In Kalifornien taucht man nach salzigem Gold

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Seeigel

In Kalifornien taucht man nach salzigem Gold

Stephanie Mutz ist Kaliforniens einzige Seeigel-Taucherin, die wie ein Drogendealer einige der besten Restaurants in Los Angeles mit Uni versorgt. Ihr Jagdgebiet ist Santa Barbara und ihre Beute ist wegen dem schmackhaften Rogen auch als „California...

Das Essen von frisch gefangenem Seeigel-Uni (seine Hoden) direkt aus der Schale ist eines der besten Geschmackserlebnisse, die ich je machen durfte. Diesen Genuss verdanke ich Stephanie Mutz, Kaliforniens einzige Uni-Taucherin und ehemalige Meeresbiologin, die wie eine Drogenhändlerin einige der Top-Restaurants von Los Angeles mit frischem Seeigel versorgt. Der seidenartige Rogen von Santa Barbaras Seeigeln trägt den Namen „California Gold", und ich verstehe jetzt, warum. Diese wertvollen Seeigel werden von Tauchern in der Küste von Santa Barbara sorgfältig ausgewählt und an kalifornische Restaurants und Lieferanten verkauft. Manche werden sogar bis nach Japan geschickt.

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Nach einem langen Erntetag traf ich mich mit Stephanie bei ihrem Boot am Pier von Santa Barbara, wo wir uns über die Herausforderungen vom Tauchen nach Uni und der Fischerei-Gemeinschaft im Allgemeinen unterhielten. Dabei brachen wir auch ein paar ihrer frisch gefangenen Seeigel auf und saugten den Uni direkt aus der Schale. Das Zeug schmeckte so gut, dass es mir egal war, dass es sich dabei laut ihr um die Hoden der Tiere handelte.

Photo by Kevin Wise

Foto: Jason Wise

MUNCHIES: Wie bist du zum Tauchen und dem kommerziellen Fischfang gekommen? Stephanie Mutz: Ich bin in Australien zur Uni gegangen und fing an, auf Booten zu arbeiten, damit ich meine Publikationen zu Ende bringen und nach einem Job suchen konnte. So kam ich zur Fischerei-Politik und mir wurde klar, dass ich das Ganze von einer besseren Perspektive aus betrachten kann, wenn ich zu den Treffen gehe und sage, dass ich eine Fischerin bin und nicht nur für einen arbeite. Je öfter ich bei den Versammlungen dabei war, desto mehr hasste ich sie. Je öfter ich fischen ging, desto mehr liebte ich es. Jetzt fische ich mehr, gehe zu weniger Versammlungen und verliere so nicht meinen Verstand.

Du meintest, dass du beim Fischen bleibst, weil es deiner Meinung nach ein ehrlicher Weg zu Leben ist. Ich habe eine Aufgabe—die Aufgabe, die Leute mit einer Proteinquelle zu versorgen. Das ist befriedigend.

Wenn du tauchen gehst, wie findest du dann Orte, wo du viele Seeigel vermutest? Ich schau mir das Wetter an und sehe dann weiter. Ich bin mit dem Tauchen an der Küste aufgewachsen, das heißt, ich kenne mich mit dem Meeresgrund und den Riffs aus. Ich gehe auch auf Erkundungstauchgänge, um gewisse Orte zu untersuchen und sie zu markieren. Manchmal rede ich auch mit anderen Fischern und schaue, ob sie gute Vorschläge haben. Das ist aber nicht sehr zuverlässig, weil sie einen vielleicht an einen ganz anderen Ort schicken. Als letztes halte ich noch Ausschau nach felsigen Riffs und einer variierenden Topographie, da der Grund dann viele Hügel und Täler mit Seetang hat.

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Wie tauchst du, um zu den Seeigeln zu kommen? Meine Tauchtechnik nennt sich oberflächenversorgtes Tauchen, bei dem die Luft von oberhalb der Wasseroberfläche kommt. Auf meinem Boot befindet sich ein Kompressor mit Schlauch, angetrieben von einem Fünf-PS-starken Honda-Motor. Das ist im Grunde mein „Tank". Theoretisch gesehen ist mein Luftvorrat unendlich—bis das Benzin alle ist. Wenn ich mich auf einem langen Tauchgang befinde, dann bräuchte ich zwei oder drei Tage, um den Treibstoff zu verbrauchen.

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Foto: Jason Wise

Wow. Wie viel Uni kriegst du an einem guten Tag zusammen? 90 Kilogramm sind der Durchschnitt, aber jeder Tag ist anders. Ich glaube, deswegen ist mein hyperaktives Ich so begeistert—du bist immer auf Draht. Ich benutze mein Hirn jetzt viel mehr als auf der Uni, weil du immer einen Schritt weiter denken und dich vorbereiten musst. Ich ganz besonders, denn ich bin relativ neu im Geschäft. Ich lasse so langsam den Anfänger-Status hinter mir. Das Durchschnittsalter der Seeigel-Taucher liegt bei ungefähr 66 Jahren mit 30 bis 40 Jahren Taucherfahrung.

Abgefahren. Fangen jetzt viele junge Leute mit dem Tauchen an? Ja, sie fangen jetzt an. Ich glaube, dass das auch viel mit der Wirtschaft zusammen hängt—dass sie damals zusammenbrach war ein Grund dafür, dass ich mich nur noch auf das Fischen konzentrierte. Ich wurde entlassen, bin ganz verrückt geworden und sagte dann: „Alles klar, ich bin jetzt Vollzeit-Fischerin, los geht's."

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Stephanie

Stephanie bei der Arbeit. Foto: Jason Wise.

Brauchst du eine Genehmigung, um nach Seeigeln zu tauchen? Seeigel-Tauchen ist in Kalifornien etwas mit, wie wir es nennen, „beschränktem Zugang". Das bedeutet, dass du eine Seeigel-Genehmigung benötigst, um nach ihnen zu tauchen und sie zu fangen. Es geht jetzt nicht, dass ich die Genehmigung habe, aber jemand anderes taucht, während ich mich auf den Boot befinde—das muss alles ich selber machen. Das Recht ist nicht übertragbar. Ich kann die Genehmigung auch nicht weiterverkaufen—sie gehört mir nicht und ich zahle nur für die Möglichkeit, sie zu benutzen. Im Staat sind 300 Genehmigungen vorhanden und wenn jetzt in einem Jahr nur 295 Leute ihre Genehmigung erneuern, dann sind fünf Stück verfügbar. Die Leute, die seit mindestens drei Jahren an Bord eines Schiffes arbeiten, nehmen dann an einer Lotterie teil und fünf Namen werden gezogen. Ich hab noch niemanden getroffen, der eine Genehmigung abgelehnt hat.

Gibt es beim Fischen gerade einen harten Konkurrenzkampf? Nun, nur ungefähr 130 der Genehmigungen werden auch tatsächlich genutzt, denn es gibt ein paar alten Typen, die sie „für alle Fälle" mal behalten. Sie arbeiten eigentlich auf einer Baustelle, behalten aber ihre Genehmigung, falls sie ihren Job verlieren. Ich denke, dass 130 bis 150 Taucher okay sind, nicht nur für die Quelle, sondern auch für das Geschäftswesen hinter dem Ganzen, denn zirka zehn Prozent dieser ungefähr 130 Taucher bekommen einen Großteil des Gewichts ab. Beim Fischereigeschäft geht es um Gewicht und nicht um den Betrag, also sind meine Seeigel wegen meinem Marketing und meinem Vertrieb mehr wert. Bei gutem Wetter füllt sich der Markt ziemlich schnell und dann kämpfst du um deinen Platz, vor allem seitdem sie die geschützten Meeresbereiche festgelegt haben. Das ist jetzt nichts Schlimmes, aber sie haben nicht bedacht, dass der gleichen Anzahl an Fischern jetzt weniger Platz zur Verfügung steht. Also haben wir jetzt weniger Platz bei gleich bleibender Konkurrenz. Seeigel kommen jedoch schnell nach und sind zahlreich vorhanden.

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Foto: Jason Wise

Wie geht es dem Seeigel-Bestand zur Zeit? Denen geht es ganz gut. Es ist ziemlich unmöglich, sie zu überfischen, da uns logistisch gesehen Grenzen gesetzt sind. Was uns an der Verwaltung oft frustriert, ist ihre Unbekümmertheit gegenüber unserem Fischereigeschäft. Sie setzen sich nicht mit unseren Anliegen auseinander, wie zum Beispiel die Begrenzung der Anzahl der Fischer. Was, wenn alle 300 Genehmigungen von 20-Jährigen genutzt werden, andere Leute aber eine Familie durchbringen müssen?

Verkaufst du normalerweise alle gefangenen Seeigel? Seit kurzem ist es echt verrückt—und ich bringe alles recht schnell an den Mann. Ich fange lieber weniger Seeigel und verkaufe dann alle, als welche wegschmeißen zu müssen. Sie sind ziemlich empfindlich und überleben an Land nicht lange.

Ist die Nachfrage nach Seeigeln in den letzten Jahren gestiegen? Ich denke schon. Sushi-Restaurants sind in den USA immer mehr auf dem Vormarsch, das ist wohl ein Grund.

Dein Berufsstand wird doch sehr von Männern dominiert. Hat das Auswirkungen auf deine Arbeit? Es wird sich nur schwer Erfolg einstellen, wenn dich deine Auftraggeber nicht unterstützen, egal ob du ein Mann oder eine Frau bist. Fischer sind ziemliche Raubeine—auch ich. Aber wir sind jetzt nicht unmöglich und gemein. Ich denke mal, dass die Leute mich als Frau irgendwie umgänglicher einschätzen. Ich fische jedoch anders als die Männer. Der Typ, mit dem ich gestern auf See war, fischte viel aggressiver und machte einen größeren Fang, aber ich bin um Längen geduldiger.

Wie viele andere weibliche Seeigel-Taucher gibt es? In Kalifornien bin ich die einzige, aber ich bin nicht die allererste. Da gibt es ein paar ziemlich unglaubliche Frauen, die vor mir da waren.

Du hast bereits erwähnt, dass die Leute oft nicht auf den unbehandelten Seeigel stehen und deshalb viele von den Tieren, die du an andere Unternehmen verkaufst, zuerst weiter verarbeitet werden. Was genau passiert da? Die Seeigel werden nach dem Fischen auf einen Truck geladen und kommen dann in eine Verarbeitungsanlage, entweder in Los Angeles oder in San Diego. Dort werden sie anschließend aufgebrochen, gesäubert und nach Farbe und Größe sortiert. Sie werden auch in ein Konservierungsmittel gegeben (Aluminium- oder Natriumnitrat), das sie abhärtet und die Farben aufhellt. Meiner Meinung nach verändert das auch den Geschmack—ich bevorzuge sie frisch aus der Schale.