kannst?", fragte Prior. „Wir nehmen das so ernst wie einen Film. Es hätte unsere Story ruiniert."

Als die FIFA ihren peinlichen Beschluss bekanntgab, gehörte der frühere Fußballprofi Paul Mortimer zu den Leuten, die sich am meisten aufgeregt haben. Als schwarzer Spieler hat er Rassismus sowohl auf als auch neben dem Platz mitbekommen. Seit seinem Karriereende 2001 hat er sich zunehmend zu einem Fußballaktivisten entwickelt. Aktuell unterstützt er die Anti-Rassismus-Arbeitsgruppe Kick It Out, die von der FIFA-Taskforce mehr Transparenz gefordert hat. Außerdem arbeitet er mit Jugendlichen zusammen, von denen viele Gamer sind.

Mortimer erzählte mir, er fand die Entscheidung von EA, auf einen schwarzen Charakter zu setzen, einen „mutigen Schritt".

Er selbst habe noch nicht das Spiel gespielt, hat er mir erzählt. „Aber ich habe mit jungen Leuten gesprochen, die es schon gespielt haben, und die haben mir von der Story erzählt." Sie hätten ihm auch von den negativen Reaktionen erzählt und er sei alles andere als überrascht gewesen. Er sagte, dass ihn die weiteren Details von „The Journey" nicht interessieren würden. Vielmehr fände er spannend, wie sich die Story in der realen Welt entwickeln würde.

„Lasst uns abwarten, wie die Leute sich erklären", meinte er. „Wenn sie sagen, dass sie nicht mit einem schwarzen Charakter spielen wollen, bin ich gespannt, wie sie das erklären werden. Dann kann man eine Menge über die Leute erfahren. Sie werden sich ihre Gedanken machen müssen. Und das verlagert die Diskussion in den öffentlichen Diskurs."

Auch wenn EA darauf verzichtet hat, die alltäglichen Probleme eines schwarzen Fußballers auch nur in Ansätzen zu berücksichtigen, ist die Entscheidung pro schwarzer Hauptcharakter immer noch um Längen besser als das, was die FIFA hinsichtlich Rassismus auszurichten vermag. Wenn der Beitrag von FIFA 17 so aussieht, dass die Erfahrungen eines schwarzen Jungen genauso wichtig und allgemein gültig sind wie die eines weißen, dann ist das schon ein ehrenwerter Anfang. Mehr kann man wohl von einer Fußballsimulation nicht erwarten.

Der Artikel erschien ursprünglich auf VICE News.