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Popkultur

Diese Frau hat ihren Bruder über Nacht an einen erzkonservativen christlichen Orden verloren

László Erffa ist Mitglied der "Legionäre Christi", die selbst der Katholischen Kirche unheimlich sind. Seine Schwester hat sich deshalb lange von ihm verraten gefühlt. Bis sie einen Film darüber gedreht hat.
Zita und ihr Bruder László | Fotos: Eva L. Hoppe | Petruvski Films

Als László Erffa beschloss, ein Legionär Christi zu werden, war er gerade mit der Schule fertig. Der Vater war ein deutscher Diplomat, die Familie lebte zu der Zeit in Indonesien. Dass der 19-Jährige sich ausgerechnet dem erzkonservativen und straff autoritären Orden anschließen wollte, schockierte seine Familie. Trotzdem begann László nur wenige Tage später seine Ausbildung an einer Schule des Ordens in Nordrhein-Westfalen.

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Die 1941 in Mexiko gegründeten Legionäre Christi bilden junge Männer zu Priestern aus – und wie der Name schon sagt, orientieren sie sich dabei an geradezu militärischer Disziplin. Die aggressive Rhetorik und die fast schon sektenhafte Abschottung führte dazu, dass die Legionäre auch innerhalb der Katholischen Kirche vielen unheimlich wurden. Und weil die Legionäre schon 12-Jährige in ihre Internate aufnehmen, warfen die Vereinten Nationen dem Orden 2014 in einem Bericht vor, Kinder von ihren Familien zu entfremden.

Lászlós Entscheidung traf seine Schwester Zita völlig unvorbereitet. Jahrelang konnte sie es ihm nicht verzeihen – bis sie sich entschloss, einen Film darüber zu machen. The best thing you can do with your life ist ein sehr persönlicher Essay über Verlust und Vergebung. Er läuft auf der Berlinale und ist für den Dokumentarfilmpreis nominiert. Wir haben mit Zita Erffa darüber gesprochen, was sie in der Welt der Legionäre erlebt hat und wie es war, ihren Bruder wiederzutreffen.

VICE: Wie hast du davon erfahren, dass László den Legionären Christi beigetreten ist?
Zita Erffa: Er hat mich angerufen und es mir gesagt – und dass er in drei Tagen weg ist. Da habe ich ihn eine halbe Stunde am Telefon nur angeschrien. Das nächste Mal habe ich ihn dann ein Jahr später gesehen, beim ersten erlaubten Besuch.

Wie ist er denn auf den Orden gekommen?
Der erste Kontakt kam durch meine Tante. Die Legionäre Christi haben damals Sommercamps für Jugendliche organisiert, und sie hat uns gefragt, ob wir da mal hinwollen. Unsere Cousins waren schon dabei, also sind wir auch hingefahren. Das war auch immer sehr lustig, man ist viel gewandert und hat lauter coole Sachen gemacht – außer dass man einmal am Tag eine Stunde Religionsunterricht hatte.

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László Effra | Petruvski Films

Und in den Feriencamps haben sie dann versucht, euch zu rekrutieren?
Ja. Die haben einen Jugendclub namens ECYD – das ist die spanische Abkürzung für "Erziehung, Kultur und Sport". Vor allem der Sport ist das, was die Legionäre von anderen Orden unterscheidet, die sind alle immer schlank und fit. Bei jedem Sommercamp hat man uns gesagt, dass wir da eintreten sollen. Mir kam das alles vor wie in einer Sekte. Für uns beide war klar, dass wir da auf gar keinen Fall eintreten. Dachte ich.

Dann hat er es doch getan. Warum hat dich das so geärgert?
Ich habe das lange auch nicht verstanden, aber ich habe begriffen, dass ich mich verraten gefühlt habe. Ich dachte, wir beide hätten die durchschaut, und plötzlich ist er von einem Moment auf den nächsten abgehauen und eingetreten. Ich habe die Legionäre dafür gehasst.

Wie ging es dann weiter?
In den nächsten Jahren war er wie verschwunden. Wir durften ihn einmal im Jahr besuchen und dreimal im Jahr mit ihm telefonieren. Alle Briefe von uns an ihn durfte der Orden öffnen und lesen. Auch meine Mutter hat nach dem ersten Besuch ein Jahr nach seiner Aufnahme gesagt, dass sie ihn eigentlich lieber nicht gesehen hätte, weil er sich so verändert hatte und so verkrampft war.

Gebetsraum im Kloster Cheshire | Foto: Petruvski Films

Zwei Jahre nach Lászlós Eintritt wurde der Orden von einem massiven Skandal erschüttert. Es hatte schon lange Gerüchte um den Gründer Marcial Maciel gegeben, aber erst nach seinem Tod 2008 wurde öffentlich, was im Orden schon viele gewusst haben müssen: Maciel war drogenabhängig und hatte trotz seines Zölibats mit mehreren Frauen in verschiedenen Ländern Kinder gezeugt. Außerdem hatte er minderjährige Seminaristen (katholische Priester in der Ausbildung) sexuell missbraucht, wie der Orden schließlich bestätigte. Papst Benedikt XVI. urteilte 2009, der Ordensgründer habe ein "gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung" geführt. Um einer Auflösung zu entgehen, musste sich der Orden umfassend verändern. Viele Legionäre traten aus, László blieb.

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Warum hat László den Orden nach dem Skandal nicht verlassen?
Die Gerüchte gab es schon, als er eintrat. Ich glaube, Maciel war ihm einfach nicht so wichtig. Von all dem müssen aber viele in der Leitung gewusst haben. Der Orden ist auch so strukturiert, dass das passieren konnte. Es gab damals zum Beispiel das "Gebot der Nächstenliebe", das besagte, dass du deinen Oberen nicht verpetzen darfst, egal, was er macht.

Wie bist du auf die Idee gekommen, einen Film über László zu machen?
Für mein Auslandssemester an der Filmhochschule in Mexiko brauchte ich ein Thema für einen Dokumentarfilm. Ich habe die Legionäre vorgeschlagen, aber bald gemerkt, dass die mich eigentlich überhaupt nicht interessieren. Was mich interessiert hat, war eigentlich nur mein Bruder. Also habe ich ihm eine E-Mail geschrieben, dass ich gerne einen Film mit ihm drehen würde. Er hat Ja gesagt, wir sind hingefahren und waren neun Tage in deren Kloster in Cheshire in Connecticut, wo er mittlerweile lebt.


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Warum hat der Orden dir überhaupt erlaubt, im Kloster zu filmen?
Ich denke, ihr schlechter Ruf ist denen mittlerweile auch bewusst geworden. Vielleicht haben sie mich als Instrument gesehen, um der Welt zu zeigen, dass sie sich geöffnet haben und dass in den Klöstern nichts Außergewöhnliches passiert.

Das Klosterleben im Film wirkt aber immer noch ziemlich streng.
Absolut. Sie haben es zum Beispiel immer noch nicht gern, wenn zwei Jungs sich anfreunden. Sie sollen loyal zur Gemeinschaft sein, denn wenn sie sich zu zweit abkapseln, sind sie beeinflussbarer. In den Pausen laufen die Jungs deshalb immer in Gruppen im Park spazieren.

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Legionäre Christi beim Gebet | Foto: Petruvski Films

Im Film sagt László, er habe plötzlich gespürt, dass Gott wollte, dass er bei den Legionären eintritt. Glaubst du das?
Das ist schwer zu verstehen, wenn man nicht so davon überzeugt ist, dass Gott existiert. Warum er da hingegangen ist, habe ich bis heute nicht zu hundert Prozent verstanden.

Wie hat dir der Film dabei geholfen?
Als wir zum Kloster gefahren sind, war ich immer noch so wütend auf den Orden, dass der Kameramann auf mich einreden musste, denen halbwegs neutral zu begegnen. Aber dann waren diese ganzen Jungs so nett und naiv und offen. Und als ich das erste Mal seit Jahren wieder richtig mit László reden konnte und er sich entschuldigt hat, dass er so abrupt abgehauen ist, hat das einen enormen Knoten in mir gelöst. Ich habe verstanden, dass er glücklich da ist. Und das hat mich wirklich beruhigt.

The best thing you can do with your life wird noch einmal am 26.02.2018 um 20.00 Uhr im Filmmuseum Potsdam gezeigt.

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