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Restaurant Confessionals

Die Tricks, mit denen uns Kellner bei der Weinbestellung ausnehmen

Die Leute wissen, dass die Weinkarte die Kunden oft überfordert: „Das ist die einfachste Masche, die es gibt."

Bis vor Kurzem habe ich jahrelang als Kellnerin und Managerin in einem sehr exklusiven, feinen Restaurant in Los Angeles gearbeitet. Dort geht man nicht hin, um zu Abend zu essen. Die Gäste sehen ihr Essen kaum an. Einfach alles dort dreht sich ums Image: Wer sieht dich, wer kommt gerade rein, wie siehst du aus und was trinkst du? Daher ist es auch extrem einfach für das Servicepersonal, den Gästen teurere Weine anzudrehen.

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Das Lokal hat eine ausufernde Weinliste von vier oder fünf Seiten, von der sich die meisten Gäste überfordert fühlen. Wenn jemand ankommt, der sich mit Wein auskennt, bestellt die Person direkt die Flasche, die sie möchte. Aber die meisten wissen nicht, was sie mit einer derart langen Liste anfangen sollen, und wollen Beschreibungen hören. Da sie vor ihren Gästen gut dastehen wollen, lassen sie sich äußerst leicht überzeugen.

Das ist die einfachste Masche, die es gibt. Die Beschreibungen, die wir den Leuten geben, die Herkunftsgeschichte des Weins—all das ist nicht unbedingt wahr, aber der Wein schmeckt den Gästen dadurch trotzdem besser.

Wir befinden uns hier in Kalifornien, weswegen die Gäste immer gerne die regionalen Weine probieren wollen, die auch nicht so viel kosten. Ich versuchte ihnen aber immer europäische Weine zu verkaufen—italienisch, französisch, spanisch—, weil die mehr kosten und ich so auch mit mehr Trinkgeld rechnen konnte. Dazu setzte ich einfach gewisse Schlüsselwörter ein, die immer ziehen, wenn man Weine beschreibt: samtig, voll, körperreich, oder rauchig, würzig, mit Schokoladen- oder Kirschnote. „Terroir" war auch ein Wort, mit dem ich oft um mich warf. Ich redete einfach über den Boden und die Erdigkeit und Schokolade und Tabak—das sind die verlockenden Wörter, weil sie irgendwie etwas Sexuelles haben, also fressen die Gäste einem solche Beschreibungen aus der Hand und glauben jedes Wort. Selbst wenn der Wein gar nicht körperreich mit Kirschnoten ist—genau das werden sie schmecken, weil sie es schmecken wollen.

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Wir hatten Weinschulungen, bei denen wir nur auf einem Ohr zuhörten. Dort erzählten sie uns Details zu den Weinen, zu ihren individuellen Herkunftsgeschichten. Irgendwas mit einem Chateau in Frankreich oder Italien. Wir erzählten dann einfach eine ausgeschmückte, romantisierte Version der Geschichte, um einen völlig anderen Wein zu verkaufen. Ich sagte oft Dinge wie: „Sie haben uns dorthin eingeladen und im Chateau auf dem Weingut übernachten lassen. Wir haben sagenhafte Weine verkostet, und die Produktion ist sehr klein—das heißt, diese Flasche ist wirklich etwas Besonderes. Daher auch der hohe Preis." Vielleicht hatte uns das fragliche Weingut sogar wirklich eingeladen, aber wir sind einfach nicht hingefahren.

Im Laufe des Abends versuchten wir, ihnen immer teurere Weine zu verkaufen, und wenn sie dafür empfänglich schienen, brachten wir den „Sommelier", was meist einfach ein anderer Kellner war.

Das ist die einfachste Masche, die es gibt. Die Beschreibungen, die wir den Leuten geben, die Herkunftsgeschichte des Weins—all das ist nicht unbedingt wahr, aber der Wein schmeckt den Gästen dadurch trotzdem besser.

Als allererstes will dein Kellner oder deine Kellnerin dir garantiert eine ganze Flasche verkaufen. Unsere günstigste Flasche kostete 64 Dollar. Gläser Wein gab es zu Preisen zwischen 15 und 25 Dollar. Wenn sie unser billigstes Glas Wein wollten, sagte ich: „Alles klar—wenn Sie allerdings beide je zwei Gläser trinken wollen, wäre es sinnvoller, wenn Sie gleich eine Flasche bestellen." Sobald sie zustimmten, drehte ich ihnen eine teurere Flasche an. Ich sagte zum Beispiel: „Ach, für nur ein paar Dollar mehr bekommen sie eine Flasche von dem hier, der ist großartig." Nehmen wir an, die Gäste wollten unbedingt eine Flasche Sauvignon Blanc. Dann sagte ich: „Wenn Sie diese Art von Wein mögen, würde ich an Ihrer Stelle definitiv den Sancerre wählen. Die Rebsorte ist dieselbe, aber dieser kommt aus Frankreich." Und die Gäste so: „Oooh, französisch." Ganz klar, hier in Kalifornien ist der Goldesel Europäer—die „alte Welt" klingt nach Kultur, Tradition und wirkt gleichzeitig exotisch. Sancerre klingt einfach nur edler als Sauvignon Blanc. Bordeaux klingt exotischer als Merlot. Zwar war ich auch wirklich der Meinung, dass der französische Sancerre besser war als der amerikanische Sauvignon Blanc, aber er war vor allem auch einfach teurer.

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Einfach alles dort dreht sich ums Image: Wer sieht dich, wer kommt gerade rein, wie siehst du aus und was trinkst du?

Meist fingen die Leute mit einem Cocktail an und wir führten sie dann zu der 100-Dollar-Flasche Wein. Im Laufe des Abends versuchten wir, ihnen immer teurere Weine zu verkaufen, und wenn sie dafür empfänglich schienen, brachten wir den „Sommelier", was meist einfach ein anderer Kellner war. Wenn sie erst einmal die teure Flasche bestellten, umsorgten und verwöhnten wir sie, damit sie ein erstklassiges Erlebnis hatten und der Wein ihnen tatsächlich auch besser schmeckte.

Manchmal tranken die Gäste sogar verkorkten Wein, ohne einen blassen Schimmer zu haben. Ich habe definitiv Wein verkauft, von dem ich wusste, dass er verkorkt war—weil ich wusste, wie scheiße unser Weinlager war. Die Gäste hätten die Weine natürlich jederzeit zurückgehen lassen können, aber meist sagten sie kein Wort. Wenn die Leute nicht genug über Wein wissen, denken sie einfach, das müsse so schmecken.

Wenn du völlig ohne Vorwissen ins Restaurant kommst, wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit über den Tisch gezogen. Vor allem vor einem Besuch in einem Restaurant der gehobenen Preisklasse würde ich mich selbst informieren. Wenn du die Namen der Weine einfach nicht kennst, wirst du dich immer auf das Servicepersonal verlassen müssen.

Aber wie vermeidet man in so einem Fall, ausgenommen zu werden? Das Wichtigste ist, dass du dich nicht aus deiner Preisklasse quatschen lässt. Außerdem solltest du wissen, welche Rebsorten dir schmecken und welche nicht. Wenn du zum Beispiel weißt, dass du Pinot Noir magst, kannst du dich zwischen günstigeren und teureren Versionen entscheiden, ohne völlig im Dunkeln zu tappen. Wenn ein Kellner oder eine Kellnerin dir etwas über einen Wein erzählt, den du nicht kennst, dann frag einfach nach, aus welcher Rebsorte er hergestellt wird.

In vielen Fällen verkauften wir den Gästen bessere Weine, wenn wir ihnen etwas Teureres andrehten. Sie waren aber gleichzeitig einfach viel teurer, als sie hätten sein müssen. Am Ende kommt sowieso alles auf den individuellen Geschmack an, aber meiner Meinung nach gibt es auch meist großartige Weine, die nicht so ins Geld gehen. Nur wird dir das im Restaurant vermutlich niemand sagen.

Aufgezeichnet von Brad Cohen.