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Menschen

Hooters-Girls aus Zürich über Sexismus, Stammgäste und Chicken Wings

"Die Männer haben fast schon Angst vor uns."
Zwei Schweizer Hooters Girls

Wie es in einem typischen Hooters zugeht? Knapp bekleidete Girls stellen dir kaltes Bier, arschbillige Wings und Curly Fries auf den Tisch und wenn du Glück hast, zwinkert dir eine davon vielleicht sogar noch zu. Dazwischen: Strassenschilder mit "Dangerous Curves" oder "Achtung: Blondinen" an den Wänden und viel zu laute Popmusik im Radio. Dieses Konzept funktioniert mittlerweile seit 34 Jahren auf der ganzen Welt.

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Über 420 "Breastaurants" (so wird das Restaurantkonzept im englischsprachigen Ausland oft bezeichnet) gibt es, in allen 29 Ländern werben sie mit dem gleichen Claim: "Delightfully tacky", genüsslich kitschig. Das ist auch im Standort Zürich Langstrasse so, wo die Hooters-Girls wie die glücklichsten Menschen der Welt wirken. Während ich es moralisch durchaus schwierig finde, in der Happy Hour nur einen Franken für die Chicken Wings zu zahlen, lächeln die Hooters-Girls meine Bedenken regelmässig weg.

Ihre überbordende Fröhlichkeit, ihre Aufmerksamkeit gegenüber den Gästen und das offensichtlich fantastische Körpergefühl dieser Frauen in knappen Höschen und engen, tief ausgeschnittenen Tops fasziniert mich bei jedem einzelnen Besuch. Wie kann man in diesen Strumpfhosen arbeiten, die für mich wie Folterinstrumente der Neuzeit aussehen? Und warum scheint es den Hooters-Girls am Arsch vorbei zu gehen, dass ihre Brüste eines der wichtigsten Verkaufsargumente der Restaurant-Kette sind? Um diese und viele weitere Fragen ein für alle Mal zu klären, habe ich mich mit Nati (23) und Csenge (27) unterhalten, zwei der vielen Hooters-Girls in Zürich.

MUNCHIES: Wie seid ihr zu Hooters gekommen?
Csenge: Ich arbeite seit zwei Jahren hier, vorher war ich Reitlehrerin. Aber nach einem schweren Unfall mit dem Pferd kann ich diesen Beruf nicht mehr ausüben. Eine Freundin arbeitete damals hier und erzählte, sie suchen gerade neue Mädchen. Das ist das Gute hier bei Hooters, du musst keine Service-Erfahrung mitbringen. Abgesehen davon ist die Arbeitszeit und der Lohn besser als in meinem alten Job. Solange ich nicht weiss, wo ich mit meinem Leben hin will, bin ich also hier.
Nati: Ich arbeite erst seit September bei Hooters. Früher war ich Coiffeuse, aber jetzt will ich mich gerade ein wenig selbst finden. Und der Job hier bringt gutes Geld.

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Hooters ist also nur eine berufliche Zwischenstation für euch?
Csenge: Das ist es eigentlich für alle. Kein Mädchen will für immer hier bleiben. Aber das heisst nicht, dass wir keine Freude am Job hätten. Es ist auch für unseren Chef das Wichtigste, dass wir uns wohlfühlen.

Kann jeder ein Hooters-Girl werden?
Nati: Sagen wir es so, es ist nicht für jede das Richtige.
Csenge: Wer nicht flexibel ist oder mit Problemen umgehen kann, wäre hier falsch. Wenn so viele Kulturen aufeinanderprallen, muss man die unterschiedlichen Arten der Menschen verstehen.

Gibt es auch äusserliche Kriterien?
Csenge: Nein, solange du eine positive Ausstrahlung hast, reicht das. Wir haben so unterschiedliche Mädchen hier. Sie sind gross, klein, kurvig, schlank. Das Aussehen spielt keine Rolle.
Nati: Natürlich muss man ein gepflegtes Auftreten haben, aber das ist ja überall so. Du kannst nicht im Service arbeiten und aussehen, als wärst du obdachlos. Wenn du dich in deinem Körper wohl fühlst, strahlst du das auch aus. Das ist das Wichtigste. Du weisst ja auch schon bevor du hier arbeitest, was dich erwartet und dass die Uniform nun mal Teil des Deals ist. Das wird auch schon im Vorstellungsgespräch thematisiert, es ist also keine Überraschung. Wenn ein Mädchen Komplexe hat, ist das einfach nicht der richtige Job für sie.

Ein Schweizer Hooters Girl serviert ein Bier

Csenge war früher Reitlehrerin, heute ist sie Hooters Girl

Muss man seinen Körper nicht ohnehin mögen, um in so hautengen Outfits arbeiten zu können?
Csenge: Hooters zwingt uns nicht, die kleinsten Grössen zu tragen. Wenn du dich in einem M-Shirt wohler fühlst, dann ziehst du eben ein M-Shirt an, auch wenn du eigentlich S oder XS tragen könntest.

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Fühlt ihr euch in der Uniform nicht manchmal nackt?
Nati: Mein ganzer Körper ist bedeckt ausser meine Arme. Ich glaube nicht, dass das als nackt gilt.
Csenge: Ich laufe im Sommer auch in Tanktop und Hot Pants rum, das ist für mich also nichts anderes. Und die Strumpfhosen sind blickdicht, das fühlt sich wie eine normale Hose an.
Nati: Die Strumpfhose ist aber gewöhnungsbedürftig.

Trotzdem ist euer Körper auch ein Verkaufsargument, mit dem Hooters wirbt. Werdet ihr von Gästen oft blöd angemacht?
Csenge: Es kommt wirklich seltener vor, als du denkst. Eigentlich fast nie. Die Männer haben fast schon Angst vor uns. Sie sind respektvoll und wissen, wenn sie hier zu Gast sind, dann müssen sie sich auch benehmen. Klar, wenn du am Samstagabend arbeitest, sind die Leute hier genauso anstrengend wie in jedem anderen Restaurant, in dem Alkohol ausgeschenkt wird.

Dir hat also auch nie jemand auf den Po geklatscht?
Nati: Das dürfen sie gar nicht. Würden sie das tun, würden sie sofort rausfliegen.
Csenge: Und das wissen sie auch. Wir sind ein Restaurant wie jedes andere und machen unsere Arbeit professionell.

Bei einem amerikanischen Stellenbeschrieb für ein Hooters-Girl steht, dass man sich schminken und frisieren können muss. Ist das hier auch so?
Csenge: Klar, deine Uniform muss auch hier sauber sein und du musst anständig und gepflegt aussehen. Make-up wird an sich vorausgesetzt, jedoch nicht in dem Mass, wie das in den USA der Fall ist. Wir haben hier wesentlich mehr Spielraum, was auch kulturell bedingt ist.

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Mögt ihr eure Gäste?
Csenge: Zu 90 Prozent, ja. Ich mag es, dass hier so viele verschiedene Menschen vorbeikommen. Ich kann jeden Tag vier verschiedene Sprachen sprechen und das hilft mir auch, darin noch besser zu werden.
Nati: Seit ich hier arbeite, habe ich so viele Leute kennengelernt, mit denen ich sonst wohl nicht ins Gespräch gekommen wäre. Auch die Umgebung hier an der Langstrasse gefällt mir, da ich viele neue Kulturen kennenlerne.
Csenge: Wir haben auch viele Stammgäste. Mit denen baust du nach der Zeit natürlich eine Beziehung auf. Das finde ich schön. Ich habe hier viele Freunde gefunden.

Ein Hooters Girl an der Kasse

Nati arbeitet erst seit Kurzem im Hooters Zürich

Kommen hauptsächlich Männer zu Hooters?
Csenge: Uns besuchen überraschenderweise sehr viele Frauen, Pärchen und Familien. Letztere vor allem während der Happy Hour. Bei uns isst man eben gut und günstig. Ausserdem müssen sich die Kinder hier nicht so benehmen wie in anderen Restaurants, sie dürfen auch mal herumtollen.

Gibt es etwas, das ihr an Hooters gar nicht mögt?
Csenge: Ich arbeite nicht gern im Stundenlohn, aber das ist in der Gastronomie oft so. Wir kriegen auch gutes Trinkgeld, so im Durschnitt kommen an einem guten Abend um die 100 bis 200 Franken zusammen. Mein bestes Trinkgeld bisher waren 300 Franken an einem Tag, aber das ist erst einmal vorgekommen.

Mögt ihr überhaupt Chicken Wings?
Nati: Ja, ich esse gern Geflügel.
Csenge: Ich esse kein Fleisch am Knochen. Ich mag lieber unsere Chicken Strips oder Quesadillas. Auch die Salate hier finde ich super. Das ist eine grosse Portion, da wird man auch satt.

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Mögen eure Freunde und Familien euren Arbeitsort?
Csenge: Die freuen sich, dass ich eine Arbeit habe, die mir Spass macht und bei der ich genug zum Leben verdiene. Es kommt nicht so schlecht rüber. All diese Vorurteile, mit denen du uns gerade konfrontierst, kriegen wir gar nicht mit. Mich hat noch nie jemand blöd angemacht, bloss weil ich ein Hooters-Girl bin.
Nati: Ich habe auch meinen Geburtstag hier gefeiert. Meine Schwester und meine Mutter waren da und haben sich sehr wohl gefühlt.
Csenge: Mein Exfreund kam auch regelmässig hier zum Essen mit seinen Kumpels, als wir noch zusammen waren. Auch da gab es nie dumme Sprüche oder Stress zuhause.

Woran liegt es, dass Hooters oft kritisiert wird, wenn hier doch alles so prima ist?
Nati: Ich glaube, das ist vor allem die Oberflächlichkeit der Leute. Sie sehen uns in knappen Outfits und bilden sich sofort ein Vorurteil, welche Art von Mensch wir sind. Vielleicht liegt es auch an den amerikanischen Hooters-Restaurants, die sind ein wenig extremer als wir.
Csenge: Genau, aber die Schweiz passt sich an. Auch in Ungarn, meinem Heimatland, ist Hooters anders als hier. In der Schweiz kannst du gar kein amerikanisches Hooters aufmachen, das akzeptieren die Leute nicht. Die Amis lieben nun mal dieses Übertriebene. Wenn du so ein Verhalten in der Schweiz zulassen würdest, würde es niemand gut finden und dementsprechend würden auch die Gäste wegbleiben. Ich glaube nicht, dass ich in Amerika ein Hooters-Girl sein will. Hier in der Schweiz finde ich es aber in Ordnung.

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Was wären deine Bedenken in einem amerikanischen Hooters?
Csenge: Während wir hier ein ganz normales Restaurant sind und dabei in Cheerleader-Outfits servieren, sind die Hooters-Girls in Amerika doch noch ein bisschen mehr Schauspielerinnen und Entertainerinnen als Kellnerinnen. Das wäre nicht so mein Ding.

Was würdet ihr an Hooters ändern, wenn ihr könntet?
Csenge: Ich fände es gut, wenn Hooters, wie in Amerika, auch in der Schweiz Charity-Aktionen* organisieren würde. Aber dafür sind wir vermutlich ein bisschen zu klein im Vergleich zu anderen Ländern.

*Hooters Schweiz bittet uns zu ergänzen, dass die Restaurantkette seit sieben Jahren einmal jährlich eine Charity-Aktion zugunsten zweier Hilfsorganisationen durchführt, bei der das von Gästen gespendete Geld von Hooters Schweiz verdoppelt wird.

Was würdet ihr jemandem sagen, der meint ihr würdet in einem sexistischen Ausbeuterbetrieb arbeiten?
Csenge: Komm vorbei und mach dir selbst ein Bild.
Nati: Es ist gar nicht so schlimm, wie alle immer meinen.

Und wie wäre es mal mit Hooters Boys?
Nati: Ja, das fände ich grossartig!
Csenge: Ich auch. Sie könnten Jeans und das Hooters-Tank-Top tragen, das würde super aussehen.