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Umwelt

Kraftwerke töten jedes Jahr Millionen von Fischen

Jedes Jahr müssen unzählige Fische und andere Meeresbewohner dran glauben, weil sich (amerikanische) Kraftwerke weigern, auf modernere Technik umzustellen.
Photo via Flickr user josullivan59

Fisch zu kochen ist eine Wissenschaft für sich: Manch einer ist davon überzeugt, dass man Fisch scharf anbraten muss, damit die Haut schön knusprig wird. Andere hingegen schwören auf sanftes Blaukochen, mit dem Problem, dass der Geschmack manchmal ein bisschen fad ausfällt. Egal für welche Kochart du dich am Ende entscheidest, so oder so gibst du (hoffentlich) dein Bestes und genießt die Kreatur, die ihr Leben dafür geben musste, damit du satt und träge wirst. Von derselben Wertschätzung können Millionen von Lachsen, Forellen und Störe—sowie auch einige besonders gefährdete Tierarten wie Meeresschildkröten und Orcas—leider nur träumen, die in den USA jedes Jahr von Kraftwerken eingesogen werden. Dort werden sie dann im Stück gekocht oder zu Brei gemahlen und landen als Abfallprodukte wieder in den Meeren und Flüssen. Und gehen damit US-Fischern flöten.

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Jeden Tag landen in Amerika mehrere Milliarden Liter Wasser in Kraftwerken und Industrieanlagen. Dort wird das Wasser zu Dampf erhitzt, der systeminterne Turbinen antreiben und auf diese Weise Strom erzeugen soll. Doch zum Einziehen des Wassers wird so viel Druck benötigt, dass viele Fischarten und andere Tiere mitaufgesaugt werden.

„Davon betroffen sind alle großen Flüsse und Seen sowie beide Küsten", so Brett Hartl, Policy Director beim Center for Biological Diversity (CBD). „Wir haben es also mit einem sehr verbreiteten Problem zu tun."

Letzten Monat haben das CBD zusammen mit anderen Umweltschutzorganisationen Klage gegen den Fish and Wildlife Service (FWS) sowie den National Marine Fisheries Service (NMFS) eingereicht. Auslöser war deren Unterstützung einer Entscheidung der Environmental Protection Agency (EPA), der amerikanischen Umweltbehörde, die es Kraftwerken weiterhin erlaubt, bestimmte Anlagen zur Wasserentnahme zu nutzen.

„Die von der EPA zugelassenen Kühlwassersysteme töten Jahr für Jahr Milliarden Fische und Billionen kleinerer Organismen, darunter auch Exemplare von bedrohten Tierarten", lautet die Pressemitteilung der Umweltschützer. „Zu den betroffenen Arten zählen neben Meeresschildkröten und Orcas auch Störe, Lachse und Forellen."

Auch wenn man die genauen Folgen für die Fischbestände nur schwer beziffern kann, haben viele Fischer schon heute das Nachsehen. So werden laut Hartl nicht nur ausgewachsene und geschlechtsreife Fische angesaugt, sondern auch unzählige Fischeier, die so nicht mehr schlüpfen und für ein Aufstocken der Bestände sorgen können.

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„Selbst die EPA gibt zu, dass dadurch jedes Jahr bis zu zehn Milliarden Eier und Larven zerstört werden", erklärt uns Hart. „Was einem unfassbaren Produktivitätsverlust gleichkommt."

Doch nicht nur, dass sie Fische und andere Meeresbewohner töten, Kraftwerke bringen auch die Meeresumwelt aus dem Gleichgewicht—und töten dabei indirekt noch mehr Fische. Denn überschüssiges Warmwasser wird ins Meer zurückgeleitet und führt so zu einem Ansteigen der Wassertemperatur, was bei Tieren einen Hitzeschock, der in einigen Fällen sogar tödlich endet, auslösen kann. Außerdem kommt es zu Algenblüten, die Fischen den lebensnotwendigen Sauerstoff entziehen. Vor allem die Lachsbestände an der Nordpazifikküste leiden unter Temperaturveränderungen—was besonders tragisch ist, weil die Fische eh schon mit illegalen Marihuanaplantagen zu kämpfen haben.

„Diese Fische sind äußerst temperaturempfindlich, und Veränderungen wirken sich negativ auf ihre Produktivität aus", so Hartl weiter.

Aktuell sind Kraftwerke für ein Viertel des amerikanischen Wasserverbrauchs verantwortlich, „und wir reden hier auch von Wasser, das man trinken könnte", erklärt uns Hartl. Viele der Kraftwerke sind schon Jahrzehnte alt und vertrauen noch immer auf dieselben verschwenderischen offenen Einlaufsysteme. In neueren Kraftwerken kommen laut Hartl geschlossene Systeme zum Einsatz. Die hätten den Vorteil, dass das Wasser wieder abgekühlt und somit recycelt werden kann. Zwar sollen auch diese Systeme nicht gerade optimal für die Umwelt sein, den alten Systemen seien sie aber dennoch klar vorzuziehen.

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„Auch hier wird natürliches Wasser entnommen, jedoch in viel kleineren Mengen. Außerdem wird es ständig wiederverwendet", so Hartl.

Obwohl der Clean Water Act von 1972 klare Richtlinien vorsieht, um den Betrieb bei Kraftwerken zu verbessern, beschwert sich Hartl, dass die EPA dem Thema seit vielen Jahren erfolgreich aus dem Weg geht. Eigentlich wäre die Agentur angehalten, sich mit solchen Unternehmen zu beraten, deren Geschäftsbetrieb bedrohte Arten in Mitleidenschaft zieht. Doch in den letzten 40 Jahren sei, so versichert uns Hartl, in diese Richtung nichts geschehen.

„Die Aufgabe war so umfangreich und schwierig, dass man beschloss, sie erstmal aufzuschieben", meint Hartl. „Jetzt verspricht die EPA, die Anlagen in den nächsten 20 Jahren einzeln zu prüfen. Doch eine solche Herangehensweise ist sehr fraglich, weil das Problem ein zusammenhängendes ist und sich nicht so einfach auf einzelne Anlagen herunterbrechen lässt. Mit anderen Worten haben sie sich bewusst dagegen entschieden, sich der Sache ernsthaft anzunehmen."

Weder der FWS noch die EPA wollten sich übrigens zu den Vorwürfen äußern. Aber OK: Keine Antwort ist natürlich auch eine Antwort.

Oberes Foto: josullivan.59 | Flickr | CC BY 2.0