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Gastronom

Alle haben mich gewarnt: Warum ich trotz allem ein Gastronom geworden bin

Mein Großvater bestand sogar darauf, dass so lange er lebe, niemand aus der Familie jemals wieder zurück in diese Branche geht. 2001 ist er gestorben und 2003 haben wir unser eigenes kleines Restaurant eröffnet.
David und James Ardinast. Alle Bilder: Lottermann and Fuentes.

Wieso ich in der Gastronomie gelandet bin, weiß ich nicht genau. Auch wenn ich einer Gastronomiefamilie entstamme, war es nie geplant. Es wurde nie forciert oder gewünscht. Ganz im Gegenteil sogar. Meine Familie hatte sich über die Jahre aus der Gastronomie Branche herausgearbeitet und mein Großvater bestand sogar darauf, dass so lange er lebe, niemand aus der Familie jemals wieder zurück in diese Branche gehe. Vorab kann ich schon mal sagen, dass mein Bruder und ich uns nicht wirklich dran gehalten haben. 2001 ist er gestorben und 2003 haben wir unser eigenes kleines Restaurant eröffnet und so sehr ich meinen Beruf liebe, kann ich heute sehr gut nachvollziehen, warum das damalige Familienoberhaupt diesen Entschluss gefasst hatte. Womit wir auch schon mitten im Thema sind. Gastronomie ist mein Leben. Meine Leidenschaft. Meine Hass-Liebe und ich kann nichts dagegen tun. Ich atme Gastronomie und sie fließt durch meine Adern. Gastronomie ist quasi meine Sucht! Aber woher kommt diese Abhängigkeit? Wieso fühle ich mich dem Gastgewerbe so hingezogen?

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Eigentlich kann es nur sein, dass ich mit dem Gastgebergen geboren wurde, und wer meine Eltern kennt, weiß wovon ich rede. Bei uns zu Hause war immer Trubel. Mein Vater, ursprünglich aus Israel, liebte es, Gäste um sich herum zu haben. Egal ob POC, jüdisch, muslimisch, homo, hetero oder transsexuell. Er liebte es, in großen Gruppen zu essen, zu trinken, zu feiern. Egal zu welcher Uhrzeit er Leute einlud oder mitbrachte, meine Mutter tischte immer auf und das nicht zu knapp. Bei anderen Familien gab es vielleicht Kaffee und ein Stück Kuchen, bei uns gab es zig-gängige Menüs mit allem, was das Herz begehrt von Shakshuka bis Osso Buco. Manchmal sogar mitten in der Nacht.

James Ardinast

Manchmal.

Sonntags gingen wir immer Essen, was für uns eins der Wochen-Highlights war. Es gab keine kulinarische Richtung, die nicht erkundet wurde. Scharfes Chickencurry beim Inder für 3 Mark, Haute Cuisine im Kempinski, Glutamat-Ente Süß Sauer im China-imbiss, Papaya-Salat beim Thai, grüne Soße in der Apfelweinkneipe um die Ecke. Wenn es gut war, gingen wir hin. Ich kann mich erinnern, dass schon damals viele der authentischen Küchen im Bahnhofsviertel angesiedelt waren. Es war jedes mal aufs Neue ein Abenteuer mit bewusstseinserweiternden Erlebnissen. Von klein auf konnte ich erfahren, wie man über Esskultur den besten Einblick in die Sitten und Bräuche verschiedenster Menschen und Länder erhält. Du bist was (und wie) du isst. Das war die beste Schule, um alles über Gastfreundschaft zu lernen. Erfahrungen, die mich am Ende wahrscheinlich in meine Profession geleitet haben, ohne dass es wirklich so geplant war. Da kann man wohl von Schicksal oder Bestimmung reden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das erkannt habe.

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Nach dem Abitur, 1991, bin ich zum Studieren nach Amerika, wollte BWL studieren, bin aber in der Uni für Hotel & Restaurant Management gelandet – und habe sie mit Auszeichnung absolviert. Eigentlich wollte ich in die Hotellerie, nicht in die Restaurantbranche. Zumindest bis ich erfahren habe, dass ich da trotz Studium die Uniformfraktion durchleben muss. Was mich dazu bewegt hat, Kontakter in der Werbung zu werden. Warum? Keine Ahnung! Habe mich, wie so oft im Leben, irgendwie einfach auf mein Bauchgefühl verlassen.

Nach guten 10 Jahren in der Werbung, erst auf Agentur- und dann auf Kundenseite, hatte ich das Bedürfnis, mich selbstständig zu machen. Eine Marke zu schaffen, die die verschiedenen Sinne und Bedürfnisse unserer Kunden befriedigt. Gastronomie, Musik, Architektur, Kunst, Mode. Alles vereint unter einer Marke. IMA, was auf hebräisch Mutter bedeutet, war für uns aber immer mehr als ‚nur' ein gastronomischer Betrieb. IMA ist ein kollektiv von jungen, kreativen Menschen, die neues und interessantes schaffen wollen, durch die Erfahrungen und Eindrücke, die man in der Vergangenheit gesammelt hat. IMA zitiert gerne die Vergangenheit, um dann durch eigene Interpretationen neues zu schaffen.

2003 eröffneten mein Bruder und ich unser erstes kleines Restaurant. Die IMA Multibar. Ein Konzept, dass es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Fast Food neu auszulegen. Der Burrito war unser Signature Dish. Alle Rezepte wurden mit Mütter der verschiedensten Kulturen gemeinsam kreiert, daher auch der Name IMA. Alle Speisen hausgemacht mit eigenen Namen. Keine Convenience Produkte. Junge Künstler haben ihre Arbeiten ausgestellt. DJ's legten auf und zu späterer Stunde wurde unsere kleine offene Küche zu einer Bar umfunktioniert. Viele Jahre später hätte dieses Konzept wunderbar in das Thema Street Food gepasst.

Und auch, wenn es die IMA Multibar leider nicht mehr gibt, da die Vermieter den Laden ihrem Sohn übergeben haben, nachdem der Mietvertrag ausgelaufen war, ist aus dieser kleinen Keimzelle sukzessive alles andere gewachsen.

Mein Bruder und ich führen heute die IMAWORLD mit fast 150 Mitarbeitern. Neben dem CHEZ IMA, einem orientalischem Restaurantkonzept und der IMA Unit für Hospitality Consulting und Event Management, betreiben wir noch mit weiteren Partnern das Contemporary Fine Dining Restaurant STANLEY DIAMOND sowie die Deli & Bar Konzepte MAXIE EISEN und LOUIS PRETTY (Berlin).

Alles Restaurants, die nicht bloß durch Interiorkonzepte, guten Service und originelle kulinarische Konzepte überzeugen, sondern viel mehr dadurch, dass man in jedem Laden immer ein Stück von uns erkennt und erleben kann. Man sieht, wie wir Gastronomie verstehen. Man sieht, wie wir Gastfreundlichkeit leben. Einfach so, wie wir damit groß geworden sind, als hätte man es uns in die Wiege gelegt – immer ein bisschen back to the roots.

James ist Teil der MUNCHIES Regulars, interessante Menschen, die hier ab und an lose auftreten werden. Weil sie was zu sagen haben. Dieses Mal stellt er sich ein wenig vor.