Darum behaupten diese Menschen fälschlicherweise, Terroristen zu sein
Zwei Taliban-Kämpfer werden in Afghanistan verhaftet. Ja, zwei echte Taliban-Kämpfer | Fotos: imago 

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Extremismus

Darum behaupten diese Menschen fälschlicherweise, Terroristen zu sein

Ein bizarrer Trick bereitet deutschen Behörden massive Probleme.

Viele haben schon einmal den eigenen Lebenslauf geschönt, um bei einem Bewerbungsgespräch besser dazustehen. Jahre später kann ja auch kaum noch jemand beweisen, dass du bei deinem Auslandssemester in Südafrika nebenher eher Wein getrunken hast, statt, wie behauptet, die Wasserversorgung in einem Township sicherzustellen. Bei manchen Lügen im Lebenslauf geht es aber um deutlich mehr als nur um einen neuen Job. Und genau das stellt deutsche Behörden nun vor massive Probleme. Nämlich dann, wenn Flüchtlinge ihren Lebenslauf manipulieren, um maximal mies dazustehen. Denn immer mehr Flüchtlinge zeigen sich selbst als Terroristen an.

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Ganz neu ist das Phänomen nicht, bereits 2017 haben einige Behörden mehr Selbstanzeigen registriert. In einigen Bundesländern erreichen diese Selbstanzeigen jetzt aber eine neue Dimension – und bringen den Rechtsstaat an seine Grenzen. So berichten die Stuttgarter Nachrichten, dass es in Baden-Württemberg in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits 159 solcher Fälle gegeben habe. Im gesamten Vorjahr waren es 300. Bei der niedersächsischen Zentralstelle für Terrorbekämpfung in Celle liegen aktuell etwa 30 Gesprächsprotokolle von Flüchtlingen vor, die sich selbst bezichtigt haben, Terroristen zu sein, wie der NDR berichtet. Der offensichtliche Grund für den Anstieg: Flüchtlinge wollen so ihre Abschiebung verhindern.

Denn Terrorverdächtigen droht in Ländern wie Afghanistan nach deutschem Rechtsverständnis oft eine unzumutbare Behandlung, also Folter oder die Todesstrafe. Gegen sie wird nach einer Selbstanzeige ermittelt, aber sie werden eben nicht abgeschoben.

Problematisch ist das alles nicht nur deshalb, weil hier, zumindest in manchen dieser Fälle, davon auszugehen ist, dass die Menschen lügen, um ihren Asylstatus zu verbessern. Sondern auch, weil die deutschen Behörden bei jedem Selbstbezichtiger prüfen müssen, ob seine Angaben wahr sind. Wenn nun jemand behauptet, vor vielen Jahren in Somalia gezwungen worden zu sein, für Terroristen zu kämpfen, stellt es sich als nahezu unmöglich heraus, das zu überprüfen. Den Behörden fehlen dann die Mitarbeiter, um wirkliche Extremisten zu jagen. Die Stuttgarter Nachrichten zitieren den baden-württembergischen Justizminister Guido Wolf: "Ich habe keinerlei Verständnis, wenn sich jemand einer schweren Straftat bezichtigt, nur weil er sich Vorteile im Asylverfahren erhofft."

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Da diese Methode zum ersten Mal gehäuft bei Asylbewerbern aus Afghanistan beobachtet wurde, wird sie auch Taliban-Trick genannt. Asylsuchende aus dem durch viele Kriege zerrütteten Land geben an, dass sie oder ihre Familienmitglieder für die radikalislamischen Taliban gekämpft haben.

Allerdings zeigt all das auch, wie verzweifelt einige Menschen sind, und wie katastrophal die Lage in einigen Herkunftsländern der Flüchtlinge sein muss. Asylbewerbern, die in Deutschland angeben, sich früher den Taliban angeschlossen zu haben, droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Wer sich so etwas ausdenkt, muss schon wirklich davon überzeugt sein, in seiner Heimat überhaupt keine Perspektive mehr zu haben.

Ob Abschiebungen nach Afghanistan überhaupt vertretbar sind, ist zumindest zu bezweifeln. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl verneint das in ihren Berichten entschieden. Mangelernährung und Perspektivlosigkeit gehören in manchen Regionen zum Alltag. Außerdem wurden alleine 2017 etwa 3.500 Zivilisten in Afghanistan getötet und doppelt so viele verletzt. Viele von ihnen wurden von Terroristen ermordet.

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