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Rechtsextremismus

Deutschland-Chef von "Blood & Honour" soll V-Mann gewesen sein

Während ihn der Staat bezahlte, baute er die Neonazi-Organisation auf.
Foto: imago | Christian Ditsch

Eigentlich sollen V-Leute "Hinweise zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten geben", so steht es im Rechtslexikon des Dudens. Anstatt Verbrechen zu vereiteln, sind diese Personen, die Sicherheitsbehörden einsetzen, aber immer wieder selbst in kriminelle Handlungen verstrickt.

Der neueste Fall: Der Deutschland-Chef der verbotenen Neonazi-Organisation "Blood & Honour" soll im Dienste des Verfassungsschutzes gestanden haben, das berichten mehrere ARD-Politikmagazine. Das Berliner Landeskriminalamt soll ihn in den 90ern an den Verfassungsschutz vermittelt haben.

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Ein geheimer Vermerk des LKAs in der Hauptstadt war es auch, der jetzt zur Enttarnung führte. Dieser beruhte auf einem Gespräch der Polizeibehörde mit einem weiteren V-Mann bei "Blood & Honour". Er meinte, in der Szene stünde der Deutschland-Chef unter Verdacht, ein Spitzel zu sein, nachdem er in einem Strafverfahren mit einer geringen Geldstrafe davonkam.

In dem Vermerkt heißt es laut ARD: "[Der Deutschland-Chef von Blood & Honour] wurde durch das LKA 514 an das BfV vermittelt. Es ist anzunehmen, dass dies im anhängigen Strafverfahren dafür sorgte, dass die Entscheidung für den Erlass eines Ordnungsgeldes der einer Verurteilung vorgezogen wurde."

Bemerkenswert ist vor allem, dass dieser V-Mann wohl eine wichtige Rolle beim Aufbau der Strukturen von "Blood & Honour" gespielt hat. Die Recherchen der ARD-Magazine belegen außerdem, dass er selbst nach seinem Ausstieg aus der Gruppierung noch in der rechtsextremen Szene aktiv war.

Die in England gegründete Organisation "Blood & Honour" sollte neonazistischen Bands ermöglichen, sich besser untereinander zu vernetzen und ihre Ideologie zu verbreiten. Zu ihr gehört auch eine terroristische Unterorganisation namens "Combat 18", die politische Gegner mit Hilfe von Gewalt und Waffen bekämpfen will. "Blood & Honour" unterstützte außerdem maßgeblich den NSU. Mitglieder des Netzwerks haben dem NSU-Trio Wohnungen, Ausweise, Geld und Waffen besorgt. Seit 2000 sind sowohl "Blood & Honor" als auch "Combat 18" in Deutschland verboten.

Politiker der Linken und Grünen im Bundestag sind empört über die Nachrichten. "Dann hätte der Verfassungsschutz diese zu Recht als hochgefährlich eingestufte Organisation nicht überwacht, sondern regelrecht mit aufgebaut und womöglich über Jahre hinweg an entscheidender Stelle selbst mitgesteuert", so André Hahn von der Linken. Irene Mihalic, Obfrau der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss, sagte der ARD: "Wenn der Deutschland-Chef von 'Blood & Honour' V-Mann war, ist da ganz klar eine Grenze überschritten."

Skandale um V-Leute gab es in der Vergangenheit schon mehrfach. So soll ein V-Mann des bayerischen Landeskriminalamts beim Rockerclub "Bandidos" am Diebstahl von Baggern mitgewirkt haben. Seine Kontaktpersonen bei der Polizei wussten davon, meldeten es aber nicht. Der niedersächsische Verfassungsschutz wiederum soll V-Männer in der NPD zu rechtsextremistischen Straftaten angestiftet haben. Und wie viele von den Dutzenden V-Leuten, die insgesamt sieben deutsche Sicherheitsbehörden zur Beobachtung des NSU beschäftigten, rechte Straftaten unterstützten und vertuschten, ist immer noch nicht geklärt.

Diese neue Enthüllung kommt nun kurz nachdem Thüringer Behörden offiziell bestätigten, dass "Blood & Honour" in Deutschland erneut aktiv sein und Kontakte zur rechtsextremen Szene in Russland aufgebaut haben soll. Bereits Anfang des Jahres berichteten NDR und SZ außerdem, dass "Combat 18" schon seit Jahren wieder in der Bundesrepublik tätig ist.

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