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Neue Nachbarn

Wie mir eine TV-Serie half, mich zu integrieren

Eine der härtesten Herausforderungen bei meiner Ankunft in Grossbritannien war die Sprache – Gott sei Dank für meine Lehrer, meine Pflegefamilie und das Fernsehen.
Illustration von Ana Jaks

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie 'Neue Nachbarn', in der junge Geflüchtete aus ganz Europa Gastautoren auf VICE.com sind. Lies hier das Editorial dazu.

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Farid ist 21 Jahre alt und ursprünglich aus Afghanistan. Nun lebt er in Islington, London, und studiert Soziale Arbeit an der Goldsmiths Universität.

Vor acht Jahren war ich ein Flüchtlingskind. Mit 13 bin ich von Afghanistan nach Grossbritannien gereist. Die Reise dauerte vier Monate und war sehr schwierig. Einmal dachte ich, dass unser Boot beim Überqueren des Mittelmeers zwischen der Türkei und Griechenland sinken und wir ertrinken würden. Zum Glück hat der Motor des Bootes plötzlich wieder funktioniert, aber es war ein furchterregender Moment.

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Während der Reise war ich schockiert, wie die Einheimischen uns behandelten. Ich verbrachte eine Weile im Dschungel von Calais, bevor ich nach England kam; niemand sollte so leben müssen. Ich bin aus Afghanistan geflüchtet. Das Leben dort war unerträglich hart, aber die Lebensqualität war dennoch besser als die im Dschungel.

Auf dem Weg nach Europa tagträumten meine Mitreisenden und ich darüber, wie fortgeschritten und einladend es dort sein wird und wie bequem und sicher Europäer leben. Das ist vielleicht wahr, aber warum lassen sie dann Flüchtlinge so leben? Der Dschungel mag jetzt abgerissen worden sein, aber viele Flüchtlinge leben auf der Strasse.

Ich treffe viele junge Leute, die eine ähnliche Geschichte wie ich haben und ich weiss, wie schwierig es für sie war. Als die britische Regierung angekündigt hat, dass sie Kinder aus Calais und anderen Teilen Europas aufnehmen würde, war ich zunächst glücklich und stolz darauf, dass ich hier wohne. Aber die Tatsache, dass Grossbritannien entschieden hat, dass es nicht mehr als 350 Kinder aufnehmen würde, ist sehr enttäuschend. Ich hoffe, die britische Regierung wird ihre Meinung ändern und mehr Flüchtlingskinder wie mich einreisen lassen.

"Ich konnte überhaupt kein Englisch und für mindestens ein Jahr konnte ich nicht wirklich mit den Leuten um mich herum kommunizieren."

Es gibt so viele Konflikte und Gefahren auf der Welt und junge Menschen wie ich sind gezwungen, ihre Familien hinter sich zu lassen und jeden Tag schreckliche Reisen anzutreten. Mein Vater wurde in Afghanistan aufgrund seiner politischen Überzeugungen getötet. Er war sehr kritisch. Meine Familie wollte nicht, dass ich bleibe, da es zu gefährlich war. Also verkauften meine Mutter und mein Onkel unseren Laden, um für meine Reise bezahlen zu können. Es war nicht leicht, meine Familie zurückzulassen und als Jugendlicher hier in England anzukommen. Aber ich sage mir, dass all das Teil des Lebens ist und dass ich etwas aus dem machen muss, was sie geopfert haben.

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Zurzeit studiere ich Soziale Arbeit an der Universität und mache ein Praktikum in Kinderbetreuung für eine Londoner Gemeinde. Dazu gehört die Arbeit mit unbegleiteten Flüchtlingskindern und jungen Briten, die auch keine Familien haben.

Eine der härtesten Herausforderungen, mit der ich konfrontiert war, als ich vor acht Jahren in Grossbritannien ankam, war die Sprachbarriere. Ich konnte überhaupt kein Englisch und für mindestens ein Jahr konnte ich nicht wirklich mit den Leuten um mich herum kommunizieren. Ich brauchte auch einige Zeit, um die Kultur zu verstehen. In der Schule wurde ich für meinen Akzent gemobbt.

Ich fing schliesslich an, mich stärker in London zuhause zu fühlen und habe neue Freunde kennengelernt. Aber ohne meine Lehrer und meine Pflegefamilie, für die ich sehr dankbar bin, wäre das nicht passiert. Für die Ferien hat meine Betreuerin Sommerschulen gesucht, damit ich weiterlernen konnte – und sie hat mir mit der Lektüre geholfen. Sie setzte Untertitel, als wir EastEnders oder andere Fernsehsendungen schauten, um mir beim Lernen zu helfen. Ich war sehr jung, als ich von zuhause geflohen bin und ein neues Leben in einem anderen Land begann. Aber das half, um in Grossbritannien eine neue Heimat zu finden.

Deswegen unterstütze ich heute eine Wohltätigkeitsorganisation namens Refugee Action, die sich durch ihre Kampagne Let Refugees Learn für den vollen und gleichberechtigten Zugang zum Englischunterricht für alle Flüchtlinge einsetzt. Auch in der Schweiz gibt es Organisationen, die sich für Sprachkurse für Flüchtlinge engagieren.

Unterschreibe hier die Petition des UNHCR, die Regierungen dazu aufruft, eine sichere Zukunft für alle Flüchtlinge zu garantieren.

Illustration von Ana Jaks.

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