Weshalb so viele Köche Tattoos haben – und was sie bedeuten

FYI.

This story is over 5 years old.

Tattoo

Weshalb so viele Köche Tattoos haben – und was sie bedeuten

In Knives & Ink: Chefs and the Stories Behind Their Tattoos verraten Größten wie Danny Bowien oder Jamie Bissonnette, was es mit ihren Körperkunstwerken auf sich hat.

Wenn eseine Welt gibt,in der Rituale eine so große Bedeutung haben wie beim Kochen, dann die der Tattoos. Sich etwas für ewig unter die Haut stechen zu lassen ist eine Zeremonie, sowohl in physischer als auch in emotionaler Hinsicht, von der ursprünglichen Idee bis hin zum Endergebnis, oft begleitet von Schmerzen. Und genau das durchlebt ein Koch jeden Abend in der Küche.

In Knives & Ink: Chefs and the Stories Behind Their Tattoos kommen diese zwei Welten zusammen—aber nicht in Form von klischeehaften Fotos tätowierter Hipsterköche. Das haben Autor Isaac Fitzgerald und Illustratorin Wendy MacNaughtonbewusst vermieden.

Anzeige

ARTIKEL: Diese Fotos von den verbrannten Händen von Köchen sind alles andere als Food Porn

Stattdessen huldigt MacNaughton mit ihren Aquarellbildern den Tattookünstlern, während auf der gegenüberliegenden Seite Fitzgerald die Geschichten hinter den Tattoos verstehen will: von Tattoos mit tiefer Bedeutung, wie das eines Kochlehrers, der mit seinem Tattoo an einen seiner Schüler erinnern will, der Selbstmord begangen hat, bis hin zu absurden Exemplaren, wie das riesige Brusttattoo eines Kochs, der es „einfach schön" fand.In diesem Buch, das Ende letzten Jahres auf Englisch auf den Markt gekommen ist, verraten über 65 Köche—darunter Danny Bowien, Jamie Bissonnette und Dominique Crenn—, was ihre Tattoos bedeuten.

Jedes Tattoo gibt uns einen Einblick in all die Überstunden, Verbrennungen, den Schweiß und den Spaß, dazu kommen einzelne Rezepte der porträtierten Köche. Dieses Buch ist ein Tribut an die Kreativität, sowohl beim Essen als auch auf der Haut.

Ich habe mit Isaac Fitzgerald und Wendy MacNaughton gesprochen, um mehr über ihr Projekt zu erfahren.

seanthomas_image

Alle Bilder aus „Knives & Ink: Chefs and the Stories Behind Their Tattoos" von Isaac Fitzgerald und Wendy MacNaughton

MUNCHIES: Hallo ihr beiden! Das ist bereits euer zweites Buch über Tattoos. In der Einleitung, Isaac, schreibst du, dass jeder Koch, den du getroffen hast, mit Tattoos übersät war, egal ob aus einem Provinzrestaurant oder einem Michelin-Laden. Und du fragst dich, was es nur mit Köchen und Tattoos auf sich hat? Weißt du es jetzt? Isaac Fitzgerald: Ja, es gibt da so ein paar verschiedene Sachen. Köche lassen sich zum einen aus genau den gleichen Gründen wie wir alle auch tätowieren—also aus unglaublich vielen. Einige wollen mit dem Tattoo eine Erinnerung an jemanden oder eine Zeit schaffen. Einige Tattoos sind einfach nur witzig und andere Tattoos sind entstanden, weil ihre Träger ihren Beruf so sehr lieben: Man ist den ganzen Tag auf den Beinen, verbrennt sich, bekommt Narben … Schmerz ist für Köche nichts Neues, er ist ein Teil ihrer Kunst.

Anzeige

Und es sagt auch etwas über ihre Hingabe zu ihrem Job aus: Viele Köche haben auch über die „Hemdgrenze" hinaus (also auf ihren Händen oder im Nacken) Tattoos. Mit Tattoos an solchen Stellen drücken sie auch aus: „Das hier ist der einzige Job für mich. Ich will nicht in einem großen Unternehmen arbeiten, ich will mich meiner Kunst voll und ganz widmen."

Wendy MacNaughton: Es geht auch um etwas Persönliches. Es gibt ein paar Gruppen, die viele Tattoos haben: Veteranen, Gefängnisinsassen—und Köche stachen da hervor. Bei jeder dieser Gruppen gibt es bestimmte Themen und typische Motive. Bei Köchen sind das klassischerweise die einzelnen Cuts vom Schwein, eine Frau in dem Buch hat sich für einen Fisch entschieden. Wir haben also Variationen bestimmter Themen gefunden. Tattoos zeigen der Welt, wer wir sind, was wir machen und welche persönliche Geschichte wir haben.

dannybowien_image
dannybowine_text

Die Zeichnungen sind sehr persönlich und geben einen intimen Einblick in die Welt der Köche. Wie hast du sie gemacht, Wendy? Wendy MacNaughton: Die meisten, wenn nicht sogar alle Bücher oder Zeitschriften über Tattoos haben schon immer Fotografien verwendet, was absolut wunderbar ist, denn so kann man sich das Kunstwerk eines Tattookünstlers auf der Haut ansehen. Ich wollte mich jedoch mehr auf das Tattoo selbst als Kunstwerk konzentrieren, der Mensch ist nur Kontext. Die Tattookunst sollte im Vordergrund stehen. Es hat echt Spaß gemacht, die Kunstwerke so gut ich kann nachzumalen.

Anzeige

Dafür habe ich Fotos genutzt, die Isaac von den Köchen bekommen hat. Stundenlang habe ich versucht herauszufinden, wie sie ursprünglich gemacht wurden. Die Arbeit dieser Künstler verdient einen unglaublichen Respekt, das war mir vorher gar nicht so klar.

Isaac, du hattest erwähnt, dass du in deiner Kindheit nie wirklich Kochen gelernt hast, weshalb du so fasziniert von Essen und Köchen bist. Isaac Fitzgerald: Ja, wir waren arm und es ist schwer, mit nur wenig Geld Kinder großzuziehen. Bei uns zu Hause wurde nicht viel gekocht, es gab nicht viel Essen. Essen war einfach nur ein Energielieferant, man isst, um etwas tun zu können. Dafür hat man sich nicht hingesetzt oder es genossen, geschweige denn es als Kunstform betrachtet.

alisonrivera_image
alisonrivera_text

Später arbeitete ich dann in Bars und Restaurants und sah plötzlich, wie man diese Dinge macht. Das hat mich fasziniert. Leider war ich einfach nicht so gut darin, aber die Faszination bleibt. Nicht nur für das Essen, auch für die ganze Kultur drumherum: Köche, die Leute vom Service, Barkeeper, das waren aus meiner Erfahrung die offensten, nettesten und großzügigsten Menschen.

Wie sieht es mit deiner Beziehung zum Kochen aus, Wendy? Wendy MacNaughton: Bis vor Kurzem könnte man sagen, dass meine Kochkünste sich noch „entfalten" mussten [lacht]. Für mich war Knives & Ink auch eine interessante Erfahrung: Ich bewunderte die Köche für ihr Essen und wollte jetzt endlich die Geschichten dahinter erfahren.

Anzeige

Parallel dazu habe ich an einem Kochbuch gearbeitet. Und da ich immer auch gern Erfahrungen aus dem echten Leben einfließen lasse, habe ich eben viel beim Kochen zugeguckt und selbst Essen zubereitet und so mehr gelernt. Am Ende sah ich ihre Arbeit als Kunstform an, damit haben ihre Geschichten noch mal an Bedeutung gewonnen. Und ich kann mit Stolz sagen, dass ich fast alle Gerichte aus dem Buch hinbekommen würde, wenn ich mich richtig anstrenge.

dominiquecrenn_image
dominiquecrenn_text

Das lässt mich ein bisschen hoffen, bei mir ist es auch noch in der Entfaltung. Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen dem Zeichnen, dem Schreiben, Tattoos und dem Kochen? Isaac Fitzgerald: An diesem Projekt gefällt mir am meisten, wie Wendy mit ihrer Kunst andere Kunstwerke abbildet. Für mich sind ihre Kunst, die Kunst des Tätowierers und Gründe für diese Tattoos Teil eines Ganzen. Mit all diesen Dingen erzählen wir in unterschiedlicher Weise Geschichten. Und deswegen passen auch Köche so gut zu diesem Projekt. Das ist eine weitere Ebene, wie man sich selbst ausdrücken kann, nämlich durch das Kreieren von Gerichten. Die mehr als 60 Köche im Buch haben quase ihre Mini-Memoiren geschrieben.

ARTIKEL: Anti-Kater- und Party-Tipps von dem Mann, der Kurt Cobain tätowierte

OK, ich muss das natürlich fragen … Wie sieht es bei euch mit Tattoos aus? Wendy MacNaughton: Ich habe drei. Ich bin ein 90er-Jahre-Kind, mein erstes war also natürlich eine Arschvignette, ich gestehe. Das hab ich mir mit 16 stechen lassen, mit gefälschtem Ausweis. So schlimm, wie es nur geht. Eine Art Ying-Yang-Symbol … einfach verdammt lächerlich, wirklich. Es schreit förmlich „Teenager in den 90ern". Damals hat es mir echt viel bedeutet.

travismilton_image-1
travismilton_text

Isaac Fitzgerald: Ich habe haufenweise und liebe jedes einzelne. Genauso wie bei den Köchen im Buch gab es verschiedene Gründe. Einige Tattoos sind sehr persönlich, erinnern mich an Freunde, die ich verloren habe, andere sind ziemlich dumm … zum Beispiel mein Anker-Tattoo, das nur entstanden ist, weil ich damals auf einem Schiff gearbeitet habe und an Thanksgiving betrunken war.

Vielen Dank für das Gespräch.