Uni-Debatte

Dieses Video zeigt, wie überholt Alice Schwarzers Feminismus ist

Eine muslimische Demonstrantin bittet Schwarzer, sie nicht anzufassen. Aber die setzt noch einen drauf.
Alice Schwarzer Instagram
Fotos: Screenshot Alice Schwarzer | Instagram: @xanax_attax || Regenbogen | Freepik || Collage: VICE

Mit Alice Schwarzer ist es ein bisschen wie mit dem Fliegen: Man kann nicht abstreiten, dass das irgendwann mal innovativ war. Aber wir haben inzwischen erkannt, dass es auch eine Kehrseite hat. Beim Fliegen sind das die Umweltverschmutzung und die Touris in Friedrichshain, bei der 76-jährigen Feministin Alice Schwarzer, die Anfang der 70er noch Protestaktionen für Abtreibungsrechte organisierte, ist es eine Haltung, die viele als rassistisch und anti-muslimisch einstufen. Am Mittwoch tauchte bei Instagram ein Video auf, das diese Einschätzung verstärkt.

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Dort lud ein User namens Zuher auf seinem Account @xanax_attax mehrere Kurzclips in seiner Story hoch, die Schwarzer und mehrere andere Personen am Rande einer Demo zeigen. Man sieht, wie Alice Schwarzer ihre Hand vom Arm einer offenbar demonstrierender Frau mit Kopftuch wegzieht. Diese bittet Schwarzer dann, sie nicht anzufassen. Daraufhin wirft Schwarzer in gespielter Empörung die Hand hoch, reißt den Mund auf und sagt: "Ich dachte, nur ein Mann darf sie nicht anfassen." Schwarzer streift den Arm der Demonstrantin bei ihrer theatralischen Geste erneut. Im nächsten Clip wiederholt sie die Aussage.

In sozialen Netzwerken wird der Übergriff als Höhepunkt von Schwarzers anti-muslimischer und zuletzt auch anti-feministischer Haltung gehandelt. Dabei hatte die Uni-Initiative "#Wirbleibenlaut" den Protest vom Mittwoch organisiert, um genau dagegen anzukämpfen: Schwarzer war an dem Tag bei der umstrittenen Konferenz "Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" an der Goethe Universität in Frankfurt eingeladen und hielt dort einen Vortrag.

Es hatte um die Veranstaltung im Vorfeld einigen Wirbel gegeben. Die Organisatorin Susanne Schröter, Ethnologie-Professorin an der Uni, war für ihre Veranstaltung als anti-muslimisch kritisiert worden. Kritik gab es aber auch an der Uni-Initiative. Die Gruppe greife aus der Anonymität heraus an, beklagte Uni-Präsidentin Birgitta Wolff. Schröter selbst vermutete hinter den Protesten sogar eine radikale islamistische Gruppierung. Wer genau an den Protesten teilnahm, ist schwer zu sagen. Zuher, der das Video postete, bezeichnet sich auf seinem Account allerdings offen als Mitglied der Initiative. Er postet zudem Regenbogen-Flaggen und Fotos, auf denen er ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Some people of colour are LGBTQ" trägt. Das ist weder anonym noch radikal islamistisch.

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Schwarzer soll an dem Tag nochmal übergriffig geworden sein

Ob Alice Schwarzer nun problematische Positionen vertritt oder nicht, sollte nicht von den Personen ausgemacht werden, die die Kritik aussprechen. Der Übergriff markiert nicht nur einen, wenn nicht sogar: den bisherigen ideologischen Tiefpunkt der Emma-Herausgeberin, sondern auch den Höhepunkt ihrer fragwürdigen Aktionen an diesem Tag: Die Journalistin Khola Maryam Hübsch, ebenfalls zur Konferenz eingeladen, berichtete auf Twitter von einer weiteren ungewöhnlichen Begegnung mit Schwarzer. So habe Schwarzer sie mit "Hübschchen" begrüßt, was die Journalistin kritisierte. Daraufhin habe sie aber geantwortet: "Aber du bist so süß." Hübsch ist 38 Jahre alt und trägt ebenfalls ein Kopftuch. "Mehr alter weißer Mann geht nicht", kommentiert sie Schwarzers Spruch auf Twitter.

Es gibt immer noch Frauen, Journalisten und Journalistinnen oder einfach Fans, die Alice Schwarzer für die feministische Ikone halten, die sie mal war. Für sie mögen Schwarzers Kämpfe aus vergangenen Jahrzehnten einen höheren Stellenwert haben als ihre heutigen Ausfälle. Unumstritten ist aber, dass Alice Schwarzer ihre Macht auf eine so herablassende Art und Weise demonstriert, die mit feministischen Grundsätzen nichts mehr gemein hat. Und das nicht erst, seit sie ihre Kämpfe gegen muslimische Frauen mit Kopftuch austrägt.

Bereits 1998 veröffentlichte die Journalistin Bascha Mika ein Buch, in dem sie Schwarzer als herrische Person portraitiert und einige ihrer Positionen als "frauenverachtend" beschreibt. Schwarzer ist zudem Sexarbeits-Gegnerin, ihr zufolge erleben 90 Prozent aller Prostituierten in ihrer Kindheit Missbrauch. Belege dafür konnte sie 2013 in einem Interview mit der Welt nicht anführen – genauso wenig wie für ihre Behauptung, die meisten Musliminnen hätten nicht die Wahl, sich für oder gegen das Kopftuch zu entscheiden.

Die Emma existiert noch. Das zeigt, dass nicht unerheblich viele Menschen Schwarzer trotz allem weiterhin für eine Feministin halten. Feministinnen of Colour haben dafür den Begriff "White Feminism" eingeführt: ein Feminismus, in dem weiße Frauen dafür kämpfen, sich so verhalten zu dürfen wie machtverwöhnte, weiße Männer. Und in dieser Kategorie dürfte Schwarzer mit ihren Aktionen tatsächlich ganz gut aufgehoben sein.

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