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Lehrer-Blog

Wie 'Bild.de' erotische Fantasien einer Lehrerin mit Minderjährigen bagatellisiert

'Frau Bachmayer' schreibt im aktuellen "Lehrer-Blog" der 'Bild' über durchtrainierte Schüler, Date-Anfragen von Teenies und Notenvergaben nach Aussehen.
Foto: imago | Gerhard Leber

Die Bild-Zeitung hat eigentlich noch nie eine besondere Sensibilität für den sprachlichen Umgang mit sexuellem Missbrauch bewiesen. Während männliche Täter in hysterischen Überschriften als “Schänder” beschrieben werden, gab die Zeitung weiblichen Täterinnen beinahe bewundernde Titel. Bei Bild heißen sie "Sex-Lehrerinnen", die ihre minderjährigen Schüler "verführten". Frau Bachmayer, der Lehrerin und Autorin des Bild-"Lehrer-Blogs", zu unterstellen, sie würde ihre jugendlichen Schüler missbrauchen, wäre unwahr. Trotzdem beschreibt sie in der aktuellen Ausgabe ihres wöchentlichen "Lehrer-Blogs" problematische Szenen – und Bild schafft es mal wieder nicht, diese zu reflektieren.

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Frau Bachmayer wirkt in einigen ihrer Texte eigentlich nicht uncool. Die Mitte-30-Jährige bloggt bei Bild.de jeden Freitag anonym über ihren Alltag als Lehrerin. Sie schreibt, wie sie eine Schülerin mit Kopftuch empowert, wie ein Kollege ihr beim Tanzabend ungefragt von seinem Besuch im Swinger Club erzählt oder dass sie Teenies auf Nachfrage bessere Noten gibt. Auch wenn manche der Geschichten etwas unglaubwürdig wirken: Laut Bild.de ist Frau Bachmayer eine "garantiert" echte Lehrerin mit ebenso wahren Storys. Umso besorgniserregender, dass sie in der aktuellsten Episode unkommentiert über die Attraktivität der Teenies sinniert.

Im Lehrerzimmer diskutieren Lehrerinnen über ihre "süßen" Schüler

Auch als Lehrerin könne sie nicht ignorieren, dass manche Schüler einfach besser aussehen als andere, schreibt sie in ihrem neuesten Blog-Eintrag. An sich eine objektive Einschätzung – die Diskussionen, die daraus im Lehrerzimmer entstehen, klingen aber mindestens fragwürdig:

"'Ich bin in Englisch so begeistert von Khan', erzählt mir meine Kollegin Sylvia in der Pause. 'Du meinst den großen Hübschen aus der 10d?', hake ich nach. 'Genau den', grinst Sylvia. 'Der sieht echt wahnsinnig gut aus!' 'Redet ihr von Maik?', fragt Steffi, die nur mit halben Ohr zugehört hat. 'Den finde ich ja echt süß. Vor allem ist der ganz schön durchtrainiert', grinst sie."

Wenn Lehrer und Lehrerinnen ihre Schüler und Schülerinnen als "hübsch" oder "süß" beschreiben, klingt das komisch, ist aber nicht grundweg verwerflich. Problematisch wird es allerdings, wenn die Teenager im Laufe des Gesprächs sexualisiert werden – und ihre "durchtrainierten" Körper im Lehrerzimmer wichtiger werden als das Komplettversagen der Klasse bei der letzten Geschichts-Klausur.

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Bei der Bild gehört die Sexualisierung Minderjähriger zum journalistischen Repertoire wie die Wahl des "Bild-Girl des Monats": In der Vergangenheit kommentierte die Redaktion den Körper der damals 17-jährigen Sofia Richie als "gefährlich heiße Kurven" und bezeichnete die zu dem Zeitpunkt 15-jährige Becker-Tochter Anna Ermakova als "hübscher Teenager mit feurigen Locken". Die Zeitung wurde für solche Artikel mehrfach kritisiert, unter anderem von der Anti-Sexismus-Kampagne #StopBildSexism.

Dass minderjährige Jungs sexualisiert werden wie im Frau-Bachmayer-Text, ist im Bild-Universum eher eine Ausnahme. Auch im nächsten Absatz zeigt Frau Bachmayer, dass sie das mit den Grenzen zwischen Lehrerinnen und Schülern nicht ganz so genau nimmt.

Auf Date-Anfragen der Schüler gibt es keine eindeutige Absage

Wer sich einmal mit pubertierenden Teenies unterhalten hat, weiß: Manche Jugendliche haben keinen Filter. Dass Schüler es OK finden, ihre Lehrerinnen scherzhaft um Dates bitten, kann man mit patriarchalen Denkmustern erklären oder etwas unkritischer als "Jungs-Gerede" abtun. Frau Bachmayer scheinen die Einladungen ihrer Schüler in jedem Fall nicht zu stören. Als der 17-jährige Steven sie in Anbetracht seiner baldigen Volljährigkeit nach einer Verabredung fragte, entgegnete sie: "Wenn ich viel jünger wäre und nicht deine Lehrerin, dann würde ich es vielleicht tun. Aber so …"

Mit ihrer Antwort suggeriert sie ihrem Schüler, dass sie ihn sexuell durchaus ansprechend findet – wären da nicht die Grenze des Lehrerinnen-Schüler-Verhältnis und das Alter. Auch eine Date-Anfrage eines anderen Schülers beantwortete sie in ihrem Text damit, dass sie sich sehr geschmeichelt gefühlt habe – und in einer Fantasie-Welt, in der sie zwölf Jahre jünger und Schülerin wäre, sofort "Ja" gesagt hätte.

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Dass Bild.de so etwas veröffentlicht, ist wenig überraschend, denkt man an Sexualstraftäterinnen, die bei Bild zu "Sex-Lehrerinnen" werden, die es "faustdick hinter den Ohren" haben. Missbrauchsfälle werden bei Bild unter anderem als "außereheliche Abenteuer" bezeichnet. Dabei schadet die Verharmlosung der Missbrauchsfälle vor allem den Betroffenen: Im Abschlussbericht zur Aufarbeitung von Kindesmissbrauch heißt es, sieben Prozent der Taten werden von Frauen ausgeübt. Die Dunkelziffer sei womöglich aber deutlich höher, weil viele Betroffene sich oft nicht trauen, sich zu äußern – weil die Täterin nicht als Täterin wahrgenommen wird, sondern eben als Verführerin.

Rechtlich lässt Frau Bachmayer sich nichts zu Schulden kommen. In die dauererotisierte Welt der Bild fügt sie sich aber nahtlos ein.

Hübsche Jungs kriegen bei Frau Bachmayer bessere Noten

Frau Bachmayer erzählt in einem anderen Text, dass sie sowohl Schülern, als auch Schülerinnen gerne unter die Arme greift, wenn sie für ihr Abschlusszeugnis statt einer 4,6 eine 4,0 brauchen. Sehen die männlichen Schüler besonders gut aus und benehmen sich ordentlich, geht das noch einfacher:

"Wenn ein Schüler gepflegt rüberkommt, macht er erstmal einen besseren Eindruck als jemand, der total ungepflegt aussieht. Auch freundliches und zuvorkommendes Auftreten von Schülern zieht bei meinen Kolleginnen und mir durchaus."

Bachmayer schreibt selbst, es gäbe Studien, die beweisen, dass gutaussehende Leute oft auch bessere Noten bekämen. Eine dieser Studien hat zum Beispiel die US-amerikanische Society for Research on Child Development veröffentlicht. Nachdem die Forscher 9.000 Schüler einer High School in den 90ern jahrelang begleitet haben, bemerkten sie: Vermeintlich schöne Menschen bekommen tatsächlich einfacher gute Noten. Der Soziologe Ulrich Rosar untersuchte als einer der ersten Wissenschaftler das Phänomen in Deutschland und fand heraus: Auch hier müssen sich Schüler und Schülerinnen weniger anstrengen, wenn sie gut aussehen.

Bei Bild führt ein vermeintlich gutes Aussehen Minderjähriger zwar nicht zu guten Noten – dafür aber zu Schlagzeilen. Wie die Bild über einen schreibt, hat vor allem mit dem Geschlecht der Betroffenen zu tun. Auch im Bachmayer-Text werden diese Rollenbilder gefördert: Die junge Lehrerin, die mit ihren Kolleginnen über "durchtrainierte" Schüler scherzt, wird nicht hinterfragt und bekommt in einer scheinbar "lustigen" Kolumne unwidersprochen eine Plattform. Es scheint, die Bild hat in dem Bereich also selbst noch etwas Nachhilfe nötig.

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