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Forscher schalten in Greifswald den weltweit größten Fusionsreaktor ein

Der Wendelstein 7-X wird nach über einer Million Montagestunden heute in Greifswald in Betrieb genommen und könnte die Zukunft der regenerativen Energiegewinnung einläuten.
Bick in die Montagehalle. Bild: MPP Greifswald

Eine Million Montagestunden. 19 Jahre Konstruktion. Sogar der lästige Papierkram ist endlich erledigt.
In Greifswald werden Physiker und Presse kollektiv die Luft anhalten, wenn heute zwischen 13:00 und 13:45 Uhr eine der wohl kompliziertesten Maschinen der Welt endlich angeschaltet wird. An diesem ersten Experimentiertag wird sich der Stellerator Wendelstein 7-X am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik beweisen müssen—wenn auch nur für 100 Millisekunden.

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Es wird zugegebenermaßen ein kurzes, aber deswegen nicht minder spektakuläres Ereignis: Die 500 Mitarbeiter der Forschungsanlage versuchen, die Energiegewinnung zu imitieren, die unsere Sonne scheinen lässt und eine kontrollierte Kernfusion erzeugen. Bisher haben Menschen solche Fusionen nur unkontrolliert herbeiführen können: in Form einer Wasserstoffbombe.

Höllenmaschine oder Kraftwerk der Zukunft: Physiker wollen Wendelstein 7-X hochfahren

Um das zu tun, wollen die Forscher ein 100 Million Grad heißes Gemisch aus Elektronen und Atomkernen in einem Vakuumring aus 425 Tonnen Material supraleitender Magneten erzeugen. Die Magneten wurden die in 50 speziell geformten Spulen verbaut und auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt (-273 Grad Celsius). Die verdrillten Magnetfelder sollen das Plasma stabil in der Schwebe halten und ein Heliumplasma erzeugen.

Teil des Plasmagefäßes von Wendelstein 7-X während der Fertigung. Bild: IPP, Wolfgang Filser

Zur flächendeckenden Stromversorgung ist der Wendelstein 7-X zwar mit 16 Meter Durchmesser zwar immer noch zu klein, doch im Gegenteil zu den bereits in Betrieb genommenen, pulsweise arbeitenden Tokamaks sind Stellaratoren dank ihres speziell aufgebauten Magnetsystems für einen Dauerbetrieb geeignet. Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln, das, der Sonne ähnlich, aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen kann. Auch wenn englische Medien den Stellerator bereits als „Fusion Reactor designed in Hell" bezeichnet haben (sehr unhöflich, Greifswald ist gar nicht so schlimm!), versprechen sich die Forscher hinter den 18 Meter dicken Betonwänden nur Gutes von der weltweit größten und modernste Fusionsanlage: Im Januar 2016 soll bereits das erste Wasserstoff-Plasma überhaupt produziert werden—was wiederum den Grundstein für eine kommerzielle Fusionstechnologie legen soll.