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Essen

Der VICE Guide zu Kaviar

Ein Anfängerkurs in Fischabtreibungen. Und lass dir eins gesagt sein: Du hast erst wirklich gelebt, wenn du die süßen Eier frisch aus den Eierstöcken probiert hast.

Magst du Kaviar? Hast du jemals darüber nachgedacht, wie wunderbar er dich darauf vorbereitet, mit einer Champagnerflöte vor dem Kamin flachgelegt zu werden, oder wie du ihn ganz dekadent, einem Samenerguss ähnlich, über deine Pfannkuchen verteilst? Ich schon und ich werde jetzt davon erzählen und für uns beide wird nichts mehr so sein, wie bisher.

Zuallererst: Vergiss diesen seltenen Beluga-Scheiß. Denk gar nicht drüber nach. Das Ungetüm, von dem dieser Kaviar stammt, ist extrem bedroht, lebt primär im Kaspischen Meer—dem größten Salzwassersee der Welt—und wir sollten ihm einfach seine verdammte Ruhe lassen. Es fühlt sich vielleicht supersexy und spaßig an , etwas zu essen, das so gewöhnlich ist, wie von einem Meteor getroffen zu werden. Aber den kleinen Reiz, den Beluga-Kaviar einmal hatte, dieses Erhabenheitsgetue oder was auch immer, kommt schneller außer Mode als die Yetimäntel der letzten Saison. Er lässt dich nicht jünger aussehen, er ist kein Potenzmittel und er schmeckt nicht mal so gut. Das Töten einer fast tonnenschweren Kreatur, nur um an ihre Eier zu kommen, die dich pro Kilo knapp 6.000 Euro kosten, ist großer Bullshit. Hör auf damit.

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Vor allem gibt es nachhaltigere Wege, deine Lust nach Fischeiern zu befriedigen. Während ich in New Brunswick war, habe ich mir eine süße kleine Kurznasenstör-Farm angesehen, die „Grand Tour" bekommen, ein paar Embryonen probiert und bin danach quasi ohnmächtig geworden.

Störe sind eine uralte Gattung, die wahrscheinlich jetzt noch genauso aussehen wie vor 250 Millionen Jahren. Diese Fische sind ziemlich harte Kerle: Sie besitzen Exoskelettte, haben eine Panzerung auf ihrem Rücken und können sowohl in Süß- als auch in Salzwasser überleben. Es gibt noch ungefähr 26 Spezies von Stören auf der Welt und viele von ihnen wurden für Kaviar fast bis zur Ausrottung gejagt.

Diese hoch gebauten Becken bieten Platz für ungefähr 9.000 Störe in verschiedenen Phasen ihres Lebens. Ihr Futter besteht aus Kügelchen, zusammengesetzt aus minderwertigem Fisch, und das Wasser läuft durch eine Art Bio-Filtersystem, damit für die Störe immer alles schön und frisch bleibt. Es ist ein sehr effizientes, sauberes und umweltfreundliches Verfahren. Das einzige Problem sind diese Futterkügelchen: Sie fördern schlimme Fischfangtechniken, wenn man ihre Herstellung bedenkt. Eine Umstellung auf bohnenbasierte pflanzliche Kügelchen wäre viel besser. Sobald sie alt genug sind, werden die Weibchen markiert, „stimuliert" und abgesondert. Von da an werden die weiblichen Störe beobachtet, um zu sehen, wann sie reif für die Ernte sind.

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Alle diese Mädels haben hier im Vorbereitungstank ungefähr eine Woche lang abgehangen, keine Fischkügelchen bekommen und sind total leer und gereinigt. Und warten darauf, hierher gebracht zu werden …

Die Tötungsplattform! Die Störe werden mit diesem dicken Stab erschlagen, bevor man sie durch das grüne Loch in den Extrahierungsraum schiebt. Die Erschlagungsmethode ist anscheinend der schnellste und humanste Weg. Ebenfalls möglich ist eine Kohlenstoffdioxid-Methode, die sie ersticken lässt, aber hier benutzen sie diesen Kniff nicht.

Zeit, unsere Eierernte-Anzüge anzuziehen, weil der Extrahierungsraum extrem sauber gehalten wird.

Drinnen warten wir beim grünen Kreis darauf, dass unser Mädchen ihren kleinen Kopf durchsteckt.

Der Fisch wird dann gewogen und am Bauch entlang mit einem Skalpell aufgeschnitten, um Tausende saftige Embryos freizulegen.

Die Fischeier werden entfernt und der Rest vom Fisch wird bis zur „Kugel"-Form verarbeitet. Diese Kugeln werden in die ganze Welt als Fischfleisch verschickt. Die Russen stehen anscheinend total darauf.

Als nächstes werden die Eier sanft durch ein breites Sieb gedrückt und gerieben, um sie von der fettigen Plazenta zu trennen, an der sie noch hängen.

Wenn die Eier alle ab sind, werden sie wiederholt mit Eiswasser abgespült, bis das Wasser diese blutige, pinke Farbe verliert.

Zum Schluss wird jede einzelne Spur von Blut und Innereien mit einer Pinzette von den Eiern getrennt.

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Da die Eier jetzt alle gesäubert sind und schön funkeln, machen wir kurz Pause und probieren ein wenig, bevor wir sie zum Salzen bringen. Lass mich dir eins sagen: Du hast nicht gelebt, wenn du nicht einmal diese süßen Eier direkt aus den Eierstöcken probiert hast. Ich werde angewiesen, sie sanft an meinen Gaumen zu drücken, wo sie schnell zu einem Gelee werden, das in meinen Hals rutscht. Der Geschmack ist zuerst sehr rein, wird dann gefolgt von etwas Buttrig-Samtartigem und ich fühle mich danach wie high. Das könnte aber auch daher kommen, dass das ganze Blut zu diesem Zeitpunkt aus meinem Kopf gepumpt wurde.

Drüben bei der Salzstation wird zu den Eiern eine genaue Menge Salz gegeben. Das Ganze wird auf dieser mobilen, kleinen Drogenwaage gewogen, was die Konsistenz sehr viel dickflüssiger werden lässt.

Wir müssen ein bisschen warten, dann umrühren und dann noch ein bisschen warten. Inzwischen habe ich von diesem ganzen Schauplatz die Nase voll.

Ganz am Ende wird der Kaviar entwässert, in Dosen verpackt, dann von Ziegelsteinen zusammengedrückt und stehen gelassen, damit eine Art gelbe Flüssigkeit durch einen speziellen Schlitz in der speziellen Dose sickern kann. Über diesen Vorgang bin ich mir nicht ganz im Klaren, weil ich irgendwie mit dem Zuhören aufgehört habe und mich mehr darauf konzentrierte, dass mir von dem Geruch von Desinfektionsmittel und rohen Embryonen nicht übel wurde.

Wenn der Kaviar eine Weile in dem Salz liegt, nimmt er diesen bekannteren salzigen Geschmack des Ozeans an. Das muss ich den Leuten jetzt einfach glauben, weil ich nach all dem am Probierteil der Tour leider nicht mehr teilnehmen konnte.