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E-Learning-Pionier Donald Clark möchte Oculus Rift in jeden Klassenraum bringen

Wir haben uns auf der re:publica erklären lassen, wie Virtual-Reality-Brillen Schülern die Freude am Lernen zurückgeben sollen.
Kinder lieben Oculus Rift, auch die die nicht an Donald Clarks Workshops teilnehmen. Bild: Wikimedia | CC BY 3.0

Douglas Adams hat einmal treffend gesagt: Alles was bei unserer Geburt schon existiert ist normal. Vor unserem 30. Geburtstag ist jede Erfindung wahnsinnig spannend. Und alle Neuheiten danach widersprechen den Naturgesetzen und läuten das Ende der Zivilisation ein.

Lehrer und Eltern über 30 dürften also nicht besonders angetan sein von dem neuen Plan die virtuelle Realität in alle Klassenräume zu bringen. Donald Clark ist dies relativ egal. Der E-Learning-Pionier setzt mit seiner University of the Industry (UFI) schon heute Oculus Rift in der Ausbildung von Altenpflegern ein. Jetzt will er die Vorteile der 3D-Brillen von Oculus Rift auf das System Schule übertragen.

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Es geht um Präsenz, das absolute Gefühl in der dargestellten Welt zu sein.

In seinem Vortrag auf der re:publica in Berlin betonte Clark, dass Veränderungen in der Pädagogik heute nicht von Lehrern oder Lerninstitutionen ausgehen sondern von Technologien. Der Kauf von Oculus Rift durch den Weltstrukturierer Mark Zuckerberg verdeutlicht diese These mit Nachdruck: „Wir werden aus Oculus Rift eine Bühne für viele Erfahrungen schaffen. Stellt euch eine Schulklasse vor mit Schülern und Lehrern an verschiedensten Orten der Welt" schrieb Zuckerberg vor ein paar Tagen.

Wie eine Lehreinheit für Schüler aussehen könnte stellt Clark in einer Reihe von Videos auf der Seite der UFI vor. Hier seht ihr eine Session bei der Schüler um die internationale Raumstation herumschweben können, um das Prinzip von Masseträgheit und von Drehkräften zu verstehen.

Innenansicht einer Oculus-Rift Simulation die Schülern die Prinzipien der Massenträgheit und Drehkräfte im Physikunterricht beibringen soll.

Vor dem Hintergrund meiner eigenen leidigen Erfahrungen mit unserem schematischen pädagogischen System habe ich mir die Vision von Clark nur allzu gerne persönlich erklären lassen: „Es geht um Präsenz, das absolute Gefühl in der dargestellten Welt zu sein."

Von der Echtheit der Oculus-Welten konnten sich inzwischen bereits virtuelle Sexliebhaber, norwegische Soldaten und Teilzeit-Transsexuelle überzeugen. Die Grundlage für effektives Lernen entsteht dadurch, dass wir etwas mit unserer eigenen Aktivität erleben. Erst wenn wir es in eigenen Worten wiedergegeben haben, wird es auch in unserer Erinnerung verankert sein:

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„Du musst aufmerksam sein, um etwas zu lernen und in der normalen Schule oder Uni sind die Leute total abgelenkt, vom anderen Geschlecht, vom Smartphone, vom Tagträumen. Wenn du die Oculus Rift aufsetzt, dann fokussierst du dein Hirn auf das Lernen. Wir haben inzwischen eine 120-jährige Forschung dazu, dass Lernen Aktivität erfordert—anstatt nur passiv vor sich hinzumuffeln."

Auf meine Frage hin ob Simulationen denn einen vergleichbaren Lerneffekt haben, wie ein Lehrbuch verwies Clark auf das Beispiel der Flugsimulatoren: „Dieser 50 Jahre andauernde Testfall zeigt uns, dass Piloten das komplexe Wissen, das zum Fliegen eines Jets nötig ist auf diese Weise sehr effizient lernen können. Psychologen wie Thorndike haben gezeigt, dass der Wissenstransfer von einer künstlichen in eine reale Situation funktioniert."

Um diesen Effekt zu verdeutlichen verweist Clark auf die Übungssimulationen in der Ausbildung von Gasinstallateuren. Die Simulation konfrontiert den angehenden Handwerker mit unvorhergesehenen Ereignissen (wie es der Fall des Gewitters für den Piloten ist) an denen er sein erlerntes Wissen testen muss.

Oculus Rift wird bereits für die Ausbildung von Boiler-Installateuren genutzt.

„Der große Vorteil beim Lernen mit Oculus Rift ist, dass auf diese Weise sowohl unser Reptilienhirn (zuständig für die Aktivierung unserer Aufmerksamkeit) als auch simultan unsere höheren Zentren für abstraktes Denken aktiv sind", fügt Clark hinzu. „So wird episodisches Wissen, also Wissen aus erlebten Situationen sehr gut in Faktenwissen übersetzt. So arbeiten auch Erinnerungskünstler!"

Wissen sei bei jedem Menschen ein individuelles Netzwerk aus Wissensknoten. Deshalb müsse Lernen auch personalisiert werden. Künstliche Intelligenzen sollen Schülern deshalb in Zukunft personalisiertes Feedback geben und nächste Lernschritte vorschlagen. Aber auch da hört die Lehrinnovation nicht auf. Lernen soll „napsterisiert" werden: dezentral, demokratisiert, peer-to-peer.

Vielleicht findet der Schulanfang 2050 ja schon in der virtuellen Realität statt.