Warum du für selbst gemachte Pralinen mal in den Baumarkt fahren solltest

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Ostern

Warum du für selbst gemachte Pralinen mal in den Baumarkt fahren solltest

Chocolatier Paul A. Young zeigt uns, wie er seine zartschmelzenden Schokoeier mit Karamellfüllung macht – mit ein wenig Hilfe aus dem Baumarkt.

Als ich die Wohnung von Meister-Chocolatier Paul A. Young in East London besuche, habe ich das Gefühl, in Willy Wonkas Schokoladenfabrik einzutreten. Die offene Balkontür am Ende der Küche sorgt für einen leichten Wind, der den Geruch von frisch geschmolzener Schokolade durch den ganzen Raum trägt. Auf einer Seite stehen Regale mit Zuckerdosen, Gewürzgläsern und Behältern mit Kuvertürestückchen. Auf der anderen Seite steht eine beneidenswerte Sammlung an Küchenutensilien: irdene Schüsseln, alte Kuchenformen, Retro-Küchenwaagen sowie Töpfe und Pfannen in allen erdenklichen Größen.

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„Meine Mutter kauft immer wieder Sachen und gibt sie dann mir. Mittlerweile habe ich eine Regel eingeführt: Jedes Mal, wenn ich etwas Neues kaufe, muss etwas anderes dafür verschwinden", meint Paul lachend, während ich seine Chocolatier-Utensilien bestaune. Sein Dackel Billi bellt zustimmend.

In der Küche von Chocolatier Paul A. Young findet sich eine kleine Sammlung von Vintagedosen. Alle Fotos von der Autorin

Tipps zur besseren Selbstbeherrschung sind jedoch nicht das, weswegen ich hier bin. Ostern steht vor der Tür und ich will lernen, wie man Schokoeier wie ein Pro macht. Wer könnte da besser geeignet sein als Paul? Immerhin hat der erprobte Koche mittlerweile elf Jahren Erfahrung in der Pralinen- und Trüffelherstellung.

„Wir benutzen keine Stabilisatoren, Aromen oder Extrakte. Wenn wir das echte Obst bzw. Gewürz nicht benutzen können, dann streichen wir es. Meiner Meinung nach ist es am besten, mit den echten Früchten und Gewürzen zu arbeiten", erklärt Paul. „Genauso wie in einem Restaurant oder einer Patisserie machen wir jeden Tag frische Schokolade. Und diese Frische schmeckt man auch."

Wer Schokoeier zu Hause machen möchte, sollte es außerdem so machen wie Paul, „anstatt zu versuchen, die haltbaren Pralinen aus dem Handel nachzumachen, denn Dinge wie Invertzuckersirup, Geschmacksstoffe und Stabilisatoren sind offensichtlich schwer zu kaufen."

Heute zeigt er mir, wie er seine berühmten Schokoeier mit einer Füllung aus gesalzener Karamellcreme macht.

Chocolatier Paul temperiert die Schokolade für seine Schokoeier mit Karamellfüllung

Zuerst gießt er die geschmolzene Schokolade auf einen Marmorblock, ein bisschen was lässt er noch in der Schüssel. Der berauschende süße Schokoladenduft wird noch stärker und ich muss mich echt zurückhalten, nicht meinen Finger in das glänzende geschmolzene Zeug zu stecken und zu naschen. Also frage ich Paul lieber, welche Schokolade er benutzt.

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„Eine 64%-ige aus Madagaskar, die passt sehr gut zu salzigem Karamell. Wenn man die Pralinen verschenken will, sollte man sich für hochwertige Schokolade entscheiden – also Schokolade, bei der man weißt, woher der Kakao kommt, die einen höheren Kakaogehalt hat und natürliche Zutaten (kein pflanzliches Fett oder künstliche Aromen)", erklärt er mir. „Aber ich sage auch oft: Nehmt einfach die Schokolade, die euch gefällt. Auch mit Supermarktschokolade klappt es, das Ergebnis sieht nur etwas anders aus."

Einfache Schokolade aus dem Supermarkt?

„Ja, ich esse die immer noch gut einmal die Woche. Ich hasse es, wenn Kollegen da zu Snobs werden oder herablassend", meint Paul. „Erstens: Wenn wir alle keine Supermarktschokolade mehr essen würden, würden Hunderttausende Menschen weltweit keine Arbeit mehr haben. Und irgendwie hat es doch auch etwas Nostalgisches an sich. Bestimmte Marken erinnern mich einfach an Ostern, weil ich die als Kind gegessen habe. Ich denke, wem es gefällt, der sollte auch nicht damit aufhören."

„Für einige Kunden, die schon vor elf Jahren bei mir gekauft haben, sind bestimmte Produkte von mir irgendwie nostalgisch. Einer meiner Kollegen kam schon als 8-Jähriger zu mir ins Geschäft, jetzt ist er 19 und arbeitet bei mir. Er kam immer mit seiner Familie und hat sich etwas von seinem Taschengeld gekauft. Für ihn ist mein Laden eine nostalgische Erfahrung, für andere sind es eben Schokomarken aus dem Supermarkt. Das ist doch vollkommen egal. Also ich bin da nicht snobistisch, auch nicht als Chocolatier."

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Zeit, die Schokolade zu temperieren. Dafür muss die geschmolzene Schokolade vorsichtig erwärmt und wieder abgekühlt werden, bis eine bestimmte Temperatur erreicht ist. Dadurch bekommt sie später, wenn sie erstarrt, einen schönen Glanz und einen guten Bruch. Macht man das nicht, kristallisieren die Fettsäuren der Kakaobutter zu schnell, die Schokolade wird matt und körnig.

„Wenn man die Schokolade auf dem Marmor verteilt, kann sie gut abkühlen", erklärt Paul. „Dann schiebt man sie wieder zurück in die Mitte und verstreicht sie anschließend wieder auf der Fläche, bis sie etwas eindickt. Die so abgekühlte Schokolade füllt mann zurück in die Schüssel mit der übrigen warmen Schokolade, damit die gesamte Masse gleichmäßig abkühlt."

„Und wenn du die Schokolade wieder erwärmen musst, benutz einfach einen Fön. Ich nehme ein Heißluftgebläse, damit entfernt man eigentlich Tapete."

Bitte was?

„Ja! Wirklich!", meint er lachend. Er hält den gelben Spachtel hoch, mit dem er die geschmolzene Schokolade auf dem Marmorblock verteilt hat: „Das hier sind richtige Chocolatier-Werkzeuge, aber man kann auch einen Malerspachtel nehmen, Hauptsache es ist kein Putz oder so dran", meint er. „Und einen Marmorblock, den kann man auch in jedem Baumarkt kaufen."

Mit einem Heißluftgebläse erwärmt Paul die Schokolade wieder

Wer hätte gedacht, dass das einzige, was zwischen mir und meiner Karriere als Hobby-Chocolatière steht, ein Besuch im Baumarkt ist?

Bevor er die Förmchen mit der temperierten Schokolade füllt, gibt Paul noch etwas essbares Blattgold hinein. Nach ein paar Minuten sind die Ränder fest, er schüttet die restliche Schokolade ab. Das werden die Eierschalen.

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Während die Schokohohlkörper im Kühlschrank fest werden, macht Paul die gesalzene Karamellcreme: Dafür erwärmt er Sahne, Butter, Vollmilchschokolade, hellen und dunklen Muscovadozucker.

Die Form wird mit Schokolade gefüllt

Mich interessiert, inwiefern sich die Schokoladenbranche in den elf Jahren, seitdem er angefangen hat, verändert hat.

„Vor mir hat keiner mit gesalzener Karamellcreme gearbeitet. Mittlerweile benutze ich mehr Salz als zu meiner Zeit als Koch", erzählt er. „Damals hat auch niemand solche Schokoeier wie wir gemacht oder sie so dekoriert wie wir."

Er meint weiter: „Die größeren Supermarktketten haben mittlerweile sehr innovative Designs bei den Schokoeiern, die werden von Maschinen hergestellt und die haben eine unglaubliche Entwicklung gemacht. Wir machen Tausende Schokoeier von Hand. Dafür arbeiten wir ab dem 2. Januar vier Monate durch – und machen nebenbei noch unsere anderen Produkte. Wir haben uns schon für Ideen für nächstes Ostern zusammengesetzt."

Die Eierhälften werden mit Karamell gefüllt

Manchmal hat bestimmt auch er die Schnauze voll von Schokolade?

„Es gibt so Zeiten, gerade um Weihnachten herum, wo wir einfach zu viel Schokolade machen, die ganze Küche ist ein Saustall, man selbst klebt überall und denkt sich nur Ich will nie wieder Schokolade probieren. Aber am nächsten Tag will man wieder mehr. Das liegt an den chemischen Stoffen, die die Schokolade versprüht."

Die Schokoeier sind mittlerweile fast fertig. Die festen Schokohälften kommen aus dem Kühlschrank, werden mit Karamell gefüllt und dann mit geschmolzener Schokolade zusammengeklebt. Als Finish gibt es noch mehr Glitzerstaub.

Pauls berühmte Oster-Schokoeier

„Die gefüllt Schokoeier anders zu dekorieren und ein bisschen neu zu denken finde ich vollkommen OK, was meiner Meinung nach nicht geht, ist die Form zu verändern. Also wenn jemand Oster-Schokoeier in Ananasform oder so macht. Bleibt einfach beim Ei", meint Paul. „Die Füllung ist schön und gut, aber es gibt nichts Besseres auf dieser Welt als die Eiform – an allen Seiten gewölbt und ein echtes Wunder der Natur."

Paul stellt eines der fertigen Schokoeier in einen Eierbecher. Für mich ist das auch ein Wunder der Natur.