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Interview

„Ohne harte Arbeit geht gar nichts. Je früher man das versteht, desto besser."

Jérôme Boateng ist der derzeit wohl beste Abwehrspieler der Welt. Nicht viele hatten ihm diese Entwicklung zugetraut. VICE Sports traf ihn in München und sprach mit ihm über Geduld und seine vermeintliche Arroganz.
Foto: Nike/Paul Ripke

Sein Teamkollege Javi Martinez bezeichnete Jérôme Boateng neulich als besten Abwehrspieler der Welt. Auch wenn man solche Superlative von Mannschaftskameraden mit Vorsicht genießen sollte, kann man nur schlecht gegen den Spanier argumentieren. Im WM-Finale war Boateng der bester Spieler auf dem Platz und auch heute ist er die große Konstante bei den Bayern und in der Nationalmannschaft.

Es gibt nicht viele, die ihm das zugetraut hatten. Boateng haftete der Ruf an, unkonstant und arrogant zu agieren. Mit 23 hatte er schon bei vier Profi-Vereinen gespielt und hatte seinen Platz weder im Teamgefüge noch auf den Rasen gefunden. Dass er die Anlagen hatte, wusste man, dass er einen unbändigen Ehrgeiz besaß, konnte man kaum erahnen.

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VICE Sports traf Jérôme Boateng in München bei der Vorstellung des TIEMPO VI und sprach mit ihm über Geduld, seine vermeintliche Arroganz und einen Drake-Doppelgänger aus Berlin.

VICE Sports: Ich soll dich grüßen von Amin, dem Drake-Doppelgänger aus Berlin.
*Jérôme Boateng*: (lacht) Wo ist das Foto nochmal entstanden?

Er meinte, bei Ryan Leslie im Backstage.
(lacht) Ja, stimmt! Grüß ihn mal zurück, wenn du wieder in Berlin bist.

Mach ich. Du bist jetzt bei Roc Nation Sports unter Vertrag. Hast du schon Parallelen zwischen Musikern und Fußball ausgemacht?
Was heißt Parallelen—als Musiker hast du auch einen komplett vollen Schedule und bist im Prinzip die ganze Zeit unterwegs. Gerade wenn sie auf Tour sind, dann ist das schon heftig. Vor der Albumproduktion haben sie Auszeiten von 1,2 Monaten. Das haben wir halt nicht. Wir sind eigentlich fast immer unterwegs, wenn du auswärts noch Champions League spielst, bist du unter der Woche nochmal 2,3 Tage im Hotel. Das ist schon extrem. Was sonst noch ähnlich ist: Du gibst Interviews und redest über deinen Job.

Wobei ich das Gefühl habe, dass Fußballer eher von Interviews ferngehalten werden. Am Ende geht es um die Leistung auf dem Platz und nicht um die Persönlichkeit.
Klar, aber das unterschätzt man auch bei Musikern. Wenn sie auf die Bühne gehen, dann müssen sie performen, weil die Leute etwas für ihr Geld sehen wollen. Das ist in dem Job mit das Wichtigste.

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Inwieweit kann man sich denn auf sein Talent verlassen?
Na ja, ohne harte Arbeit geht gar nichts. Je früher man das versteht, desto besser.

Mein Fahrer hierhin war ein älterer Ur-Bayer, der meinte: „Der Boateng ist sensationell. Ich liebe diese Arroganz." Was könnte er gemeint haben?
Vielleicht ist das wegen meiner Art. Viele legen mir das als Arroganz aus, das ist aber überhaupt nicht so gemeint. Das soll niemanden verarschen, das ist einfach mein Laufstil und so spiele ich, seit ich jung bin.

Er hat aber auch gesagt, dass er niemals gedacht hätte, dass du so eine Entwicklung durchmachen würdest.
Du musst halt an dir arbeiten. Ich habe mir das im Training erarbeitet. Ich habe taktisch viel gemacht und am Ball zugelegt, um technisch mit beiden Füßen versiert zu sein. Im Spiel war das Wichtigste, was ich gelernt habe: ruhiger zu werden, nicht sofort zu versuchen, Fehler von anderen oder von mir auszubügeln, keine unnötigen Grätschen zu setzen. Geduld war ein Stichwort. Man kriegt mit den Jahren ein immer besseres Timing, weil du die Situationen tausendmal erlebst. Langer Ball über dich, er geht rechts vorbei, links. Irgendwann weißt du einfach, was du zu tun hast. Was mir geholfen hat, sind Konzentrationsübungen. Bei Bayern haben wir oft den Ball. In manchen Spielen werden wir nur paar Mal brenzlig gefordert und dann musst du einfach immer wach sein.

Wie schafft man das?
Das macht jeder anders. Bei mir ist es so, dass ich mit mir selbst rede, um aktiv zu bleiben.

Gab es Leute, die dir mehr Selbstbewusstsein eingeimpft und gesagt haben: Hau die Diagonalbälle ruhig raus.
Klar spreche ich zum Beispiel mit meinem großen Bruder oder meinem Vater, die mich auch kritisieren und bei denen ich weiß, dass es ehrlich ist. Wenn ich das nachvollziehen kann, dann nehme ich mir das zu Herzen. Das ist aber ein Prozess, der nicht von heute auf morgen geht.

Du bist 27 und die fetten Verteidiger-Jahre stehen dir jetzt bevor. Überlegst du dir trotzdem manchmal, was du nach der Karriere machen willst?
Natürlich musst du dir überlegen, dass du dir was für die Zukunft aufbauen musst. Man weiß nie, was passiert. Man muss versuchen, sich ein Standbein aufzubauen.

Hast du schon eine Idee?
Noch nicht so richtig. Vielleicht investiere ich in etwas, oder ich gehe in die Mode-Richtung. Es gibt genug Möglichkeiten. Das kann auch eine andere Sportart sein oder du gehst ins Management. Egal was, du musst es aber richtig machen.

Ich stelle mir das sehr schwierig vor. Du bist jetzt auf der Höhe deines Könnens, einer der besten Abwehrspieler und dann startest du was komplett Neues und bist einer von vielen.
Klar, das ist eine Herausforderung. Jeder muss für sich selbst wissen, was er kann und was er will. Dann wird das schon.